Rustrela-Virus verursacht Meningoenzephalomyelitis – Interview zur „Staggering Disease“ der Katze

(Symbolbild) Foto: © Nadine Haase – stock.adobe.com

Die „Staggering Disease“, auch als Taumelkrankheit bekannt, eine Gehirn- und Rückenmarksentzündung (Meningoenzephalomyelitis) von Europäischen Hauskatzen, wurde erstmals in den 1970er-Jahren in Schweden beschrieben. Einem internationalen Forschungsteam ist es rund 50 Jahre nach Entdeckung der Erkrankung gelungen, den Erreger, das Rustrela-Virus (RusV), zu identifizieren. Lange Zeit stand das Borna Disease Virus-1 (BoDV-1) im Verdacht, der Verursacher zu sein.

Das Interview, das in Kompakt VetMed 02/2023 erschienen ist, führte Tierärztin Sigrun Grombacher.

Herr Prof. Matiasek, Sie als Initiator der Studie, wie sicher waren Sie sich, dass Sie den Erreger der Staggering Disease letzten Endes finden würden?

Prof. Kaspar Matiasek, LMU München Foto: © Matiasek

Matiasek: Das war erstmal ungewiss. Tatsächlich gingen wir zunächst lediglich davon aus, dass es sich um eine virale Erkrankung handelt, die nicht durch das in älteren Studien propagandierte BoDV-1 hervorgerufen wird. Mit der Bornaschen Krankheit kennen wir uns in der Alpenregion gut aus. Bereits in den 90ern konnten unsere Wiener Kollegen und Koautoren eine Bornavirusbeteiligung in einer Kohorte österreichischer Staggering-Disease-Katzen ausschließen. Auch in München führen wir seit vielen Jahren erfolglos Untersuchungen auf das BoDV-1 bei Katzen durch. Trotzdem muss man wachsam bleiben, da Bornaviren mehrere Wirbeltierspezies, darunter auch den Menschen, infizieren und hier unter Umständen tödliche Enzephalitiden hervorrufen können. Tatsächlich ist im süddeutschen Raum die Bornavirusenzephalitis des Menschen die häufigste tödliche virale Hirnentzündung. Daher ist es besonders wichtig, nach wissenschaftlichen Maßgaben zu untersuchen, was Bornaviren können und was nicht. Im Zuge unserer Arbeiten auf diesem Gebiet wurden wir von unserer schwedischen Kollegin, Dr. Cecilia Ley, angesprochen, die uns bat, die von ihr gesammelten Staggering Disease Fälle auf Bornaviren zu überprüfen. Dank der Kollaboration mit den Arbeitsgruppen von Prof. Martin Beer und PD Dr. Dennis Rubbenstroth am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) konnten wir das Gewebe nicht nur auf die üblichen Erreger untersuchen, sondern auch nach neuen und unerwarteten Viren suchen. Die Forscher des FLI hatten da bereits die Rustrelaviren im Fokus. Damit war das Projekt geboren! Wir sind besonders froh, dass wir unsere Wiener Kollegen ebenfalls für die Studie gewinnen konnten. Danach kamen noch sporadische Fälle anderer geschätzter Kollegen hinzu.

Herr Dr. Rubbenstroth, wie ist Ihnen der Nachweis des RusV genau gelungen – und wie der Ausschluss der Bornaviren?

