Schneller fit: Lässt sich ein intensivstationärer Aufenthalt nach Herzklappen-Chirurgie vermeiden?

Die ERMICS-Komponenten im Überblick (Abbildung: ©Dr. Leonard Pitts/DHZC)

Eine schnellere Erholung nach chirurgischer Herzklappen-Implantation und die Umgehung der Intensivstation nach OP – wie das ermöglicht werden kann, untersucht eine neue Studie am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) in Berlin.

Den körperlichen und psychischen Stress rund um Operationen minimieren und alles tun, damit operierte Patienten sich möglichst schnell erholen können – das ist ein seit Jahren etablierter Trend in vielen chirurgischen Fächern. In Fachkreisen ist von Fast-Track-Chirurgie oder ERAS-Konzepten die Rede (ERAS: enhanced recovery after surgery). Ziel ist die schnelle Genesung der Patienten, so dass sie möglichst keine oder eine nur kurze intensivmedizinische Betreuung benötigen und rasch wieder in ihre häusliche Umgebung zurückkehren können. Realisiert wird das durch optimierte Operationsvorbereitung der Patienten, zum Beispiel mit einem angepassten Ernährungskonzept, durch schonende Operations- und Narkosemethoden sowie mit einer durchdachten und multiprofessionellen Betreuung nach der Operation. International sind dazu fachspezifische ERAS-Protokolle entwickelt worden.

Das Deutsche Herzzentrum der Charité (DHZC) in Berlin bietet seit 2021 mit ERMICS (Enhanced Recovery After Minimally Invasive Cardiac Surgery) ebenfalls ein solches Protokoll für Herzchirurgie-Patienten an. Das aus mehreren Komponenten bestehende Programm ERMICS ist in den vergangenen Jahren systematisch weiterentwickelt und wissenschaftlich untersucht worden. Seine Effektivität wird nun in einer prospektiven randomisierten Studie noch eingehender geprüft – gefördert mit Mitteln der Dr. Rusche-Projektförderung der Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF) und durchgeführt von Dr. Leonard Pitts und dem ERMICS-Team der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie des DHZC.

„Das Forschungsvorhaben von Dr. Pitts und dem ERMICS-Team ist vielversprechend und wichtig für die Lebensqualität und Sicherheit von Patient:innen, weil es tiefergehende Erkenntnisse unter anderem zu Patientenzufriedenheit, funktioneller Erholung und Entzündungs- und Stressreaktion liefern könnte“, betont der Herzchirurg und Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der DSHF, Prof. Armin Welz. Bei ERMICS handelt es sich um ein Partnerprojekt der DHZC-Kliniken für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie (Direktor: Prof. Volkmar Falk) sowie für Kardioanästhesiologie und Intensivmedizin (Direktor: Prof. Benjamin O‘Brien). Beteiligt ist außerdem das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE).

Kürzer im Krankenhaus, weniger Entzündungs- und Stressreaktion bei gleichbleibender Sicherheit

Geplant ist, dass 128 Patienten an der Studie teilnehmen, die eine neue Aortenklappe oder eine neue Mitralklappe erhalten sollen. Die Hälfte von ihnen durchläuft das ERMICS-Programm, wobei die Patienten bereits am Abend nach der Operation vom Aufwachraum auf die Normalstation verlegt werden und nicht Tage auf der Intensivstation verbringen müssen (Tag-Null-/Day-Zero-Konzept: ERMICS-D0). Die andere Hälfte der Patienten erhält die bisher übliche perioperative Standardbetreuung.

„Wir gehen davon aus, dass bei gleichbleibender Sicherheit das ERMICS-D0-Programm die Zeit des Krankenhausaufenthaltes verkürzt und die Entzündungs- und Stressreaktion sowie den operationsbedingten Muskelabbau verringert“, sagt Pitts vom DHZC. Damit könne die körperliche Belastbarkeit nach chirurgischer Herzklappen-Operation rascher wiederhergestellt werden als mit der bisherigen Standardversorgung. „Es geht heute nach Herzoperationen nicht mehr nur ums Überleben, sondern um schnellere Erholung, weniger Schmerzen und eine zügige Rückkehr in den Alltag“, erklärt der angehende Herzchirurg und wissenschaftliche Mitarbeiter des Studienteams.

Wurde früher noch das Brustbein gespalten, um Herzklappen implantieren zu können, erfolgt heute bei geeigneten Fällen ein minimaler Schnitt am rechten Brustkorb. Dies reicht häufig aus, um die neue Klappe in das Herz zu bringen und zu fixieren – eine deutlich schonendere Operationsmethode als früher. Die geringere Invasivität des Eingriffs ermöglicht zudem ein vergleichsweise schonenderes Narkoseverfahren. „Die Entzündungsreaktion nach der OP und die damit verbundene Morbidität der Patient:innen ist bislang allerdings noch ein Problem, mit dem wir umgehen müssen“, räumt Pitts ein.

Strukturierte Ärzte-Teamarbeit: Schlüssel zur rascheren Patienten-Wiederherstellung?

Eben hier setzt das ERMICS-D0-Programm an: schonende Anwendung der Herz-Lungen-Maschine während der Operation, optimierte Ernährung für einen schnelleren Kraftaufbau nach der Operation, zielorientierte Infusionstherapie, ein multimodales Schmerztherapiekonzept, rasche Entwöhnung von der maschinellen Beatmung nach der OP, ganzheitliche Physiotherapie und baldiger Kontakt zu Angehörigen – das sind wesentliche Komponenten des Versorgungsprotokolls.

Dessen Umsetzung erfordert die strukturierte Zusammenarbeit aller Kollegen der Herzchirurgie, Anästhesiologie, Pflege, Physiotherapie und anderen. Für einen reibungslosen Ablauf der perioperativen Versorgung sorgt der ERAS-Koordinator bzw. die ERAS-Koordinatorin. Der Fokus liegt damit auf der Lebensqualität herzkranker Menschen. „Ich bin überzeugt davon, dass wir mit dem ERMICS-D0-Programm den Schlüssel in der Hand halten, um die Patient:innen noch besser versorgen zu können“, erklärt Pitts. Genauer werde man das in zwei bis drei Jahren wissen, wenn die Studie abgeschlossen und ausgewertet worden ist.