Schnittstellen in der kardiovaskulären Medizin

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Die Kardiologie darf heutzutage nicht mehr allein gedacht werden. Welche Schnittstellen gerade besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, erläuterte Tagungspräsident Prof. Christoph Maack im Rahmen der 90. DGK-Jahrestagung in Mannheim. 

Die Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz sind im Schnitt 76 Jahre alt, werden einmal pro Jahr wegen ihrer Krankheit stationär im Krankenhaus aufgenommen und haben immer mehr Komorbiditäten, fasste Maack zusammen. Allen voran handelt es sich dabei um Stoffwechselkrankheiten wie Übergewicht und Diabetes, aber auch chronische Niereninsuffizienz und Anämie. „Über die Hälfte der Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche haben sieben oder mehr dieser Komorbiditäten, Tendenz steigend – und je mehr sie haben, desto schlechter ist die Prognose“, betonte Maack, Leiter des Departments Translationale Forschung am Universitätsklinikum Würzburg.

Kardiovaskuläre Erkrankungen als Systemerkrankungen

Aus diesem Grund werde die Herzschwäche und Herz-Kreislauf-Erkrankungen insgesamt nicht mehr als isolierte Organerkrankungen betrachtet, sondern als Systemerkrankungen, bei denen das Herz mit anderen Organen im kommunikativen Austausch steht. „Insbesondere in der Grundlagenforschung beschäftigen wir uns aktuell mit der Frage, auf welche Arten das Herz mit anderen Organen kommuniziert. Dazu gehören die Hormonaktivierung (z. B. Adrenalin), Entzündungsprozesse (Inflammation) sowie Stoffwechselprozesse (Metabolismus)“, so Maack weiter. Die meisten Therapien für Herz-Kreislauf-Erkrankungen fokussieren auf die Hormonaktivierung und sind oftmals auch etabliert und erfolgreich. Erst in letzter Zeit habe man gelernt, dass auch die gezielte Behandlung von Entzündungen und vor allem auch Stoffwechselprozessen durchgreifende Erfolge erzielen können.

Schnittstelle „Metabolismus und Herz“

Im metabolischen Therapieansatz geht es dabei hauptsächlich um die Behandlung von Adipositas und Diabetes. „Seit den 1960ern können wir eine Zunahme von Übergewicht beobachten. Vor allem zwischen den Jahren 1980 und 2000 hat sich der Trend massiv beschleunigt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Adipositas Anfang des Jahrtausends zur globalen Epidemie erklärt und einige Maßnahmen getroffen, die den Trend bisher etwas abbremsen konnten. Bis heute ist die Entwicklung aber nicht rückläufig und in den meisten Ländern steigen die Zahlen. In Europa und den USA, den Ländern mit den höchsten Adipositasraten, ist zumindest eine leichte Stagnation zu sehen. Für die kommenden Jahre rechnen wir mit einem Anstieg von Neuerkrankungen mit Diabetes in der Bevölkerung, als Folge des Übergewichts. Das wiederum bedeutet, dass wir uns auf mehr Fälle von Herzschwäche mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF) einstellen müssen“, führte der Kardiologe aus.

Als interessante medikamentöse Entwicklungen, die hoffen lassen, das Problem in den Griff zu bekommen, nannte Maack zwei Substanzklassen von Bedeutung: zum einen die SGLT2-Inhibitoren, die den Natrium/Glukose-Cotransporter 2 in der Niere hemmen und ursprünglich zur Behandlung des Diabetes entwickelt wurden. „Mittlerweile haben wir verstanden, dass die SGLT2-Inhibitoren nicht nur bei Diabetes, sondern auch bei Herz- und Nierenschwäche das Überleben verbessern und Krankenhausaufenthalte verringern, und das unabhängig vom Vorliegen eines Diabetes“, erklärte Maack. „Die SGLT2-Inhibitoren sind auch die erste Prognose-verbessernde Substanzklasse zur Behandlung der HFpEF.“

Zum anderen rücken GLP-1-Rezeptor-Agonisten in den Fokus, die ebenfalls bereits aus der Diabetologie bekannt sind. GLP-1 ist ein Hormon, das im Darm nach der Nahrungsaufnahme ausgeschüttet wird und für ein Sättigungsgefühl sorgt. Verschiedene Wirkstoffe können GLP-1 künstlich simulieren und so dafür sorgen, dass der Mensch weniger isst und Gewicht verliert. Einer der bekanntesten Wirkstoffe ist Semaglutid, das in den Sozialen Medien als „Abnehmspritze“ für Aufsehen gesorgt hat, wodurch es für Menschen mit Diabetes zur Verknappung kam. „Semaglutid sollte aber nie leichtfertig oder ohne ärztlichen Rat genommen werden, da es auch relevante Nebenwirkungen hervorrufen kann. Als Therapie für Übergewicht ist es für uns in der Kardiologie aber sehr interessant, denn das bedeutet, dass wir einer wichtigen Ursache für die Entwicklung einer HFpEF entgegenwirken können. Sport und eine gesunde Ernährung bleiben aber weiterhin die wichtigsten Präventionsmaßnahmen“, betonte der Würzburger Experte.

Schnittstelle „Mensch und Umwelt“

Ein anderer zentraler Aspekt ist die Veränderung des Klimas. Seit den 1960er Jahren ist ein deutlicher Temperaturanstieg zu verzeichnen. „Bei uns in Würzburg ist zum Beispiel in den letzten zwölf Jahren die Durchschnittstemperatur um 1,7 °C gestiegen“, verdeutlichte Maack. Die globale Erwärmung, zusammen mit zunehmender Luftverschmutzung vor allem in urbanen Ballungszentren, aber auch der demographische Wandel haben ihm zufolge erheblichen Einfluss auf die Herzgesundheit. Auch Lärm und Lichtverschmutzung würden langfristig das Risiko erhöhen. Hitze und Feinstaubbelastung würden sich potenzieren und könnten das Risiko sogar verdreifachen, gab er an.

Bei der Deutschen Herzstiftung sind Klima und Umwelt als Themenkomplex bereits angekommen. Maack verwies auf deren Internetseite für Patienten-Infomaterial, welches über die Zusammenhänge aufklärt. Des Weiteren hat die DGK hat eine neue Task Force „Planetare Gesundheit“ eingerichtet, die sich zukünftig mit dem Themenbereich auseinandersetzen wird. „Denn auch wir Ärztinnen und Ärzte hinterlassen einen tiefen ökologischen Fußabdruck: Ein Herzkatheterlabor oder die Intensivstation produzieren eine Menge Müll. Wir müssen uns deshalb überlegen, wie wir in Zukunft nachhaltiger und klimaneutraler arbeiten können“, so Maack.

Es gibt somit also eine Menge Schnittstellen in der kardiovaskulären Medizin. Maack betonte abschließend: „Wir werden immer stärker mit anderen Gesellschaftsbereichen und medizinischen Disziplinen zusammenarbeiten müssen, wenn wir die wachsenden Probleme im Bereich der Herzgesundheit in den Griff bekommen wollen.“