Schwarm-Intelligenz soll Behandlung von Schlaganfällen verbessern12. Juni 2025 Foto: © CreativeOstad – stock.adobe.com; generiert mit KI Forschende des DZNE und der Klinik für Vaskuläre Neurologie des Universitätsklinikums Bonn möchten ein auf Künstlicher Intelligenz (KI) beruhendes Computermodell entwickeln, das Ärzte bei der Behandlung von Schlaganfällen unterstützt. Das Projekt setzt dabei auf die KI-Technologie des „Schwarmlernens“. Das Computermodell in Form eines digitalen Assistenzsystems soll den langfristigen gesundheitlichen Zustand von Patienten nach einer minimalinvasiven Behandlung (mechanische Thrombektomie) sowie etwaige Komplikationen vorhersagen und damit Entscheidungshilfe für eine bestmögliche Therapie bieten. In einer Machbarkeitsstudie wird nun getestet, ob dies anhand von Daten des „German Stroke Registry“ und zusätzlichen Aufnahmen des Gehirns möglich ist. Das Projekt setzt auf die KI-Technologie des „Schwarmlernens“ und geht damit neue Wege in der sicheren Analyse medizinischer Daten, die getrennt voneinander an verschiedenen Orten vorliegen. Es soll den Grundstein legen für ein Netzwerk von Kliniken in Deutschland und darüber hinaus. An dem von der Helmholtz-Gemeinschaft mit 250.000 Euro geförderten Vorhaben ist auch das CISPA Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit beteiligt. KI für personalisierte Medizin Mögliche Akutmaßnahmen beim ischämischen Schlaganfall sind die medikamentöse Auflösung des Blutgerinnsels oder die mechanische Thrombektomie. „Die Art der Behandlung ist eine Entscheidung von Fall zu Fall, abhängig von Faktoren wie beispielsweise der Größe des verschlossenen Gefäßes. Hat eine Thrombektomie im individuellen Fall, vor dem Hintergrund aller vorliegenden Informationen, gute Erfolgsaussichten oder birgt sie gegebenenfalls ein zu hohes Risiko für Komplikationen? Für diese Abwägung möchten wir eine KI-basierte Entscheidungshilfe entwickeln. Sie soll Ärztinnen und Ärzte unterstützen, die bei einem Schlaganfall rasch agieren müssen. Das ist unser langfristiges Ziel. Die praktische Umsetzung wird sicherlich einige Zeit in Anspruch nehmen. Wir wollen jedoch die Grundlagen dafür schaffen und im aktuellen Projekt zeigen, dass unser Ansatz prinzipiell funktioniert“, erklärt der Bonner Mediziner und DZNE-Wissenschaftler Dr. Omid Shirvani. Er betont: „Wir wollen keine Black Box, die Prognosen unseres Computermodells müssen für Ärzte nachvollziehbar sein, damit sie zum Wohle des einzelnen Patienten eine fundierte Entscheidung treffen können. Das heißt, unsere KI muss über sogenannte „Erklärbarkeit“ verfügen und offenlegen, worauf ihre Einschätzung beruht. Darüber hinaus müssen klare Kriterien erarbeitet werden, um sicherzustellen, dass die KI nur auf Patientinnen und Patienten angewendet wird, deren Situation sie mit hoher Verlässlichkeit beurteilen kann.“ Kombination unterschiedlicher Daten KI basiert darauf, dass Algorithmen an vielen Daten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der Bestand an Trainingsdaten, umso besser ist dies in der Regel für den Lernerfolg der KI. Die Forschenden wollen daher Daten des „German Stroke Registry“ mit zusätzlichen Aufnahmen des Gehirns kombinieren, die per Magnetresonanz-Tomographie (MRT) oder Computer-Tomografie (CT) erstellt wurden. Dieses zentrale Register enthält Daten über die Behandlung ischämischer Schlaganfälle von aktuell mehr als 20 Kliniken bundesweit. Tausende Fälle sind darin erfasst. „Das sind Informationen aus der Erstuntersuchung und der Nachsorge nach einer Thrombektomie bis zu drei Monate nach dem Eingriff. Es handelt sich primär um detaillierte Angaben