PD Dr. Dennis Rubbenstroth, Friedrich-Loeffler-Institut Foto: © Rubbenstroth

Rubbenstroth: Wir haben zunächst die schwedischen Proben mit unserer RusV-PCR untersucht, die für die ersten, in Zootieren in Norddeutschland gefundenen RusV-Varianten etabliert worden war. Enttäuschenderweise waren die Ergebnisse negativ, sodass wir Dr. Claudia Wylezich und Dr. Florian Pfaff hier am FLI gebeten haben, mittels Hochdurchsatzsequenzierung und Metagenomanalyse zu untersuchen, welche anderen Erreger sich in den Gehirnen der Tiere finden lassen könnten. Dabei stellte sich überraschenderweise heraus, dass die Proben sehr wohl RusV enthielten. Die Genomsequenzen der neu entdeckten RusV-Varianten aus Schweden wichen jedoch so deutlich von den deutschen RusV-Sequenzen ab, dass unsere PCR nicht in der Lage gewesen war, sie zu detektieren. Mithilfe der neu gefundenen RusV-Sequenzen konnten wir dann eine neue PCR entwickeln, die in der Lage sein sollte, ein breites Spektrum von RusV-Varianten zu detektieren. Dies konnten wir anschließend auch bestätigen, durch den Nachweis des Virus in österreichischen Proben und in Proben aus anderen Teilen Deutschlands. Im Übrigen stellten sich die vermeintlichen Nachweise von BoDV-1 bei Katzen mit Staggering Disease in Schweden nachträglich als Laborartefakte dar. Trotzdem haben wir natürlich alle in die Studie einbezogenen Tiere auf das Vorhandensein von Bornaviren untersucht. Dafür haben wir Methoden verwendet, die nicht nur für den Nachweis von BoDV-1 geeignet sind, sondern auch andere mit ihm verwandte Bornaviren von Säugern und Vögeln detektieren können. Erwartungsgemäß waren die Ergebnisse für alle untersuchten Katzen mit Staggering Disease negativ, sodass auch wir keinen Hinweis auf einen Zusammenhang der Staggering Disease mit Bornaviren finden konnten.

Das RusV wurde in Deutschland erstmals in Gehirnen von Zootieren nachgewiesen. Bei welchen Tierarten?

Rubbenstroth: Bisher konnte das Virus in einem Hausesel, einem Nasenbären, einem Wasserschwein, einem Fischotter sowie in mehreren Bennett-Kängurus (Voss et al.) nachgewiesen werden. Da es sich jedoch um ein erst kürzlich entdecktes Virus handelt, ist davon auszugehen, dass sich in Zukunft noch weitere Säugetierspezies als für die Infektion und die Erkrankung empfänglich herausstellen werden.

Herr Prof. Weissenböck, vor 30 Jahren sind Sie der Erkrankung bereits in Österreich begegnet …

Prof. Herbert Weissenböck, Veterinärmedizinische Universität Wien Foto: © Veterinärmedizinische Universität Wien

Weissenböck: Tatsächlich hat uns vor mehr als 30 Jahren, im Jahr 1990, der praktizierende Tierarzt Josef Zoher auf Fälle einer ungewöhnlichen neurologischen Krankheit bei Katzen aufmerksam gemacht und dann auch Tierkörper zur Untersuchung zur Verfügung gestellt. Bei allen Tieren konnte eine nichteitrige Gehirn- und Rückenmarksentzündung festgestellt werden. Basierend auf den klinisch-neurologischen Befunden – Leitsymptom war der sich graduell bis hin zu Lähmungen verschlechternde taumelnde Gang –
und der zugrundeliegenden Entzündung fanden wir in der Fachliteratur Belege dafür, dass hier Parallelen mit einer schon früher in Schweden festgestellten Krankheit bestanden. In Übereinstimmung mit den schwedischen Kollegen waren wir uns aufgrund des nichteitrigen Entzündungsbilds relativ sicher, dass es sich um eine Virusinfektion handeln musste.

 

Können Sie uns etwas über die neuen Methoden berichten, die Sie in Ihren aktuellen Untersuchungen angewandt haben?

Weissenböck: In den frühen 1990er Jahren war die letztlich erfolgreiche Methode der Hochdurchsatzsequenzierung noch nicht erfunden und mit den damaligen Möglichkeiten gelang es uns nicht, einen Erreger festzustellen. Als Wissenschaftler und Tierarzt freut es mich aber sehr, dass es schließlich, gegen Ende meiner wissenschaftlichen Laufbahn möglich war, die Ursache einer Krankheit, die mich nahezu mein gesamtes Berufsleben begleitet, so elegant aufzuklären. Spezieller Dank dafür gebührt den Kollegen vom FLI. Was wir am Institut für Pathologie noch gemacht haben, war Erregersignaturen – also kurze Stücke der Erbinformation des Rustrelavirus – in Nervenzellen von praktisch allen erkrankten Katzen darzustellen. Dieser Nachweis unterstützt die These der eindeutigen ursächlichen Beteiligung des Virus an der Entstehung der Krankheit, weil es eben in jenen Zellen gefunden wurde, welche für die neurologischen Ausfälle verantwortlich zu machen sind. Ein Vorhandensein des Virus alleine – wie z. B. mit PCR demonstrierbar – würde einen kausalen Zusammenhang der Rustrelavirusinfektion mit Staggering Disease nicht zweifelsfrei beweisen, weil es eben auch klinisch symptomlose Virusinfektionen gibt.

