SARS-CoV-2 kapert Interferon-induzierte Transmembranproteine zur effektiven Infektion9. August 2021 Das Forschungsteam aus dem Institut für Molekulare Virologie des Universitätsklinikums Ulm. (v.l.) Konstantin Sparrer, Caterina Prelli Bozzo, Meta Volcic, Rayhane Nchioua und Frank Kirchhoff. (Foto: © Dr. Dré van der Merwe/Universitätsklinikum Ulm) Wie gelingt es SARS-CoV-2, sich so effektiv im Körper auszubreiten? Einer der Gründe ist, dass es sich ursprüngliche „Gegner“ zu „Helfern“ macht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikums Ulm haben in einer Studie gezeigt, dass SARS-CoV-2 Interferon-induzierte Transmembranproteine (IFITM) benutzt, um effektiver in Wirtszellen einzudringen. IFITM sind eigentlich für ihre antivirale Wirkung bekannt. Die Ulmer Forschenden konnten nun nachweisen, dass SARS-CoV-2 diese Transmembranproteine „missbraucht“ und dadurch noch infektiöser wird. „Diese Ergebnisse haben uns sehr überrascht. Waren Interferon-induzierte Transmembranproteine doch bislang eher für ihre antivirale Wirkung bekannt“, sagt Prof. Frank Kirchhoff. Der Leiter des Institutes für Molekulare Virologie am Universitätsklinikum Ulm ist Seniorautor der Studie. Die Ulmer Daten stehen vermeintlich im Widerspruch zu Resultaten anderer Forschungsgruppen, die berichteten, dass IFITM-Proteine humane Coronaviren hemmen. „Die scheinbaren Widersprüche lassen sich jedoch erklären“, hebt Dr. Konstantin Sparrer hervor. Der Wissenschaftler leitet am Institut für Molekulare Virologie eine BMBF-Nachwuchsgruppe und war an der Studie ebenfalls federführend beteiligt. „Frühere Ergebnisse – die wir übrigens experimentell bestätigen konnten – wurden unter sehr künstlichen Bedingungen erzielt. So wurden beispielsweise die IFITM artifiziell überexprimiert und meist sogenannte Pseudovirionen verwendet“, erläutert Kirchhoff und ergänzt: „Wenn jedoch Zellen aus relevanten menschlichen Geweben wie Lunge, Herz oder Darm mit richtigem SARS-COV-2 infiziert werden, erhöhen IFITM die virale Infektion und Produktion infektiöser Viren um mehrere Größenordnungen. Dies konnten wir in unserer Studie ebenfalls zeigen.“ Für die Studie, an der auch internationale Kooperationspartner und zahlreiche weitere Forschende der Ulmer Universitätsmedizin beteiligt waren, wurden experimentelle Bedingungen genutzt, die eine größere physiologische Relevanz als die bisher verwendeten Systeme haben. So wurden unter anderem primäre Lungen-, Herz- und Darmzellen und auch Organoide verwendet. Bei schweren Verläufen gehören Lunge, Herz und Darm zu den Hauptzielen einer SARS-CoV-2-Infektion. Die Forscher fanden auch erste Hinweise auf den verstärkenden Mechanismus. „Mit hochleistungsmikroskopischer Bildgebung und hochempfindlichen Interaktionstests konnten wir nachweisen, dass das Spike-Protein von SARS-CoV-2 mit den IFITM interagiert und diese ausnutzt, was den Virus-Eintritt fördert“, bringen Caterina Prelli Bozzo und Rayhane Nchioua – beide sind Erstautorinnen der Studie – die Ergebnisse auf den Punkt. Umgekehrt konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen, dass die Infektion weit weniger effizient abläuft, wenn die Produktion dieser Membranproteine experimentell unterdrückt wird. Für diese SARS-CoV-2-Studie wurden Darm-Organoide infiziert. Auf der fluoreszenzmikroskopischen Aufnahme dargestellt ist ein gefärbter Schnitt. Zu erkennen sind rot das Spike-Protein in den infizierten Zellen, grün E-Cadherin und blau die Zellkerne. (Abbildung: © Prelli Bozzo/Krüger/Nchioua; Universitätsklinikum Ulm) Das unerwartete Ergebnis, dass IFITM Kofaktoren einer effektiven SARS-CoV-2-Infektion sind, hat auch therapeutisches Potential. „Blockiert man die IFITM mit Antikörpern, hemmt dies die Infektion menschlicher Lungen-, Herz- und Darmzellen“, berichten die Forschenden. Weiterhin hilft das Ergebnis zu erklären, wieso sich dieses Coronavirus so effizient ausbreiten kann: unter anderem indem es Interferon-induzierte Transmembranproteine, die normalerweise antiviral wirken, für eigene Zwecke missbraucht. Gefördert wurde das Forschungsprojekt mit Geldmitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sowie der Sonderfördermaßnahme COVID-19 des Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Das Projekt ist eingebettet im DFG-Sonderforschungsbereich 1279 „Nutzung des menschlichen Peptidoms zur Entwicklung neuer antimikrobieller und anti-Krebs Therapeutika“.
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