Sarkomchirurgie: Die zehn wichtigsten Empfehlungen ‒ Ausgewählt von Operateuren für Operateure

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Der folgende Beitrag unseres Autors stellt die zehn wichtigsten Empfehlungen aus der aktuellen S3-Leitlinie „Adulte Weichgewebesarkome“ vor, zu denen er auch auf dem DKOU referiert.

Die S3-Leitlinie „Adulte Weichgewebesarkome“ ist eine Zusammenfassung der guten klinischen Praxis der Sarkombehandlung. Auf mehr als 250 Seiten und durch 229 Empfehlungen haben Experten verschiedenster Fachrichtungen in einem Delphi-Prozess Evidenz geprüft, kollegial diskutiert und die Empfehlungen konsentiert (Leitlinienprogramm Onkologie: Adulte Weichgewebesarkome: www.leit­linienprogramm-onkologie.de/home). Es ist nicht zu erwarten, dass alle Orthopäden und Chirurgen die gesamte Leitlinie einer seltenen Tumorerkrankung lesen und kennen. Daher haben wir als Vertreter der operativen Fächer der Leitlinienkommission die wichtigsten zehn Empfehlungen für Operateure von Operateuren zusammengestellt. Hieraus ist eine Liste von Handlungsempfehlungen für die Sarkomchirurgie geworden.

Weichgewebesarkome sind seltene bösartige Erkrankungen. Viele Sarkome sind bei Diagnosestellung lokal fort­geschrittenen. Die Diagnosestellung basiert auf der Biopsie, der Bildgebung und der Festlegung einer stadien­gerechten Therapiestrategie im interdisziplinären Sarkomboard. Die Therapie der nichtmetastasierten Erkrankung basiert auf einer weiten R0-Resektion und Bestrahlung. Bei hohem Risiko für Metastasen (z. B. G3-Tumoren) kommt eine Chemotherapie infrage.

Eine große Herausforderung ist die initiale Diagnostik und Erstoperation. Dies gilt insbesondere, da Weich­gewebesarkome in allen Körperregionen auftreten können und Operateure unterschiedlichster Fachrichtungen zu den Primärbehandlern gehören. Die Erfahrungen der einzelnen Operateure mit Sarkomen ist dabei außerhalb von Zentren gering. Epidemiologische Studien weisen nach, dass insbesondere durch ungeplante Operationen die Prognose der Patienten verschlechtert und die Therapiekosten erhöht werden.1

Dabei gibt es klare Hinweise, die auf ein Sarkom hindeuten. Im NHS (UK) wurde die sogenannte „two-week-rule“ etabliert, bei der Patienten mit Raumforderungen des Weichgewebes mit einer Größe von mehr als fünf Zentimeter, Größenwachstum, Beschwerden sowie Lage jenseits der Körperfaszie automatisch eine Überweisung in ein Sarkomzentrum erhalten (Abb. 1). Dabei haben die englischen Kollegen gezeigt, dass eine Symptomkumulation zuverlässig auf Malignität hinweist und sowohl eine Biopsie als auch eine Bildgebung erfolgen sollten.2

Abb. 1: Auswertung der „two-week-Rule“ des NHS: definierte klinische Charakteristika weisen auf Malignität von Raumforderungen hin. Die geschätzte Tumorgröße von mehr als 4,2 cm (Golfball) und die Angabe einer Größenzunahme waren am wichtigsten: „If your lump is bigger than a golf ball and growing, think Sarcoma.“ Abbildung adaptiert aus Nandra R et al. 2015.

Hinsichtlich der operativen Strategie liegen die einzelnen Fächer in der Sarkomchirurgie nicht weit voneinander entfernt. Sowohl die Multiviszeralresektion retroperitonealer Sarkome als auch die weite Resektion von Extremitätensarkomen oder die adäquate Chirurgie von Sarkomen der Haut werden im Text der Leitlinie hinsichtlich der Notwendigkeit und des Ziels der Schaffung eines Sicherheitsabstandes und einer R0-Resektion recht ähnlich beschrieben. Eine geplante, weite R0-Resektion kann als allgemeiner Standard definiert werden.

Letztlich waren es daher eher die Empfehlungen zur Diagnostik, Interdisziplinarität und multimodalen Therapie, die ihren Weg in die Top Ten gefunden haben (Abb. 2). Beispielhaft sei hier die Vorstellung im spezialisierten Sarkomboard erwähnt, die mit einem Vorteil im rezidivfreien Über­leben von zehn Prozent und Vorteilen im Gesamtüberleben einhergehen kann.3,4

Abb. 2: Zusammenfassende Darstellung der Methodik und der Ergebnisse des angewandten Delphi-Verfahrens. Dabei wurde die Titelseite der S3-Leitlinie „Adulte Weichgewebesarkome“ in die Grafik integriert.

Wir danken den Organisatoren des DKOU 2024 dafür, unsere Ergebnisse auf dem Kongress vorstellen und diesen Beitrag in der Kongress­zeitung veröffentlichen zu können. Wir wünschen uns, dass die S3-Leitlinie „Adulte Weichgewebesarkome“ eine möglichst weite Verbreitung findet.

Uns ist bewusst, dass die Diskussion über einzelne Empfehlungen der Leit­linie, über die Zentralisierung der Sarkomtherapie und über die Sarkom­chirurgie selbst kontrovers geführt werden kann.5 Hierzu wollen wir konstruktiv unseren Beitrag leisten. Unser Dank gilt allen Delegierten der operativen Fächer für die Bereitschaft, sich an diesem interdisziplinären Projekt zu beteiligen sowie der Deutschen Krebshilfe und dem Leitlinienprogramm Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft, die die Leitlinie finanziert und unterstützt haben.               W

Literatur:

  1. Perrier L et al. Clinicians‘ adherence ­versus non adherence to practice guide­lines in the management of patients with sarcoma: a cost-effectiveness assessment in two European regions. BMC Health Serv Res, 2012. 12: p. 82.
  2. Nandra R, Forsberg J, Grimer R. If your lump is bigger than a golf ball and ­growing, think Sarcoma. Eur J Surg Oncol 2015;41(10):1400–1405.
  3. Berger-Richardson D, Swallow CJ. Needle tract seeding after percutaneous biopsy of sarcoma: Risk/benefit considerations. Cancer 2017;123(4):560–567.
  4. Blay JY et al. Improved survival using specialized multidisciplinary board in sarcoma patients. Ann Oncol 201728(11):2852–2859.
  5. Blay JY et al. Surgery in reference centers improves survival of sarcoma patients: a nationwide study. Ann Oncol 2019;30(7):1143–1153.

Autoren: Prof. Dr. Jens Jakob, Prof. Dr. Hans-Roland Dürr, Prof. Dr. Burkhard Lehner, PD Dr. Dimosthenis Andreou, Prof. Dr. ­Thomras Gösling, Prof. Dr. Marcus Lehnhardt, Professor Dr. Lars Lindner, Prof. Dr. Jalid Sehouli, Prof. Dr. Thomas Graeter, Prof. Dr. Robert Grützmann, Prof. Dr. Jürgen Hoffmann, Prof. Dr. Peter Hohenberger, Dr. Vlada Kogosov – für die Delegierten der Operativen Fächer in der S3- Leitlinienkommission „Adulte Weichgewebesarkome“.
Chirurgische Klinik, Universitätsmedizin Mannheim, Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg
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Mittwoch: 23.10. 09:00–10:00 Uhr