Herr Prof. Nowotny, wie stellt sich das klinische Bild der Staggering Disease bei erkankten Katzen dar?

Prof. Norbert Nowotny, Veterinärmedizinische Universität Wien Foto: © Nowotny

Nowotny: Typische klinische Symptome von an Staggering Disease erkrankten Katzen sind ein sich zunehmend verschlechternder abnormaler steifer Gang, Störung der Bewegungskoordination, Schwäche vor allem der Hinterextremität und teilweise Lähmung der Muskulatur aller Extremitäten. Dazu werden Fieber, Verhaltensänderungen wie abnormale Lautabgabe, Depression, Überempfindlichkeit der Haut vor allem im hinteren Teil des Rückens und im Schwanzbereich und reduzierte Reflexe beobachtet. In einigen Fällen konnten die Katzen ihre Krallen nicht zurückziehen. Die Krankheitsdauer kann stark variieren, von 2 Tagen bis zu über einem Jahr, zumeist aber kürzer als 2 Monate (im Schnitt 2 Wochen). Praktisch alle Fälle mussten wegen sich laufend verschlechternder Krankheitssymptome letztlich eingeschläfert werden.

Was können Sie uns über das Alter der Tiere und das saisonale Auftreten der Erkrankung sagen?

Nowotny: Das Alter der betroffenen Katzen lag zwischen 1,5 und über 12 Jahren, im Durchschnitt waren sie 3,2 Jahre alt, also eher junge erwachsene Katzen. Mehr als Dreiviertel waren Kater (kastriert oder unkastriert) und alle waren Freigänger, hatten also die Möglichkeit, Mäuse zu jagen. Häufiger wurde die Staggering Disease im Herbst und Winter diagnostiziert, seltener im Frühjahr und Sommer. Über den Grund kann nur spekuliert werden, möglicherweise weil sich Mäuse bis zum Herbst häufiger mit dem RusV angesteckt haben.

Was vermuten Sie als Ursache für das lokale Auftreten der Erkrankung und wie erklären Sie sich das mutmaßliche Verschwinden von Infektionen bei Katzen in Österreich?

Weissenböck: Hier kann ich tatsächlich nur spekulieren, weil wir noch keine evidenzbasierten Daten aus Österreich haben. Aufgrund der vorhandenen Datenlage scheint relativ klar zu sein, dass bestimmte Nager (soweit bekannt, zumindest Gelbhalsmäuse und Waldmäuse) Reservoire dieses Virus sind. Die Nager dürften nicht oder zumindest nicht schwer an dieser Infektion erkranken, jedenfalls bekommen sie keine Gehirnentzündung. Das Virus wird vermutlich innerhalb der Nagerpopulationen von Generation zu Generation weitergegeben. In bestimmten geografischen Gebieten scheinen offenbar RusV-infizierte Nager vorhanden zu sein und in anderen solche, die das Virus nicht in sich tragen. Das erklärt auch das Auftreten in bestimmten räumlich umschriebenen Gebieten. Möglicherweise ist eine Virusinfektion doch ein nachteiliger Faktor, was den Reproduktionserfolg betrifft und daher könnte die Virusinzidenz in Nagerpopulationen in bestimmten Gebieten im Laufe der Zeit auch wieder abnehmen und vielleicht ganz verschwinden. Das könnte im österreichischen Endemiegebiet zu einer kontinuierlichen Reduktion der Viruslast und letztlich zu einem vollständigen Verschwinden der Infektion geführt haben.

Wie wichtig ist die Histopathologie für die Diagnose?

Matiasek: Die Diagnose der Enzephalitis kann tatsächlich nur mikroskopisch geführt werden. Lediglich bei langen Verläufen zeigt sich auf makroskopischer Ebene ein regionaler Schwund (Atrophie) von Hirngewebe. Histologisch, also unter dem Mikroskop, dominiert ein Entzündungsgeschehen, in das v. a. Lymphozyten – also Immunzellen – involviert sind. Im Versuch, das Virus zu eliminieren, richten diese leider einen größeren Schaden im Gehirn an als das Virus an sich. Die Viren selbst sieht man nicht. Man kann aber ihre Schadwirkung auf die Nervenzellen anhand von Degenerationserscheinungen nachzeichnen. Für den Virusnachweis im Gewebe benötigt man Spezialfärbungen mittels Antikörper (Immunhistochemie) oder RNA-Sonden (In-situ-Hybridisierung). Mittels dieser Techniken kann man den direkten Zusammenhang zwischen Virusinfektion und Zellzerstörung/Immunreaktion im Gewebe demonstrieren.

