Schilddrüsendiagnostik: Sonografische Abklärung statt invasiver Eingriffe28. März 2024 Symbolfoto: Angelov/stock.adobe.com Schilddrüsenerkrankungen gehören zu den Volkskrankheiten: So betreffen Funktionsstörungen rund jeden dritten Erwachsenen1 und Knotenbildungen lassen sich bei mehr als der Hälfte aller Erwachsenen nachweisen2. Oft werden die knotigen Veränderungen durch Zufall entdeckt, bereiten keinerlei Beschwerden und sind in den allermeisten Fällen harmlos. Um schnell diagnostische Sicherheit zu erlangen, ist eine Untersuchung mit hochauflösendem Ultraschall unverzichtbar. Wie die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM) mitteilt, gilt dies sowohl für die erste optische Beurteilung der Knoten als auch für eine Punktion, die unter Ultraschallkontrolle zielgerichteter und sicherer erfolgen kann. „Eine aktuelle Studie2 zeigt, dass der Anteil maligner Knoten mit 1,1 Prozent sehr niedrig ist“, sagen Prof. Peter Jecker, Chefarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Plastische Kopf-Hals-Chirurgie am Klinikum Bad Salzungen GmbH und Vorstandsmitglied der DEGUM. Denn mit der Zahl der Schilddrüsenuntersuchungen und deren zunehmender Sensitivität sei über die Jahre vor allem der Anteil harmloser Befunde deutlich angestiegen. In Deutschland wird viel zu häufig operiert Dennoch tut eine rasche Abklärung Not – und dies möglichst wenig invasiv, betont auch der leitende Oberarzt Dr. Jiří Podzimek, MBA. „Mittlerweile gibt es eine gut etablierte Stufendiagnostik für Schilddrüsenknoten, mit der das Krebsrisiko sehr gut abgeschätzt werden kann“, sagt er. Ziel dieses Vorgehens ist es, die Zahl der Schilddrüsenoperationen künftig zu senken. Denn im europäischen Vergleich wird hierzulande zu viel operiert: Mit 70 Schilddrüsenoperationen pro 100.000 Einwohner liegt Deutschland deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 47 pro 100.0003. Dass man hier reduzieren kann und sollte, zeigt auch eine andere Zahl: Nur bei einer von 15 Operationen bestätigt sich hierzulande der Krebsverdacht – das heißt, 14 dieser Operationen stellen sich im Nachgang als unnötig heraus4. In Skandinavien dagegen liegt dieses Verhältnis bei eins zu fünf. Das wichtigste Standbein der nicht-invasiven Diagnostik ist der Ultraschall. Mithilfe moderner, hochauflösender Ultraschallgeräte kann nicht nur die Größe des Knotens in allen Raumrichtungen genau bestimmt werden, sondern auch seine innere Struktur und die Art seiner Begrenzung zum umgebenden Gewebe. Wichtige Hinweise für die Abschätzung des Krebsrisikos gibt auch die ebenfalls per Ultraschall ermittelte Elastizität des Knotens. „Neuere Erkenntnisse deuten zudem darauf hin, dass die Fusion der Ultraschallbildgebung mit einer funktionellen Bildgebung per PET oder SPECT die Genauigkeit der Risikoabschätzung noch steigert“, berichtet Podzimek. Für eine Forschungsarbeit zu diesem Thema, die PD Dr. Philipp Seifert im Rahmen seiner Habilitation am Jenaer Universitätsklinikum anfertigte, hat die DEGUM im Herbst ihren Wissenschaftspreis vergeben. Richtige Vorgehensweise wird zu selten eingehalten Flankiert werden sollten die sonografischen Untersuchungen bei Auffälligkeiten von einer Messung des Calcitonin-Spiegels im Blut – denn auch erhöhte Werte dieses Hormons können auf bösartige Veränderungen an der Schilddrüse hindeuten. „Wenn sich bei diesen Untersuchungen auffällige Befunde ergeben, sollte eine Feinnadelbiopsie vorgenommen werden“, so Podzimek. Wenn sich in dieser Gewebeprobe Hinweise auf Krebszellen finden, sollte umgehend operiert werden. Dieser Pfad wird in Deutschland jedoch oft nicht eingehalten, wie Krankenkassendaten zeigen. In einer einige Jahre zurückliegenden Analyse wurde vor der Operation eines Schilddrüsenknotens nur bei neun Prozent der Patientinnen und Patienten der Calcitonin-Spiegel gemessen; bei lediglich 21 Prozent wurde eine Feinnadelbiopsie vorgenommen4. Diese Werte müssen nach Ansicht der DEGUM dringend gesteigert werden, um die Zahl unnötiger Schilddrüsenoperationen samt der sie begleitenden Risiken wie Hormonstörungen und Stimmbandlähmungen zu verringern. Millimetergenaue Punktion in der Nähe von Blutgefäßen möglich Dem hochauflösenden Ultraschall kommt dabei auch nach den initialen Untersuchungsschritten noch eine wichtige Funktion zu – sei es zur regelmäßigen Kontrolle von zunächst als unverdächtig eingestuften Knoten, oder zur Unterstützung einer Feinnadelbiopsie bei möglicherweise malignen Veränderungen. Im Ultraschall zeichnet sich nicht nur der Knoten als Zielgebiet deutlich ab, sondern auch benachbarte Arterien, die möglichst nicht verletzt werden sollten. „Zumindest kleine, nicht tastbare Knoten sollten deshalb unbedingt unter Ultraschallkontrolle punktiert werden“, sagt Jecker. Aber auch größere Knoten ließen sich unter Sicht wesentlich genauer und sicherer ansteuern, was letztlich auch die Aussagekraft der Biopsie steigere. Auch in diesem Bereich gibt es zudem Neuentwicklungen, die derzeit evaluiert werden. So soll die Anwendung von magnetisierten Nadeln und einem ultraschallbasierten Nadelerkennungssystem es erlauben, den Stichkanal im Gewebe vorherzusagen – und bei Bedarf millimetergenau anzupassen. Auch diese Technik hat Seifert im Rahmen seiner prämierten Habilitationsarbeit am Jenaer Klinikum untersucht. Dort konnten selbst kleine und nahe an Blutgefäßen liegende Knoten ohne Komplikationen punktiert werden. „Arbeiten wie diese stimmen zuversichtlich“, so DEGUM-Experte Jecker, „dass die ohnehin schon sehr gute Schilddrüsendiagnostik in naher Zukunft noch an Vorhersagekraft und Sicherheit gewinnen wird.“
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