Schwere Nervenerkrankung erfolgreich mit CAR-T-Zelltherapie behandelt24. Juni 2025 Bochumer Medizinerteam (v.l.): Jeremias Motte, Ralf Gold und Roland Schroers. (Foto: © KKB gGmbH) Ein Bochumer Ärzteteam hat erstmals erfolgreich die sogenannte CAR-T-Zelltherapie eingesetzt, um zwei Menschen mit einer seltenen Erkrankung des peripheren Nervensystems zu behandeln. Es handelt sich um die weltweit erste klinische Studie zur Anwendung einer CAR-T-Zelltherapie bei einer schweren Form der Autoimmunneuropathie. Für die Studie behandelte das Team der Universitätsmedizin der Ruhr-Universität Bochum aus der Neurologischen Universitätsklinik am St. Josef-Hospital und der Klinik für Hämatologie am Knappschaftskrankenhaus Bochum zwei Personen mit Chronisch inflammatorischer demyelinisierender Polyneuropathie (CIDP). Diese seltene Erkrankung führt zu Lähmungen, Gefühlsstörungen und teils schwerer Behinderung mit Verlust der Gehfähigkeit und selten lebensbedrohlichen Zuständen. Von 100.000 Personen erkranken im Durchschnitt zwei bis fünf an CIDP. Insbesondere bei schweren und therapieresistenten Verläufen sind die Behandlungsmöglichkeiten bislang stark eingeschränkt. Die CAR-T-Zelltherapie ist aus der Krebsmedizin bekannt, wurde zuvor jedoch nicht systematisch bei Autoimmunerkrankungen des Nervensystems untersucht. Immunzellen individuell gentechnisch verändert Die CIDP ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die B-Zellen des Immunsystems das eigene periphere Nervensystem angreifen. Gegen diese außer Kontrolle geratenen B-Zellen richtete sich die individuelle CAR-T-Zelltherapie in der aktuellen Studie. Dazu entnahmen die Mediziner den Patienten Blut mittels Leukapherese und isolierten Millionen T-Immunzellen. In diese schleuste ein amerikanisches Unternehmen gezielt Rezeptoren durch virale Genmanipulation ein, die die krankhaft veränderten B-Zellen erkannten. Jeder Patient wurde mit seinen individuell hergestellten CAR-T-Zellen behandelt. „Wir haben nach der Rückinfusion im Blut täglich auf Zellebene die Vermehrung der CAR-T-Zellen kontrolliert, gleichzeitig die Abnahme der zirkulierenden B-Zellen sowie übrige Immunzell-Parameter aus Sicherheitsgründen“, erklärt das Team. Durch den Zelltod von reifen B-Zellen und die Freisetzung von Entzündungsstoffen gab es zwischen Tag 4 und 10 mäßige Nebenwirkungen bei den Patienten, die durch erprobte Immunmedikamente umgehend behoben wurden. Alle Maßnahmen fanden wie bei individuellen Heilversuchen üblich in einem festen Überwachungssetting auf einer Überwachungsstation statt. „Teilweise sahen wir schon früh erste Besserung der durch die Nervenentzündung bedingten Ausfallssymptome“, berichten die Mediziner weiter. Die Therapie zeigte eine rasche und anhaltende Wirkung: Innerhalb weniger Tage verschwanden die krankheitsvermittelnden B-Zellen vollständig aus dem Blut. Gleichzeitig kam es zu funktionellen Verbesserungen: Die Patienten konnten sich wieder sicher fortbewegen, teils erstmals seit Jahren. Objektive Messwerte – darunter klinische Scores und neurophysiologische Untersuchungen – verbesserten sich um teils mehr als 200 Prozent. Nach der einmaligen Behandlung war keine weitere Immuntherapie erforderlich. CAR-T-Zelltherapie bei Erkrankungen des peripheren Nervensystems möglich „Unsere Arbeit zeigt, dass der gezielte Einsatz von CAR-T-Zellen auch bei schweren Autoimmunerkrankungen des peripheren Nervensystems möglich ist – mit einem beeindruckenden klinischen Nutzen“, erklärt Prof. Jeremias Motte, Erstautor der Studie und geschäftsführender Oberarzt an der Klinik für Neurologie. „Dieser Durchbruch war nur dank der großartigen Teamarbeit in Klinik und Labor möglich – eine enge, interdisziplinäre Zusammenarbeit über Fachgrenzen hinweg.“ Die Zelltherapie selbst wurde unter Leitung von Prof. Roland Schroers, Direktor der Klinik für Hämatologie, durchgeführt. „Die sichere Herstellung und Anwendung dieser innovativen Therapie bei Patientinnen und Patienten mit Autoimmunerkrankungen stellt auch aus hämatologischer Sicht Neuland dar – und ist ein starkes Beispiel für translationale Medizin in der Hochschulmedizin“, betont Schroers. Bereits elf Menschen mit verschiedenen neuroimmunologischen Krankheiten behandelt Insgesamt wurden an der Bochumer Universitätsklinik bereits elf Patientinnen und Patienten mit verschiedenen schweren neuroimmunologischen Erkrankungen, darunter CIDP, Myasthenia gravis und Stiff-Person-Syndrom, im Rahmen individueller Heilversuche und klinischer Studien mit CAR-T-Zellen behandelt. Diese Erfahrungen bilden den Forschenden zufolge die Grundlage für weitere klinische Studien, auch in Zusammenarbeit mit Partnern im In- und Ausland. „Wir stehen am Beginn eines neuen Kapitels in der Behandlung schwerer Autoimmunerkrankungen“, betont Motte. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Präzisionsmedizin auch in der Neuroimmunologie Realität werden kann – und neue Hoffnung für Patientinnen und Patienten bringt, bei denen alle herkömmlichen Therapien versagen.“ Förderung Die Arbeiten wurden finanziell unterstützt vom Land NRW, von der Familie Nasch und der Firma Kyverna therapeutics, Inc.
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