Schmerz und Tastreiz: Nicht ohne Schwann-Zellen!12. Februar 2024 Sensorische Schwannzellen sind rot gefärbt, sensorische Enden innerhalb des Meissner-Körperchen grün und SOX2-positive Zellen an der Basis des Meissner-Körperchen silberfarben. (Foto: © Lewin Lab, Max Delbrück Center) Damit Schmerz- und Tastreize ins Gehirn gelangen können, sind entsprechende Rezeptorzellen in der Haut nötig. Zentral beteiligt sind aber auch Schwann-Zellen, wie Forschende des Max Delbrück Center in „Nature Communications“ berichten. Das eröffnet neue Perspektiven für die Schmerztherapie. Die Haut verfügt über eine Vielzahl von sensorischen Rezeptorzellen, die Berührung, aber auch potenzielle Gefahren wie schmerzhafte mechanische und chemische Reize, Hitze oder Kälte erkennen und ein entsprechendes Signal an Rückenmark und Gehirn weiterleiten. Bislang ging man davon aus, dass sensorische Neuronen allein für diese Aufgabe verantwortlich sind. Doch auch Schwann-Zellen spielen dabei eine entscheidende Rolle, berichten die Teams um Prof. Gary Lewin und Prof. James Poulet vom Max Delbrück Center jetzt gemeinsam mit internationalen Kooperationspartnern im Fachjournal „Nature Communications“. Schwann-Zellen schützen und versorgen Neuronen. Bestimmte Typen von Schwann-Zellen sind aber auch aktiv an der Wahrnehmung sensorischer Reize beteiligt, hat sich nun gezeigt. Diese Schwann-Zellen durchziehen die Haut nur wenige Mikrometer unterhalb der Epidermis wie ein Netz und stehen mit den freien Nervenenden sensorischer Rezeptoren in Verbindung, die mechanischen Druck wahrnehmen. „Wir waren überrascht, wieviel Reizwahrnehmung die Schwann-Zellen selbst übernehmen“, erklärt Lewin, Leiter der Arbeitsgruppe „Molekulare Physiologie der somatosensorischen Wahrnehmung“ am Max Delbrück Center. Erste Hinweise auf die Bedeutung von Schwann-Zellen für die Nozizeption hatten zuvor Lewins schwedische Kollaborationspartner gefunden. Julia Ojeda-Alonso aus Lewins Team wollte der Sache zusammen mit Poulets Team und internationalen Kolleginnen und Kollegen wie Dr. Laura Calvo-Enrique vom Karolinska Institutet in Stockholm, Schweden, auf den Grund gehen. Die Forschenden nutzten dafür die Optogenetik. Sie züchteten Mäuse, bei denen sie verschiedene Typen von Schwann-Zellen durch verschiedenfarbige Lichtreize an- und ausschalten konnten. Ohne Schwann-Zellen nahmen die Mäuse Vibrationen nicht wahr Es genügte, die Schwann-Zellen durch einen Lichtreiz zu aktivieren, damit ein Schmerzreiz ins Gehirn weitergeleitet wurde. Die Nozizeptoren selbst mussten dafür nicht stimuliert werden. Wenn die Schwann-Zellen blockiert wurden, reduzierte sich die Reizweiterleitung vom Nozizeptor aus um mindestens die Hälfte. „Wir gehen davon aus, dass wir aufgrund von technischen Limitierungen die Bedeutung der Schwann-Zellen nicht vollständig abbilden konnten und sie in manchen Fällen sogar den Großteil der Reizwahrnehmung übernehmen“, sagt Lewin. Im nächsten Schritt untersuchte das Team, wie es sich mit Tastreizen verhält. Sie konzentrierten sich dabei auf die Meissner-Körperchen. Diese Druckrezeptoren der Haut sind ebenfalls eng mit Schwann-Zellen verbunden. Das Team um Poulet, Leiter der Arbeitsgruppe „Neuronale Schaltkreise und Verhalten“, trainierte die Mäuse so, dass sie mit der Vorderpfote äußerst feine Vibrationen spürten und dies durch ihr Verhalten anzeigten. „Bei ausgeschalteten Schwann-Zellen war das für die Tiere deutlich schwieriger“, fasst Poulet zusammen. Wenn die optogenetische Blockade aufgehoben wurde, kehrte die feine Wahrnehmungsfähigkeit zurück. Neue Ansätze für die Schmerztherapie Wie die Forschenden zeigen konnten, beinflussen Schwann-Zellen vor allem die Weiterleitung mechanischer Reize, nicht jedoch die von Hitze- oder Kältereizen. „Es ist denkbar, dass polymodale Nozizeptoren, die auf mechanische, thermische und chemische Reize reagieren, nur mithilfe der Schwann-Zellen sinnvoll funktionieren“, sagt Lewin. Den Wissenschaftlern zufolge eröffnen die Ergebnisse neue Perspektiven für das Verständnis und die Therapie von Schmerz und gestörtem Tastsinn. „Die Schwann-Zellen direkt unter der Hautoberfläche sind für Wirkstoffe leicht zugänglich“, sagt Lewin. „Das macht sie zu einem attraktiven Ziel, um das Problem direkt an der Wurzel anzugehen.“
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