Schutz vor Corona: Erfahrung ist beim Immunsystem nicht immer ein Vorteil12. August 2022 Isolation von Immunzellen aus dem Blut. (Foto: © Sascha Klahn, Uni Kiel) Bei der COVID-19-Impfung basiert eine gute Impfreaktion auf naiven Immunzellen: Bereits existierende Gedächtniszellen sind eher nachteilig, wie ein Forschungsteam des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) zeigt. Wer viele Infektionen mit gewöhnlichen Erkältungsviren durchgemacht hat, die ja auch zu den Coronaviren zählen, steht dadurch nicht besser da, was die Bekämpfung von COVID-19 angeht – sowohl nach Infektion mit SARS-CoV-2 als auch nach einer COVID-19-Impfung. „Wir haben bereits 2020 gezeigt, dass ein früherer Kontakt mit Erkältungsviren keinen Schutz vor COVID-19 bietet. In der Folgestudie konnten wir jetzt zeigen, dass dies auch für die Qualität der Impfreaktion nicht vorteilhaft ist“, erklärt Prof. Petra Bacher vom Institut für Immunologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel. Gemeinsam mit Prof. Alexander Scheffold, dem Leiter des Institutes für Immunologie, und weiteren Kollegen des Exzellenzclusters PMI aus Kiel analysierte die Immunologin Blutproben gesunder Personen vor und nach der COVID-19-Impfung. Das Ergebnis der jetzt publizierten Studie: „Eine gute Immunantwort kommt aus dem naiven Repertoire an T-Zellen. Bereits vorhandene T-Gedächtniszellen, die SARS-CoV-2 erkennen, haben eher einen negativen Effekt.“ Das könnte erklären, warum bei alten Menschen die Immunreaktion nach Infektion oder Impfung oft schlechter verläuft. Was macht eine gute Impfantwort aus? Bei einer Infektion oder Impfung werden nur Erreger-spezifische T-Zellen aktiviert und können sich zu Gedächtniszellen umwandeln. Diese sorgen bei erneutem Kontakt mit dem Erreger für eine schnelle Immunreaktion, das Prinzip der Impfung. Man findet aber im Blut von Menschen, die weder geimpft sind noch infiziert waren, auch Gedächtniszellen, die auf SARS-CoV-2 reagieren können, die aber aus Infektionen mit anderen Erregern stammen. Diese Kreuzreaktivität wurde bisher als protektiv angesehen. „Wir haben uns gefragt, ob Gedächtniszellen, die bereits gegen einen ähnlichen Erreger wir SARS-CoV-2 reagiert haben, zum Beispiel einen Schnupfenvirus, tatsächlich die Reaktion auf die Corona-Impfung verbessern. Oder ob es wichtiger ist, viele naive Zellen gegen SARS-CoV-2 zu haben, die sich spezifisch auf den neuen Erreger einstellen können. Das ist in der Regel bei jungen Menschen der Fall, die meist gut mit Infektionen und Impfungen zurechtkommen“, verdeutlicht Bacher, die den Dorothea-Erxleben-Forscherinnenpreis 2021 des Exzellenzclusters PMI erhalten hat und das Preisgeld in dieses Projekt steckte. Für die aktuelle Studie wurde das Blut von 50 gesunden Personen vor der COVID-19-Impfung sowie mehrere Wochen nach der ersten und zweiten Impfung analysiert. Eine vorhergehende COVID-19-Infektion wurde ausgeschlossen. Mit der Antigen-reaktiven-T-Zell-Anreicherung, können ganz gezielt die Zellen untersucht werden, die auf den Impfstoff reagieren. Bacher berichtet: „Wir sortieren die Zellen heraus, die auf SARS-CoV-2 reagieren, denn nur die entscheiden über die Immunantwort. Über den T-Zell-Rezeptor können wir feststellen, ob die Zellen aus dem naiven Repertoire stammen oder aus dem Gedächtnis-Repertoire.“ Die Ergebnisse dieser Analyse wurden mit der Qualität der Impfantwort in Beziehung gesetzt. Impferfolg bei über 80-Jährigen nicht so gut Das Ergebnis der Untersuchung laut Bacher: „Bereits vorhandene Gedächtnis-T-Zellen tragen nicht zu einer qualitativ hochwertigen Immunantwort bei. Eher im Gegenteil. Eine sehr gute Immunantwort kommt aus dem naiven Repertoire.“ Bei den über 80-Jährigen zeigte sich eine insgesamt schwächere Reaktion. Die Impfung führte bei ihnen nur zu einem geringen Anstieg der SARS-CoV-2 spezifischen T-Zellen. „Wir zeigen, dass bei Älteren die wenigen naiven T-Zellen, die im höheren Alter noch übrig sind, nicht mehr so gut aktiviert werden können. Aber auch die stark vorhandenen Gedächtniszellen tragen bei Älteren nicht positiv zur Impfantwort bei.