Schwangerschaftsabbruch: Gute Versorgungslage in Deutschland laut ELSA-Studie

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Das Bundesministerium für Gesundheit hat die Ergebnisse der ELSA-Studie veröffentlicht. Hinweise auf eine Fehl- oder Unterversorgung bei der Versorgung mit Schwangerschaftsabbrüchen gehen laut BVF und DGGG daraus nicht hervor.

Der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) begrüßen die Veröffentlichung der aktuellen Abschlussberichte des Bundesgesundheitsministeriums zum „Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung“ (ELSA).

Das Verbundprojekt hat wissenschaftliche Erkenntnisse zu maßgeblichen Einflussfaktoren auf das Erleben und die Verarbeitung einer ungewollten Schwangerschaft, die Versorgungssituation und die Bedarfe betroffener Frauen in Deutschland gesammelt. Die Daten liefern Einblicke in die psychosoziale Situation, die Versorgungsrealität und die Unterstützungsbedarfe.

Großes Vertrauen in behandelnde Ärzte

Die große Mehrheit der Befragten, die ungewollt schwanger geworden sind und die Schwangerschaft ausgetragen haben, hat sich für die ärztliche Feststellung der Schwangerschaft an die von ihnen üblicherweise besuchten Frauenärzte gewendet. Dies zeigt sich auch bei den Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung gezogen haben. 84,4 Prozent der Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch in Betracht zogen, suchten ihre gynäkologische Praxis auf. Über 90 Prozent der Befragten gaben an, dass in den Praxen Wert auf ihre Privatsphäre gelegt wurde, dass sie Vertrauen in die behandelnden Ärzte hatten und alle notwendigen Informationen zum Schwangerschaftsabbruch erhielten.

„Die Ergebnisse der ELSA-Studie zeigen das enge Vertrauensverhältnis zwischen der Schwangeren und ihrer Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt, das häufig über Jahre gewachsen ist. Wir sind verlässliche Ansprechpartner für Mädchen und Frauen in allen Lebenssituationen gerade auch bei hochsensiblen Fragestellungen. Die hohe Qualität der Versorgung beruht auf einem exzellenten fachärztlichen Ausbildungsstandard sowie auf der kontinuierlichen Fortbildung, die für unsere Fachgruppe einen besonders hohen Stellenwert hat“, erklärt Dr. Klaus Doubek, BVF-Präsident.

Niederschwelliger Zugang und gute Erreichbarkeit

Weitere Ergebnisse aus der Studie: Mehr als 90 Prozent bewerteten ihre Erfahrungen beim Arztbesuch als positiv, einschließlich der Nachsorge nach dem Schwangerschaftsabbruch. Die Fachverbände bewerten diese Ergebnisse als Beleg für die hohe Professionalität und Empathie der gynäkologischen Versorgung in Deutschland rund um einen Schwangerschaftsabbruch.

Diese Ergebnisse zeigen laut den Forschern, dass die bestehenden Strukturen für den größten Teil der Frauen in Deutschland gut funktionieren. Zugleich gelte es, die beschriebenen Versorgungslücken mit einem Anfahrtsweg über 40 Minuten im Einzelnen weiter zu analysieren und den lokalen Bedarf zu identifizieren.

Einzelne Ergebnisse:

• Knapp 93 Prozent der befragten Frauen fanden die Suche nach einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle verschiedener Träger sehr leicht oder eher leicht.
• 80 Prozent der Befragten gaben an, es sei sehr leicht oder eher leicht gewesen, eine Einrichtung für den Schwangerschaftsabbruch zu finden.
• In 85,0 Prozent der Fälle lag die Einrichtung weniger als 50 km entfernt; 91 Prozent berichteten von einer guten Erreichbarkeit.

Stärkung des Informationsnetzes im Fokus

Die Studie hat gezeigt, dass Beratungseinrichtungen und ärztliche Praxen ein funktionierendes, komplementäres Informationsnetz bilden. Dieses muss erhalten bleiben und gestärkt werden.

Einzelne Ergebnisse:

• 70,0 Prozent der befragten Frauen erhielten Informationen bei Beratungsstellen, 52 Prozent in Arztpraxen.
• 80,0 Prozent fühlten sich umfassend informiert.
• 39,0 Prozent der Ratsuchenden erhielten die Adresse einer Einrichtung für die Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs über eine Beratungsstelle, weitere fast 40 Prozent direkt von Ärzten.

