Schweiz: Privatpatienten werden häufiger am Herzen behandelt als Allgemeinversicherte24. Januar 2023 Foto: © Charlie’s – stock.adobe.com An Patientinnen und Patienten mit einer privaten Zusatzversicherung wird in der Schweiz mit höherer Wahrscheinlichkeit ein kardiologischer Eingriff vorgenommen als an Personen, die nur grundversichert sind. Das zeigt eine Studie von Forschenden der Universität Basel und des Kantonsspitals Aarau. Die Schweiz leistet sich eines der teuersten Gesundheitswesen der Welt: Dank der obligatorischen Krankenversicherung haben alle Personen in der Schweiz Zugang zu einer ausgezeichneten medizinischen Versorgung. Mit einer freiwilligen Zusatzversicherung lassen sich bei einer stationären Behandlung zudem weitere Leistungen sichern, zum Beispiel ein Einzelzimmer oder freie Arztwahl. Während die Krankenkassen die Behandlung der Grundversicherten mit einer Fallpauschale abgelten, können die Kliniken bei zusatzversicherten Personen weitere Honorare abrechnen, die teilweise der Ärzteschaft zugutekommen. Seit Längerem wird vermutet, dass dadurch erhöhte finanzielle Anreize bestehen, die zu unnötigen Behandlungen bei den Zusatzversicherten führen können. Analyse von acht verschiedenen kardiovaskulären Eingriffen Ob sich bei kardiovaskulären Eingriffen in der Schweiz ein Unterschied nach Versicherungsstatus nachweisen lässt, hat nun ein Team um Forschende der Universität Basel und des Kantonsspitals Aarau untersucht. Ausgehend von Daten des Bundesamts für Statistik, haben sie geplante Klinikaufnahmen von insgesamt 590.000 erwachsenen Patientinnen und Patienten ausgewertet, die in den Jahren 2012 bis 2020 stationär behandelt worden waren. Rund 105.000 Behandlungen betrafen acht verschiedene kardiovaskuläre Eingriffe, zum Beispiel die Erweiterung von verengten Herzkranzgefäßen oder das Einsetzen eines Herzschrittmachers. Davon wurden 64,4 Prozent über die Grundversicherung abgerechnet. Die Forschenden analysierten den umfangreichen Datensatz mittels statistischer Verfahren auf Unterschiede, die mutmaßlich mit dem Versicherungsstatus der Patientinnen und Patienten zusammenhängen und sich nicht durch Merkmale wie das Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen oder die Größe und Art des Krankenhauses erklären lassen. Die Studienergebnisse publizierten sie jüngst im Fachmagazin „JAMA Network Open“. Zusatzversicherte werden tendenziell öfter behandelt Generell zeigte sich sowohl bei den Grundversicherten als auch bei Personen mit einer privaten Zusatzversicherung über die Studienjahre eine Zunahme der Eingriffe am Herzen – mit Ausnahme der ersten beiden Covid-19-Wellen im Jahr 2020. Bei den Zusatzversicherten war jedoch die Wahrscheinlichkeit, einen kardiovaskulären Eingriff zu erhalten, um 11 Prozent höher als bei grundversicherten Personen. Das entspricht schweizweit 895 zusätzlichen Eingriffen pro Jahr. „Wir beobachten ein Missverhältnis in der Behandlung der beiden Gruppen, das sich nicht durch die Patientenmerkmale erklären lässt“, hält Studienautor Dr. Tristan Struja fest. „Unsere Daten weisen darauf hin, dass Personen mit Zusatzversicherungen Behandlungen erhalten, die sich medizinisch nur schwer rechtfertigen lassen und daher möglicherweise unnötig sind.“ Tatsächlich sind Personen mit einer privaten Zusatzversicherung tendenziell besser ausgebildet, verfügen über ein höheres verfügbares Einkommen, sind gesünder und werden seltener in ein Krankenhaus eingewiesen als Personen, die nur eine Grundversicherung haben. Folglich sollten an ihnen sogar weniger Eingriffe vorgenommen werden. Das jetzige System überdenken Die Gründe für die unterschiedliche Behandlung vermuten die Studienautoren denn auch nicht in klinischen Überlegungen: „Wir nehmen an, dass Personen mit einer privaten Zusatzversicherung die medizinische Versorgung stärker in Anspruch nehmen, unter anderem weil sie mehr Geld für ihre Krankenversicherung ausgeben“, so Prof. Philipp Schütz, Forschungsgruppenleiter am Departement Klinische Forschung der Universität Basel. „Gleichzeitig bestehen für die Spitäler klare ökonomische Anreize, an dieser lukrativen Patientenklasse Eingriffe im stationären Rahmen vorzunehmen, anstatt darauf zu verzichten oder sie zumindest ambulant durchzuführen.“ Dies führe dazu, so die Studienautoren, dass Gesundheitsdienstleistungen ineffizient erbracht würden. Sie empfehlen, die Pauschalen für Privatpatienten zu überdenken und die Anreize stärker auf die Qualität der Versorgung auszurichten. An der Studie waren Forschende des Kantonsspitals Aarau sowie der Universitäten Basel und Zürich beteiligt.
Mehr erfahren zu: "Zustimmung: Bundesrat billigt Kompromiss zu Kassenbeiträgen" Zustimmung: Bundesrat billigt Kompromiss zu Kassenbeiträgen Eine Ausgabenbremse bei den Kliniken zum Stabilisieren der Kassenbeiträge im neuen Jahr kann kommen. Nach dem Bundestag billigte auch der Bundesrat eine Änderung an einem vorgesehenen Sparpaket.
Mehr erfahren zu: "Blutzucker normalisieren, Herzinfarkt-Risiko halbieren" Blutzucker normalisieren, Herzinfarkt-Risiko halbieren Eine Normalisierung des Blutzuckers bei Menschen mit Prädiabetes halbiert ihr Risiko für Herzinfarkt, Herzschwäche und frühen Tod. Diese Erkenntnis aus einer internationalen Analyse könnte die Prävention revolutionieren – und ein […]
Mehr erfahren zu: "„Safe Hearts Plan“ soll kardiovaskuläre Prävention in der EU stärken" „Safe Hearts Plan“ soll kardiovaskuläre Prävention in der EU stärken Es ist nicht gut bestellt um die Herz-Kreislauf-Gesundheit der EU-Bürger. Prognosen gehen davon aus, dass sich die Lage in den nächsten Jahrzehnten weiter verschärft. Mit dem „Safe Hearts Plan“ will […]