Inwieweit hatte die Fixierung des Probenmaterials einen Einfluss auf die Nachweisbarkeit des Erregers?

Matiasek: Die Zersetzung der meisten Proben war durch Fixation mittels Formaldehyds unterbrochen. Dies ist das in der Pathologie übliche Verfahren, um Proben zu konservieren und/oder einer mikroskopischen Standarduntersuchung zuzuführen. Leider bewirkt diese Methode allerdings Brüche in den Nukleinsäuren von Zellen und Erregern, auch Viren, sodass genetische Untersuchungen in den Fragmenten ein Mosaik erkennen müssen. Das ist biostatistisch gesehen sehr komplex, insbesondere wenn man nicht weiß, wonach man sucht. Sollten, wie u. a. am FLI, diese Technologie und Know How zur Verfügung stehen, kann man auch wertvolle Archivfälle der „vormolekularen“ Ära nach Erregern untersuchen, was vor einiger Zeit noch als undenkbar galt. Von einigen Tieren hatten wir darüberhinaus Gefriermaterial von Hirngewebe, in dem das genetische Material weit besser erhalten ist, was die Rekonstruktion potenzieller Erregergenome erleichtert. Gefriermaterial ist daher die bevorzugte Aufbewahrungsart. Allerdings ist dies oft unpraktikabel und teuer. Details zur Behandlung und zum Versand von diagnostischen Proben findet man auf den Homepages der meisten pathologischen Institute und des FLIs.

Von den insgesamt 27 RusV-positiven Katzen stammten 4 aus Deutschland. Aus welchen Regionen?

Rubbenstroth: Zwei der 4 RusV-positiven Katzen stammten aus Mecklenburg-Vorpommern und Berlin-Brandenburg und damit aus Regionen, in denen wir das Virus bereits zuvor in Zootieren nachweisen konnten. Die beiden weiteren RusV-positiven Tiere stammten aus den Regionen Hannover und Leipzig, in denen zuvor keine Nachweise des Virus bekannt waren. Die Verbreitung von RusV scheint also auch in Deutschland deutlich weiter zu sein als zuvor durch die Funde in norddeutschen Zoos bekannt.

Was hat das bisherige Screening möglicher Reservoirwirte ergeben?

Nowotny: In der ersten RusV-Studie erwiesen sich 8 von 16 untersuchten Gelbhalsmäusen (Apodemus flavicollis) aus dem Nordosten Deutschlands als RusV-positiv, in unserer Staggering Disease-Studie waren 7,5% der untersuchten Waldmäuse (Apodemus sylvaticus) aus Süd-Schweden RusV-positiv. Es ist nicht ausgeschlossen, dass weitere Mäusearten Träger von Rustrela-Viren sein können.

Die Untersuchung von 116 Mäusen aus Schweden erbrachte etwas unerwartete Ergebnisse …

Rubbenstroth: Überraschenderweise konnten wir das Virus nicht in den 8 untersuchten Gelbhalsmäusen aus Schweden nachweisen, dafür aber in 8 von 106 verfügbaren Waldmäusen. Beide Arten gehören zu derselben Gattung. Der Virustyp in den Waldmäusen entsprach dem, der auch bei den schwedischen Katzen gefunden worden war. Ob die verschiedenen RusV-Typen an unterschiedliche Reservoirwirte adaptiert sind oder ob die unterschiedlichen Ergebnisse der Untersuchungen in Deutschland und Schweden eher auf die Zusammensetzung der Probensammlungen zurückzuführen ist, bedarf noch weiterer Untersuchungen.

Was sehen Sie als den wahrscheinlichsten Infektionsweg des RusV an?

