„Schmerzmedizinische Versorgung bricht ein“ – BVSD fordert politisches Investment

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Die Lage der schmerzmedizinischen Versorgung in Deutschland verschärft sich nach Ansicht des Berufsverbandes der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e.V. (BVSD) drastisch. Der Verband schlägt Alarm.

„Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, haben wir in fünf Jahren bundesweit nur noch knapp 700 niedergelassene Schmerzmedizinerinnen und Schmerzmediziner. Wie sollen damit 4 Millionen Patienten mit schweren chronischen Schmerzen versorgt werden? Ich nenne das mit offenen Augen in den Abgrund rennen“, so die eindringlichen Worte des BVSD-Vorsitzenden Prof. Joachim Nadstawek. Er fordert tiefgreifende Reformen und Strukturanpassungen.

Die Unterversorgung der schmerzmedizinischen Versorgung sei nicht mehr wegzudiskutieren, so Nadstawek. Die Zahl der chronischen Schmerzpatienten sei hoch und steige, es fehle jedoch an qualifizierten Schmerzmedizinern. In Deutschland leben nach Angaben des BVSD rund 4 Millionen Patienten mit schweren und hochproblematischen chronischen Schmerzen. Von diesen Patienten könnten heute in Deutschland nur etwa 400.000 Patienten von einem der 1329 ambulant tätigen Schmerzmediziner im Quartal versorgt werden. „In fünf Jahren stehen 49 Prozent der heute tätigen Schmerzmediziner vor dem Ruhestand. Das Durchschnittsalter von Schmerzmedizinern liegt mehr als vier Jahre höher als der Altersdurchschnitt aller niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte“, mahnte der BVSD.

„Wir haben keinen Facharzt für Schmerzmedizin und keine Bedarfsplanung. Wir brauchen dringend mehr Schmerzmediziner. Nicht nur um die Versorgungslücke zu schließen, sondern um dringend benötigten Nachwuchs zu gewinnen. Die Politik muss endlich aktiv werden, die Rahmenbedingungen verbessern und die Selbstverwaltung von Ärzteschaft und Krankenkassen endlich zum Laufen bringen. Die ambulante Schmerzmedizin muss attraktiver werden“, sagte Nadstawek.

Der Verband weist auf das von ihm gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den Kassenärztlichen Vereinigungen erarbeitete Konzept zur multimodalen Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung (SASV: Spezialisierte ambulante Schmerzversorgung) hin. Dies gelte es jetzt umzusetzen, forderte der BVSD.

„Mit der SASV könnten wir Schmerzpatienten endlich auch im ambulanten Bereich multimodal und interdisziplinär versorgen. Das wäre ein Meilenstein zur Erfüllung des Sicherstellungsauftrages. Außerdem: Die SASV wird den Wünschen vieler Ärztinnen und Ärzte gerecht nach Teamarbeit, nach festen Arbeitszeiten, nach interdisziplinärer und multiprofessioneller Zusammenarbeit“, so Nadstawek.

Sowohl die KBV als auch die Krankenkassen würden die Einführung der SASV in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung bremsen. „Wir brauchen deshalb jetzt einen sehr hohen politischen Druck, um die Unterversorgung in der Schmerzmedizin endlich zu beseitigen und konstruktive Lösungswege zu unterstützen, mit klaren gesundheitspolitischen Vorgaben.“

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Quellen Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e.V., 24.06.2022