Schwere Beeinträchtigung des Gehörs bei Hochbetagten

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Eine schwedische Studie hat das Gehör eine bislang wenig beachteten Gruppe untersucht: Hochbetagte. Alle Studienteilnehmer litten unter Hörverlust und 80 Prozent brauchten ein Hörgerät.

Wenn es um Alter und Hörprobleme geht, stehen oft über jüngere (65-79 Jahre) und ältere Menschen (80 und älter) im Fokus. Nur selten geht es um die über 90 Jahre und älter. Allerdings wächst diese Altersgruppe schnell. In der aktuellen Studie wurden standardisierte Hörtest-Messverfahren angewendet, die bei über 90-Jährigen nur selten zum Einsatz kommen. Die Tests wurden bei jedem Teilnehmer zu Hause durchgeführt, was eine Voraussetzung für die Durchführung der Studie war.

Konkret wurde bei den Studienteilnehmern eine Reintonaudiometrie und eine Tympanometrie durchgeführt. Vor den Hörtests wurden die Probanden strukturiert nach ihrer Krankengeschichte bezüglich der Ohren befragt, etwa nach vorhergehenden Erkrankungen, chirurgischen Eingriffen, Tinnitus oder Hyperakusis. Außerdem wurden beide Ohren otoskopisch untersucht.

Die Aussagekraft der Studie liegt nach Ansicht der Autoren nicht in ihrer Größe – die Zahl der Teilnehmer war auf 91 Personen begrenzt. Ausschlaggeben waren die systematische Durchführung der Studie, dass Schwerstkranke und Heimbewohner nicht ausgeschlossen wurden und dass die Testmethoden dieselben waren, die auch in anderen Altersgruppen angewendet werden.

Großes Risiko für Hörverlust

„In der Altersgruppe 90+ ist die Gesundheit des Gehörs sowohl für die körperliche als auch für die geistige Gesundheit von großer Bedeutung. Hörverlust kann zu verstärkter Isolation, Depression, Demenz und erhöhtem Sturzrisiko führen. Gleichzeitig ist diese Gruppe in Bezug auf das Hörvermögen bei standardisierten Tests noch weitgehend unerforscht“, stellte die Erstautorin Åsa Winzell Juhlin, Doktorandin an der Sahlgrenska Academy der Universität fest.

Keiner aus der untersuchten Gruppe hatte ein normales Gehör: 80 Prozent hatten einen Hörverlust, der Hörgeräte oder andere Maßnahmen erforderlich machte. Rund 30 Prozent hatten zu viel Cerumen einem oder beiden Ohren.

Mehr Fokus auf das Hören

„Menschen im Alter von 80 Jahren und darüber haben oft eine ganz andere kognitive Funktion und weniger Komorbidität. Die über 90-Jährigen hingegen sind oft in Pflegeheimen untergebracht, werden nicht immer auf Hörverlust getestet oder diagnostiziert, haben oft Schwierigkeiten im Umgang mit Hörgeräten und erhalten wenig Unterstützung“, erläuterte Winzell Juhlin die spezifischen Probleme in der Altersgruppe der Hochbetagten.

Ein für das Autorenteam interessanter Aspekt der Ergebnisse: Der geschlechtsspezifische Unterschied bei jüngeren älteren Menschen – hier ist das Gehör bei Männern stärker beeinträchtigt ist als bei Frauen – ist bei den über 90-Jährigen viel weniger ausgeprägt.

Die Studie konnte auch zeigen, dass der altersbedingte Hörverlust auch bei den Hochbetagten voranschreitet: So konnte ein Unterschied 90- und 95-Jährigen festgestellt werden. Allerdings verlaufe die Progression gemäßigter als bei Menschen, die die neunte Lebensdekade noch nicht erreicht haben.

„Wir müssen uns besser auf das Gehör der Hochbetagten konzentrieren, Hörgeräte einsetzen, wo es möglich ist, aber auch mehr mit der akustischen Umgebung arbeiten“, hob Winzell Juhlin mit Blick auf die Studienergebnisse hervor.

Allerdings geben die Autoren auch zu bedenken, dass aufgrund der Prävalenz kognitiver Beeinträchtigung in dieser Altersgruppe der Durchführbarkeit von Sprachaudiometrie und anderen subjektiven Messmethoden Grenzen gesetzt sind.

Die Daten der Studie stammen aus den H70-Studien in Göteborg. Die endgültige Stichprobengröße der Hörstudie war aufgrund der COVID-19-Pandemie kleiner als ursprünglich geplant. Es wurden jedoch Maßnahmen ergriffen, um die Repräsentativität der Studienstichprobe zu optimieren. (ja)