„Saubere Luft für ein gesundes Gehirn“23. Juli 2018 Foto: © VanderWolf Images – Fotolia.com Der Einfluss der Luftschadstoffbelastung auf die Gesundheit wächst ständig. Die aktuellste Schätzung spricht davon, dass weltweit jährlich neun Millionen Menschen infolge belasteter Atemluft sterben. Deshalb fokussierte auch der Welttag des Gehirns am 22. Juli auf ein Umweltthema. „Die von einem internationalen Wissenschafterteam mit den Daten aus 188 Staaten der Welt durchgeführte ‚Global Burden of Disease‘-Studie hat ergeben, dass der akute Schlaganfall zu einem Anteil von bis zu 30 Prozent auf den Risikofaktor Schadstoffbelastung der Luft zurückzuführen ist. Das hat uns dazu veranlasst, erstmals einen Aspekt der Umweltverschmutzung zum Thema des Welttages des Gehirns zu machen“, sagte Prof. Mohammad Wasay, Karachi, Vorsitzender des Welttages des Gehirns. Weltumspannendes und komplexes Problem Beim Zusammenhang zwischen der Luftverschmutzung durch Gase und Partikel und der Gehirngesundheit handelt es sich um ein weltweites und gleichzeitig um ein komplexes Problem. Prof. Jacques Reis, Leiter der Forschungsgruppe für angewandte Wissenschaft für Umweltaspekte der Neurologie: „Luftverschmutzung ist eine diffuse, oft nicht sichtbar auftretende Kontamination durch schädliche Bio-Aerosole mit Pollen, Sporen, Partikeln und toxischen Substanzen. Die Belastungen können aus natürlichen Quellen stammen oder durch den Menschen verursacht sein.“ Hinzu kommt, dass es sich je nach der Situation, in der Menschen leben und arbeiten, quantitativ und qualitativ um ein sehr unterschiedliches Phänomen handelt. Unterschieden werden darüber hinaus primäre und sekundäre Luftschadstoffe: Erstere sind Gase und Partikel, die selbst schädliche Wirkung haben. Sekundäre Schadstoffe enstehen aus chemischen Reaktionen von Substanzen natürlicher und/oder künstlicher Herkunft (z.B. Ozon). „Das Problem ist in Großstädten anders als in ländlichen Gebieten. Es gibt lokale, regionale und über die Ländergrenzen hinaus wirkende Luftschadstoffe“, betonte Reis. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat erst Anfang Mai dieses Jahres festgestellt: Neun von zehn Menschen weltweit atmen verschmutzte Luft ein. Drei Milliarden Menschen müssen zu Hause noch immer schädliche Brennstoffe zum Kochen und/oder Heizen verwenden. Toxische Wirkung immer besser verstanden Gerade in den vergangenen Jahren hat die Wissenschaft wesentliche Hinweise dafür geliefert, wie die Luftschadstoffe die Gesundheit des menschlichen Gehirns des Einzelnen und die neurologische Gesundheit der Weltbevölkerung schädigen. Reis: „Die Schadstoffe kommen über die Atemwege und den Verdauungstrakt in den Körper. Sie verursachen unterschwellig verlaufende Entzündungsreaktionen, gelangen über den Blutstrom oder über die oberen Atemwege ins Gehirn. Auch durch sie hervorgerufene Schädigungen der Darmflora können sich auf das Gehirn auswirken.“ Potenzielle Effekte: Atherosklerose, oxidativer Stress und den ganzen Organismus betreffende Entzündungsreaktionen, Schädigung der Blutgefäße, Blutdrucksteigerung, Beeinträchtigung der Blut-Hirn-Schranke als Schutzmechanismus und Herzprobleme. Direkt nachweisbar sind auch die Beeinträchtigung von Zellen im Gehirn wie Mikroglia-Zellen und Astrozyten. Auf zellulärer Ebene beeinträchtigen die Luftschadstoffe die Mitochondrien und die DNA. Sie führen zu epigenetischen Veränderungen und zu einer Verkürzung der „Schutzkappen“ an den Chromosomen (Telomere). Letzteres gilt als Zeichen von Zellalterung. Durch den Menschen verursacht – Durch den Menschen beeinflussbar Gerade bei Umweltfaktoren, welche die Gesundheit des Gehirns beeinträchtigen, könnte entschiedenes Handeln die Risiken deutlich verringern. „Die Prävention von Krankheiten, welche das Gehirn betreffen, ist nicht nur eine Angelegenheit des Individuums. Das muss man auch auf gesellschaftlicher Ebene vorantreiben. Dies gilt besonders für Umwelteinflüsse, die der Mensch verursacht und damit letztendlich auch beeinflussen kann. Sie sind bedeutsame Risikofaktoren für Krankheiten, welche die Blutgefäße des Gehirns betreffen und für neurodegenerative Erkrankungen“, sagte Prof. Wolfgang Grisold, WNF-Generalsekretär. „Dieses weltweite Problem für die öffentliche Gesundheit bedarf adäquater umwelt- und gesundheitspolitischer Strategien, um die Luftschadstoffbelastung zu reduzieren. Es geht nicht nur um die Gesundheit der Lunge, sondern auch um die Gesundheit jenes Organs, das uns zum Menschen macht – um unser Gehirn“, betonte Grisold. Weckruf für die internationale Staatengemeinschaft Die vorliegenden wissenschaftlichen Daten zum Einfluss der Schadstoffbelastung der Luft auf die Gesundheit des menschlichen Gehirns ließen keine andere als diese Aussage zu, betonte aus Anlass des Welttages des Gehirns WFN-Präsident Prof. William Carroll: „Das muss ein Weckruf für jeden einzelnen von uns, für jedes Land der Welt und für die internationale Staatengemeinschaft sein. Die Entscheidungsträger in Politik und Gesellschaft müssen mehr für die Verhinderung von neurologischen Störungen und Erkrankungen tun. Das bedeutet eine höhere Priorität für das Anliegen der Gehirngesundheit als in der Vergangenheit und eine bessere finanzielle Ausstattung für diese Anliegen. Die Gesundheit des Gehirns muss zu einer der Top-Ziele der Gesundheitspolitik gemacht werden.“
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