„Wir sind erfreut über die positiven Ergebnisse der ELSA-Studie und danken den Autorinnen und Autoren. Es wäre methodisch wünschenswert, wenn in zukünftigen Arbeiten repräsentative Stichproben gezogen werden, um die wissenschaftliche Aussagekraft zu erhöhen. Das ist die Grundlage, um signifikante Versorgungsprobleme rechtzeitig zu erkennen“, so Prof. Gert Naumann, DGGG-Präsident.

Stigmatisierungserfahrungen gering

Mit Blick auf die Stigmatisierungserfahrung sehen die Fachverbände in der Studie eine wichtige Grundlage, um das Thema Stigmatisierung beim Schwangerschaftsabbruch wissenschaftlich weiter zu untersuchen.

• Über 60 Prozent der befragten Frauen hatten keine oder nur geringe Erwartung einer Stigmatisierung.
• Knapp 73 Prozent berichteten über keinerlei Stigmatisierungserlebnisse im sozialen Umfeld oder in der medizinischen Versorgung.

Medizinische Methodenwahl und Nachsorge

Was die Methodenwahl beim Schwangerschaftsabbruch anbelangt, so fordern die Fachverbände, die Wahlfreiheit flächendeckend weiter zu sichern und zudem auch Nachbetreuungsangebote zu standardisieren.

• Gut 59 Prozent der Abbrüche wurden operativ, 40,8 Prozent medikamentös durchgeführt.
• Nur 4,1 Prozent der befragten Frauen erhielten nicht ihre bevorzugte Methode.
• 85,0 Prozent nahmen eine ärztliche Nachsorge in Anspruch, 82,6 Prozent fühlten sich auf mögliche Nachwirkungen des Schwangerschaftsabbruchs gut vorbereitet.

Einschränkungen der Datenlage

Die im Rahmen der ELSA-Studie durchgeführten Befragungen weisen eine relativ kleine Stichprobengröße auf und sind, so wird es auch im ELSA-Schlussbericht ausgeführt, nicht repräsentativ. Daraus ergibt sich nach Ansicht der Fachverbände die Notwendigkeit repräsentativer und kontinuierlicher Datenerhebungen, um Versorgungstrends langfristig valide abzubilden, etwaige Versorgungsprobleme rechtzeitig erkennen und lösen zu können.

Fachempfehlungen von BVF und DGGG

Die Abschlussberichte machen laut den Forschern deutlich: Frauen mit ungewollten Schwangerschaften erfahren in Deutschland ganz überwiegend eine gute medizinische Betreuung, eine respektvolle Beratung und eine hohe Informationsqualität. Folgende Aspekte sollten dennoch aus Sicht der Fachverbände einer vertieften Analyse unterzogen werden:

Versorgungsituation in strukturschwachen Regionen: Für eine flächendeckende Versorgung ist ein Zugang zu Beratungs- und Abbruchsangeboten auch in strukturschwachen Regionen gezielt zu analysieren, um Versorgungsdefizite zu beseitigen.

Methodenwahl nicht beschränken: Jede Frau muss grundsätzlich die Möglichkeit haben, zwischen operativem und medikamentösem Schwangerschaftsabbruch wählen zu können.

Stigmatisierung vermeiden: Die geringe Belastung durch Stigmatisierungserfahrungen ist ermutigend – die Gesellschaft muss weiter aktiv zu einem respektvollen Diskurs beitragen.

Forschung verstetigen: Repräsentative und regelmäßig aktualisierte Daten sind notwendig, um Versorgungsituation und Bedarfe realistisch einzuschätzen.

Zur Studie ELSA

Ziel des Forschungsvorhabens ELSA war es, die Belastungssituationen von Frauen zu untersuchen, die eine ungewollte Schwangerschaft austragen oder abbrechen. Hierzu wurden unter anderem Online-Fragebögen von mehr als 4500 Frauen ausgewertet. Die Analysen beruhen auf der Auswertung von Stichproben (ca. 600 Frauen mit ungewollten, abgebrochenen Schwangerschaften sowie ca. 570 Frauen mit ungewollten, ausgetragenen Schwangerschaften).

Das Forschungsprojekt liefert quantitative und qualitative Ergebnisse zu ungewollten ausgetragenen und abgebrochenen Schwangerschaften aus der Perspektive von Frauen, aber auch aus der Perspektive von Fachverbänden, beratenden Fachkräften, Ärzten und anderen Experten im Zusammenhang mit der medizinischen und psychosozialen Versorgung.