aus den ärztlichen Protokollen. Zugehörige MRT- oder CT-Aufnahmen des Gehirns sind nicht aufgeführt. Im Allgemeinen liegen sie aber in den jeweiligen Kliniken vor. Und im Register gibt es Verweise, sodass sich die Aufnahmen eindeutig zuordnen lassen“, erklärt Prof. Gabor Petzold, Leiter der Klinik für Vaskuläre Neurologie des UKB und Direktor für Klinische Forschung am DZNE. „Diese Bilder enthalten Informationen, die man in einer Krankenakte nicht vollumfänglich erfassen kann, für das Training unserer KI aber sehr wertvoll sind. Deshalb wollen wir diese lokalen Daten mit den Angaben aus dem Zentralregister verknüpfen.“ Reisender Algorithmus Hier kommt das „Schwarmlernen“ ins Spiel. Die innovative KI-Technologie ist Dreh- und Angelpunkt des aktuellen Projekts. „Klassischerweise würde man auch die Bilddaten zentral sammeln. Allerdings ist das angesichts der enormen Datenmengen aufwendig und schwer zu skalieren, wenn das Netzwerk der Partner wachsen soll. Und da es sich um personenbezogene Daten handelt, bedarf das Teilen dieser Daten auch rechtlicher Regelungen. Deren Umsetzung ist enorm zeitaufwendig. Deshalb gehen wir einen anderen Weg. Die Bilddaten, die an den verschiedenen Standorten vorrätig sind, bleiben lokal“, erläutert Dr. Anna Aschenbrenner, Biomedizinerin am DZNE, die an dem Vorhaben ebenfalls maßgeblich mitwirkt. „Damit gewährleisten wir den vollständigen Schutz der Daten und wir müssen außerdem keine großen Datenmengen transportieren und duplizieren. Stattdessen schicken wir den Algorithmus per Internet zu den Daten. Zum Lernen lassen wir die KI sozusagen von Ort zu Ort reisen. Das ist die Kernidee des Schwarmlernens.“ Lernen im Kollektiv Das Verfahren wurde vom DZNE gemeinsam mit dem IT-Unternehmen Hewlett Packard Enterprise entwickelt und wird aktuell in diversen Projekten des DZNE eingesetzt. Der Begriff „Schwarm“ steht für die Partner, die innerhalb des Netzwerks interagieren. „Beim Schwarmlernen haben alle Beteiligten einen Nutzen vom gemeinsamen Datenpool, ohne ihre eigenen Daten teilen zu müssen. Diese bleiben vor Ort und im Einklang mit dem Datenschutz vertraulich. Denn der Algorithmus extrahiert lediglich Parameter ohne Personenbezug“, erklärt Prof. Joachim Schultze, Leiter der Systemmedizin am DZNE, der auch Professor an der Universität Bonn ist. „Im Endeffekt steht dann eine trainierte KI zur Verfügung, die an allen Knoten des Netzwerks gelernt hat. Sie hat das gemeinsame Wissen aufgenommen und kann sich sogar weiterentwickeln, wenn neue Daten hinzukommen. In unserem konkreten Fall hätten wir dann ein KI-basiertes Computermodell, das Ärztinnen und Ärzte bei der Behandlung eines Schlaganfalls unterstützen könnte. Alle Netzwerkpartner könnten dieses Tool nutzen. Unabhängig davon, ob sie über große oder kleine Mengen eigener Daten verfügen – von der Teilnahme am Schwarm würden alle gleichermaßen profitieren.“ Internationale Perspektive Ausgehend von zunächst drei Kliniken, darunter das Universitätsklinikum Bonn, wollen die Forschenden ihren Ansatz sukzessive auf weitere Mitglieder des „German Stroke Registry“ ausdehnen. Zu Testzwecken starten sie mit in Bonn vorhandenen multizentrischen Daten des „German Stroke Registry“ und werden damit im Rechenzentrum des DZNE einen Schwarm simulieren, ehe das System auf räumlich getrennte Standorte übertragen wird. „Wir möchten den Grundstein für ein bundesweites Netzwerk legen“, erklärt Aschenbrenner. „Außerdem sind wir schon im Gespräch mit Partnern in Großbritannien, um unser Konzept international fortzusetzen. Ich sehe hier viel Entwicklungspotenzial.“
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