Schneckengift zur Schmerzlinderung6. November 2019 Die fleischfressenden Meeresschnecken sind bekannt für ihren Vergiftungsmechanismus, der den Tieren hilft, ihre Beute wie Fische oder Muscheln zu fangen und sich zu verteidigen. (© Markus Muttenthaler) Im Gift von Kegelschnecken sehen Chemiker aus Österreich und Australien großes Potenzial für die Behandlung chronischer Schmerzen. In einer aktuellen Untersuchung nutzten die Forscher von ihnen modifizierte Conotoxine, um Schmerzrezeptoren zu visualisieren. Die fleischfressenden Meeresschnecken der Gattung Conus sind bekannt für ihren sehr wirksamen Vergiftungsmechanismus, der den relativ langsamen Tieren hilft, ihre Beute wie Fische oder Muscheln zu fangen und sich zu verteidigen. Die konischen Schnecken lähmen und töten ihre Opfer mithilfe eines sehr selektiven und starken Nervengiftes, das durch eine Art Harpune in das Opfer gelingt.“Es hat sich bereits gezeigt, dass die Schnecken kontrollieren können, welche Giftkombination für welchen Zweck zum Einsatz kommt – bei der Jagd oder bei der Verteidigung”, sagt Markus Muttenthaler vom Institut für Biologische Chemie der Universität Wien. “In der Schmerzforschung interessiert uns vor allem das Verteidigungsgift der Kegelschnecken, da es auf das Verursachen von Schmerz ausgerichtet ist und damit zu einem grundlegenden Verständnis der Wirkungsmechanismen beitragen kann”, erklärt der ERC Starting Grant-Preisträger.Hohe Arten- und VerbindungsvielfaltBis dato sind geschätzt 750 Arten von Kegelschnecken bekannt. Das Gift der Meerestiere enthält 100 bis 1000 bioaktiver und – mit einer typischen Längevon 10 bis 40 Aminosäuren – relativ kurzer Peptide, die über Disulfid-Brücken sehr strukturierte sowie molekular vielfältige Verbindungen bilden können. Die Peptid-Gemische können auch auf das menschliche Nervensystem wirken und dort z. B. Ionenkanäle blockieren oder aktivieren. Dies ist für die Forschung von besonderem Interesse, da gewisse Ionenkanäle therapeutische Targets für die Schmerzreizleitung sind.“Mit ihrer außerordentlichen Wirkung und Selektivität haben Conotoxine die Schmerzforschung revolutioniert und unser Verständnis über die Schmerzreizleitung grundlegend verbessert. Vorher gab es nur limitierte Möglichkeiten, die unterschiedlichen Subtypen der Ionenkanäle zu untersuchen”, sagt Muttenthaler. Mit Hilfe der Conotoxine können Forscher nun die physiologische wie auch pathologische Bedeutung der unterschiedlichen Rezeptor-Subtypen klären.Es gibt bereits ein Conotoxin (Prialt®), welches zur chronischen Schmerzlinderung eingesetzt wird. Es wird in das Rückenmarkt injiziert und blockiert bereits dort sehr gezielt die Schmerzreizleitung – “1000-mal potenter als Morphium und ohne Abhängigkeitserscheinungen”, erklärt Muttenthaler. Die nächste Generation von Conotoxin-Wirkstoffen setzt, so das Ziel der Forschung, nicht beim Rückenmark an, sondern bereits bei den dem Rückenmark vorgelagerten Spinalganglien: “Damit könnten wir die Schmerzen bereits abfangen, bevor sie ins Rückenmark weitergeleitet werden.”Conotoxine zur Aufklärung nutzen Gleichzeitig haben die Conotoxine auch schon ihren Nutzen im Dienst der Aufklärung unter Beweis gestellt: In einer weiteren Arbeit konnte das Team auch zeigen, wie man die hoch potenten Conotoxine nutzen kann, um Ionenkanäle in Zellen sichtbar zu machen. Im Rahmen ihrer neuen Technik modifizierten die Forscher die Conotoxine mit Fluoreszenz und anderen Signalmolekülen – und lieferten damit einen weiteren Grundstein, um die komplexe Biologie hinter der Schmerzreizleitung zu erfassen. Originalpublikationen:Jin A-H et al.: Conotoxins: Chemistry and Biology. Chemical Reviews, 21. Oktober 2019Muttenthaler M et al.: On-resin strategy to label α-conotoxins: Cy5-RgIA, a potent α9α10 nicotinic acetylcholine receptor imaging probe.Australian Journal of Chemistry (accepted for publication).
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