“ Dieser Defekt im Immunsystem von alten Menschen lasse sich zwar mit weiteren Auffrischimpfungen mildern aber nicht ausgleichen. Trotz Impfungen bleiben hochbetagte Menschen eine vulnerable Gruppe. „Wir müssen uns bewusst machen, dass es immer noch eine Gruppe gibt, die gefährdet ist. Das betrifft überwiegend die Älteren, deren Immunsystem nicht mit diesem ‘neuen’ Erreger zurechtkommt. Aber auch bei jungen Menschen gibt es welche mit schlechter Impfantwort. Das sieht man auch daran, dass trotz Impfung immer noch schwere Verläufe vorkommen“, ergänzt Scheffold. Impfschutz – Antikörperwerte sind nicht aussagekräftig Wie gut und wie lange die Impfung im Einzelfall vor einer Infektion mit Corona schützt, lässt sich nach wie vor durch Blutuntersuchungen nicht zuverlässig feststellen. Die Messung spezifischer Antikörper gegen den Erreger ist nicht wirklich aussagekräftig. Denn es ist nicht bekannt, ab welchem Wert ein ausreichender Immunschutz vorliegt. Bacher: „Im Immunsystem gibt es keine klaren Grenzen. Welcher Faktor entscheidend ist, kann von Mensch zu Mensch verschieden sein. Insgesamt tragen viele Faktoren zum Infektionsschutz bei, neben den Antikörpern eben vor allem die T-Zellen“. Die in der Studie angewandten T-Zelluntersuchungen sind aber für die klinische Anwendung noch viel zu aufwendig. Hier muss laut den Wissenschaftlern noch einiges in Forschung und Entwicklung investiert werden, um diese Organisatoren der Immunantwort auch im klinischen Alltag bestimmen zu können – nicht nur für SARS-CoV-2. Die Notwendigkeit aber hat COVID-19 klar vor Augen geführt. Der Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) wird von 2019 bis 2025 durch die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert (ExStra). Er folgt auf den Cluster Entzündungsforschung „Inflammation at Interfaces“, der bereits in zwei Förderperioden der Exzellenzinitiative (2007-2018) erfolgreich war. An dem neuen Verbund sind rund 300 Mitglieder in acht Trägereinrichtungen an vier Standorten beteiligt: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Muthesius Kunsthochschule, Institut für Weltwirtschaft und Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik), Lübeck (Universität zu Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel – Leibniz Lungenzentrum). Ziel ist es, die vielfältigen Forschungsansätze zu chronisch entzündlichen Erkrankungen von Barriereorganen in ihrer Interdisziplinarität verstärkt in die Krankenversorgung zu übertragen und die Erfüllung bisher unbefriedigter Bedürfnisse von Erkrankten voranzutreiben. Drei Punkte sind im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Behandlung wichtig und stehen daher im Zentrum der Forschung von PMI: die Früherkennung von chronisch entzündlichen Krankheiten, die Vorhersage von Krankheitsverlauf und Komplikationen und die Vorhersage des individuellen Therapieansprechens.
Mehr erfahren zu: "Bremen: Hebammen starten Projekt zur Rauchentwöhnung während der Schwangerschaft" Bremen: Hebammen starten Projekt zur Rauchentwöhnung während der Schwangerschaft Ein rauchfreies Zuhause schützt Mutter und Kind – schon während der Schwangerschaft. Doch mit Willensstärke allein ist der Rauchstopp oft nicht zu schaffen. In Bremen startet jetzt ein neues Beratungsprogramm, […]
Mehr erfahren zu: "Netzwerktreffen in Köln als Impuls für junge Menschen mit Krebs" Netzwerktreffen in Köln als Impuls für junge Menschen mit Krebs Medizin, Forschung, Ehrenamt, Politik, Kultur und Wirtschaft an einem Tisch: Das Netzwerktreffen der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs und des neu gegründeten Krebs Kollektiv in Köln zeigte, wie […]
Mehr erfahren zu: "Sterblichkeit der Männer 2024 in allen Altersgruppen höher als bei Frauen" Sterblichkeit der Männer 2024 in allen Altersgruppen höher als bei Frauen Zum Weltmännertag am 3. November weist das Statistische Bundesamt (Destatis) darauf hin, dass die Sterblichkeit von Männern in allen Altersgruppen weiterhin höher ist als die von Frauen. Männer haben eine […]