Rubbenstroth: Die Identifikation des Infektionswegs ist eines der wichtigsten Ziele laufender Forschungsprojekte zum RusV. Das Muster der Verbreitung der verschiedenen genetischen RusV-Varianten deutet aktuell darauf hin, dass das Virus in erster Linie durch ein relativ wenig mobiles Wildttierreservoir verbreitet wird, wie z. B. die vermuteten Gelbhals- und Waldmäuse. Mit einer bedeutenden epidemiologischen Rolle von Zoo- oder Haustieren, wie Katzen, die auch mal über weite Strecken transportiert werden und das Virus dann mit sich nehmen würden, ist das uns bisher bekannte epidemiologische Bild dagegen nur schwer vereinbar. Wir gehen daher im Moment davon aus, dass die erkrankten Zoo- und Haustiere für das Virus vermutlich eine Sackgasse darstellen. Aber auch das bedarf noch weiterer Forschung.

Sie konnten im Gehirn auch außerhalb entzündlicher Gewebeareale Auffälligkeiten nachweisen …

Prof. Herbert Weissenböck bei der Arbeit. Das Bild auf dem PC zeigt eine andere Viruserkrankung, nicht die Staggering Disease. Foto: © Veterinärmedizinische Universität Wien

Weissenböck: Das ist in der Neuropathologie nichts Ungewöhnliches und dieses Phänomen kennen wir bei vielen Virusinfektionen des Nervensystems. Die Entzündung ist ja eine Reaktion des Immunsystems. Damit Immunzellen überhaupt mit dem Gehirngewebe interagieren können, müssen sie zunächst aus Blutgefäßen auswandern. Um die Blutgefäße herum gibt es die schützende Blut-Hirn-Schranke, welche für Zellen schwer durchdringbar ist. Deshalb sammeln sich bei Entzündungen des zentralen Nervensystems die Immunzellen zunächst immer um die Blutgefäße an, bevor sie ins Nervengewebe weiterwandern können. Und diese Blutgefäße sind eben nicht immer in unmittelbarer Nachbarschaft von infizierten Nervenzellen. Dazu kommt, dass bei sogenannten neuronotropen Virusinfektionen die virusinfizierte Nervenzelle erst mit Verzögerung von Immunzellen als infiziert erkannt wird, weil Nervenzellen nur ganz wenige Moleküle, mit denen sie mit dem Immunsystem interagieren können (MHC-I-Moleküle), an ihrer Zelloberfläche haben.

Was sind Ihre Empfehlungen zur Diagnosestellung?

Matiasek: Zum momentanen Zeitpunkt ist eine definitive RusV-Enzephalitis-Diagnose nur an Hirngewebe möglich. Damit wäre sie intravital nur zu führen, wenn eine Hirnbiopsie durchgeführt würde, was – zugegeben – nur wenigen Zentren vorbehalten ist und mit einem gewissen prozeduralen Risiko einhergeht. Andererseits sind Hirnbiopsien zur Diagnostik anderer Enzephalitiden, z.B. des Hundes, bereits etabliert. An Hirngewebe (aus Obduktion oder Biopsie) sollte der Nachweis von Virus-RNA über eine PCR- Analyse geführt und durch eine histologische Untersuchung, gegebenenfalls mit Nachweis von Virus-RNA und/oder -antigen im Gewebe, kombiniert werden. Es gibt Bemühungen, das Virus auch in Hirn-Rückenmark-Flüssigkeit und Blut nachzuweisen und Serumtests im Hinblick auf sogenannte Infektionstiter zu entwickeln. So weit sind wir noch nicht! Aber es gibt Fortschritte.

Wie sehen zukünftige Forschungsziele aus?

Rubbenstroth: Die Entdeckung des RusV und seiner Rolle als Erreger von Enzephalitiden wie der felinen Staggering Disease ermöglicht es nun, gezielte Untersuchungen zur Verbreitung des Erregers und zur Häufigkeit von Erkrankungsfällen bei Katzen und anderen Tierarten durchzuführen. Neben der bereits angesprochenen Erforschung der Übertragungswege sollte auch die Verbesserung der Diagnostik durch die Etablierung weiterer diagnostischer Methoden im Fokus stehen. Auch Studien zu antiviralen Wirkstoffen und zur Möglichkeit einer Immunprophylaxe könnten in Zukunft möglich sein. Das offenbar außerordentlich breite Spektrum der empfänglichen Wirte wirft zudem die Frage auf, ob sich bei entsprechender Exposition auch Menschen infizieren könnten.

Herzlichen Dank für das Gespräch.