Schon wenige Nervenfasern genügen für die Kommunikation beider Hirnhälften

Das Corpus callosum verbindet die beiden Großhirnhemisphären. (Foto: © Dr_Microbe – stock.adobe.com)

Neue Forschungsergebnisse zum Corpus callosum stellen klassische Annahmen über die Struktur-Funktions-Beziehungen des menschlichen Gehirns infrage.

Schon wenige Nervenfasern genügen, damit die beiden Hirnhälften miteinander kommunizieren können: Das zeigt eine neue internationale Studie unter Leitung von Prof. Michael Miller von der University of California in Santa Barbara (USA) und Prof. Lukas J. Volz von der Klinik für Neurologie der Uniklinik Köln. Die Ergebnisse, veröffentlicht in „PNAS“, unterstreichen die erstaunliche Fähigkeit des menschlichen Gehirns zur Reorganisation – selbst wenn die wichtigste Verbindung zwischen den Hemisphären, das Corpus callosum, teilweise durchtrennt ist.

Kleine Restverbindung genügt für Kommunikation

Bislang galt: Eine Schädigung des Corpus callosum – das größte Faserbündel des Gehirns – führt zu Störungen in Sprache, Motorik oder Wahrnehmung. Doch die neue Studie mit Split-Brain-Patienten zeigt: Schon der Erhalt von etwa einem Zentimeter der Nervenfasern des Corpus callosum reicht aus, um den Informationsaustausch zwischen beiden Gehirnhälften weitgehend aufrechtzuerhalten – und neurologische Symptome zu verhindern.

Mithilfe funktioneller Magnetresonanztomographie untersuchte das Forschungsteam, wie sich eine teilweise oder vollständige Durchtrennung des Corpus callosum auf die neuronale Synchronisation auswirkt. Während eine komplette Durchtrennung den Austausch zwischen den Hemisphären weitgehend unterband, blieb bei Patienten mit kleinen Restverbindungen die Kommunikation fast normal.

Gehirn ist anpassungsfähiger als gedacht

Diese Ergebnisse stellen klassische Annahmen über Struktur-Funktions-Beziehungen des menschlichen Gehirns infrage. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die immense Anpassungsfähigkeit der funktionellen Architektur des menschlichen Gehirns“, erklärt Volz. „Selbst wenige Fasern zwischen den Hirnhälften reichen offenbar aus, um eine komplexe Netzwerkarchitektur zu erhalten.“

Die Erkenntnisse liefern wichtige Impulse für die Rehabilitationsforschung nach Hirnverletzungen. Mit gezielten Therapieansätzen soll die Anpassungsfähigkeit des Gehirns genutzt werden, um geschädigte Netzwerke erfolgreich zu reorganisieren.

Die Studie entstand in enger Zusammenarbeit zwischen der Uniklinik Köln und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, dem Epilepsiezentrum Bethel (Prof. Christian Bien, Universitätsklinikum OWL, Universität Bielefeld), der University of California inSanta Barbara und der Indiana University Bloomington.