Schädliche Wirkung von Stresshormonen bei akutem Nierenversagen entdeckt

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Tubulusepithelzellen spielen eine wichtige Rolle bei der Erholung eines akuten Nierenversagens. Neuesten Erkenntnissen zufolge führt die Aktivierung von Glukokortikoidrezeptoren zu einer Fehlfunktion dieser Zellen, was den Genesungsprozess negativ beeinflussen könnte.

Ein akutes Nierenversagen kann eine Vielzahl von Ursachen haben, wie etwa schwere Infektionen oder nephrotoxische Medikamente. Eine Schlüsselrolle beim akuten Nierenversagen spielen Tubulusepithelzellen, deren Resilienz und Reparatur entscheidend für die Wiederherstellung der Nierenfunktion und die Genesung der Betroffenen ist.

Forschende der Philipps-Universität Marburg um Prof. Thomas Worzfeld vom Pharmakologischen Institut und internationale Kolleginnen und Kollegen haben nun herausgefunden, dass Glukokortikoide Tubulusepithelzellen schädigen und dadurch ein akutes Nierenversagen verschlimmern können. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachmagazin „Science Translational Medicine“.

Ausgangspunkt der Studie war die Entdeckung, dass es bei schweren COVID-19-Erkrankungen häufig zu einem Absterben von Tubulusepithelzellen und einem akuten Nierenversagen kommt. Die Forschenden fragten sich, wie die Standardtherapie bei schwerkranken COVID-19-Patienten auf die Niere wirkt. Zu dieser Standardtherapie gehört die Verabreichung von Medikamenten aus der Gruppe der Glukokortikoide, die zu den Stresshormonen gehören und das Immunsystem beeinflussen.

Die Forschenden verwendeten für ihre Analyse unter anderem Nierenbiopsien von Patienten mit COVID-19. Anhand dieser entdeckten sie, dass die Schädigung der Tubulusepithelzellen durch Myoglobin, das als Folge der Rhabdomyolyse freigesetzt wird, ein wichtiger pathophysiologischer Mechanismus für das akute Nierenversagen bei schwerem COVID-19 ist. Die Schädigung der Tubulusepithelzellen führt den Studienautoren zufolge zu einer Aktivierung des Glukokortikoidrezeptors durch das endogene Glukokortikoid Cortisol, was die tubuläre Schädigung verschlimmert. In verschiedenen Experimenten konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die schädliche Wirkung endogener Glukokortikoide auf geschädigte Tubulusepithelzellen durch die Verabreichung des klinisch weit verbreiteten synthetischen Glukokortikoids Dexamethason noch verstärkt wird. Mechanistisch gesehen unterdrücken Glukokortikoide die mitochondriale Energiegewinnung in den Tubulusepithelzellen, wodurch diese absterben und sich die akute Nierenfunktionseinschränkung verschlechtert.

Die Forschenden sind noch auf einen weiteren spannenden Befund gestoßen: Bei einem akuten Nierenversagen baut die Niere das Cortisol weniger gut ab. „Cortisol kann dann dem eigenen Körper schaden“, sagt Worzfeld. Medikamente aus der Gruppe der Glukokortikoide sollten Worzfeld zufolge bei akutem Nierenversagen daher mit Augenmaß eingesetzt werden. Ob und wie genau zukünftig Therapien anzupassen sind, müssten allerdings klinische Studien zeigen.