SARS-CoV-2 kann das Innenohr infizieren4. November 2021 Foto: (C) Andrey Popov – stock.adoe.com Die Prävalenz auditorischer Symptome bei COVID-19-Patienten ist nicht genau bekannt, aber eine aktuelle Studie zeigt, dass eine Infektion des Innenohrs für Hörprobleme, Tinnitus oder Schwindel verantwortlich sein könnte. Viele COVID-19-Patienten haben über Symptome, die die Ohren betreffen berichtet, etwa Hörverlust oder Tinnitus. Auch Schwindel oder Gleichgewichtsprobleme können auftreten, was bereits nahelegte, dass SARS-CoV-2 auch das Innenohr infizieren könnte. Eine aktuelle Studie bestätigt das. Die US-amerikanische Studie, die am Massachusetts Institut for Technology (MIT)/Massachusetts Eye and Ear, Boston, durchgeführt wurde liefert Belege dafür das SARS-CoV-2 Zellen im Innenohr, unter anderem Haarsinneszellen, infizieren kann. Die Forschenden konnte darüber hinaus zeigen, dass das Infektionsmuster im menschlichen Innenohr zu den Symptomen passt, die bei COVID-19-Patienten, die über die Ohren betreffende Symptome berichteten, im Rahmen einer Studie mit zehn Patienten festgestellt wurden. Das Team um Jeong et al. nutzte eine Zellmodelle des menschlichen Innenohrs und menschliches Innenohrgewebe von Erwachsenen für die Studie. Letzteres ist nur sehr begrenzt verfügbar, was Studien zu COVID-19 und anderen Viren, die Hörverlust verursachen, erschwert. „Das Modell ist ein erster Schritt und unsere Studie bereitet nicht nur den Weg für die Arbeit mit SARS-CoV-2, sondern auch mit anderen Viren, die das Gehör beeinflussen“, sagt Lee Gehrke, (MIT Institute for Medical Engineering and Science), einer der leitenden Autoren der Studie. Zweite leitende Autorin war Konstantina Stankovic, inzwischen Bertarelli Foundation Professor und Chair des „Department of Otolaryngology – Head and Neck Surgery“ an der Stanford University School of Medicine. Modelle für Ohr-Infektionen Bereits vor der Pandemie hatten Gehre und Stankovic begonnen zelluläre Modelle zu entwickeln, mit denen sich Innenohrinfektionen erforschen lassen. Cytomegaloviren, Mumps- und Hepatitis-Viren können Hörverlust verursachen, allerdings ist der Mechanismus nicht genau verstanden. Seit Beginn der Pandemie gab es zunehmend Patienten mit Hörverlust, Tinnitus und Schwindel, die positiv für SARS-CoV-2 waren. Allerdings sei zu diesem Zeitpunkt unklar gewesen, ob es einen ursächlichen Zusammenhang gab oder nur Zufall war, weil Hörverlust und Tinnitus so verbreitet seien, so Stankovic. Die Forschenden nutzen das Modellsystem, das sie entwickelten, um die SARS-CoV-2-Infektion zu erforschen. Das Modellsystem basiert auf humanen Hautzellen, die in induzierten, pluripotenten Stammzellen umgewandelt werden. Diese Zellen können so stimuliert werden, dass sie zu verschiedenen Zelltypen differenzieren, die auch im Innenohr zu finden sind: Haarsinneszellen, unterstützende Zellen, Nervenfasern und Schwann-Zellen. Diese Zellen können als flache, zweidimensionale Schicht kultiviert oder als dreidimensionale Organoide kultiviert werden. Darüber hinaus konnten den Forschenden Proben von Innenohrgewebe von Patienten nutzen, die etwa wegen eines Tumors operiert werden mussten. Sowohl in den Innenohr-Gewebeproben also auch im Stammzell-Modell konnten das Team zeigen, das bestimmte Zelltypen, Haarsinneszellen und Schwann-Zellen, Proteine exprimieren, die SARS-CoV-2 braucht, um Zellen zu infizieren. Dabei handelt es sich etwa um den ACE2-Rezeptor auf der Zelloberfläche und die Enzyme Furin und die Transmembranprotease Serin 2. Die Studienergebnisse belegen, dass das Virus tatsächlich Zellen im Innenohr infizieren kann, hauptsächlich Haarsinneszellen und in einem geringeren Ausmaß auch die Schwann-Zellen. Die anderen Zelltypen erwiesen sich als nicht anfällig für eine SARS-CoV-2-Infektion. Die von den Forschenden untersuchten Haarsinneszellen, waren vestibuläre Haarzellen. Cochleare Haarsinneszellen sind viel schwieriger im Zellmodell zu generieren beziehungsweise als Gewebeprobe verfügbar. Allerdings konnte das Team an Haarzellen als der Cochlea von Mäusen belegen, dass diese ebenfalls über Proteine verfügen, die es SARS-CoV-2 erlauben Zellen zu infizieren. Virale Verbindung Das von den Forschenden gefundene Infektionsmuster in den Zellproben scheint mit den Symptomen zu korrespondieren, die in einer Gruppe von zehn COVID-19-Patienten beobachtet werden konnten. Diese berichtenden von die Ohren betreffenden Symptomen nach ihrer Infektion: Neun von Zehn hatten Tinnitus, sechs Personen litten unter Schwindel und alle erlebten eine Beeinträchtigung des Gehörs, von mild bis schwerwiegend. Bei sechs der COVID-Patienten wurden otoakustische Emmissionen gemessen, bei allen waren diese reduziert oder nicht vorhanden. Die Studienergebnisse legen zwar nahe, dass COVID-19 Probleme mit Gehör und Gleichgewicht verursachen kann. Welcher Anteil der COVID-19-Patienten betroffen ist, ist allerdings nicht bekannt. Aufgrund der Studienergebnisse sei eine erhöhte Aufmerksamkeit für audiovestibuläre Symptome bei COVID-19-Patienten nötig, betont Stankovic. Ein möglicher Weg für das Virus zum Innenohr sei die Eustachische Röhre, so Stankovic. Möglicherweise nutze das Virus aber auch kleinste Öffnungen rund um den olfaktorischen Nerv, um von der Nase in das Innenohr zu gelangen. Das würde es dem Virus auch erlauben zum Gehirn zu gelangen und kraniale Nerven zu infizieren, einschließlich des Nervs, der mit dem Innenohr verbunden ist, so Stankovic weiter. (ja) Originalpublikation: Jeong M et al. Direct SARS-CoV-2 infection of the human inner ear may underlie COVID-19-associated audiovestibular dysfunction. Communications Medicine 2021;1:44.
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