Sehprothese: Infrarot sehen mit organischen Elektroden20. November 2025 Einem österreichischen Forschungsteam ist es gelungen, mithilfe biokompatibler Elektroden Infrarotlicht in Nervenimpulse umzuwandeln. Andrea Corna im Labor. Foto.©TU Wien Ein Forschungsteam der Technischen Universität (TU) Wien hat gezeigt, dass biokompatible Elektroden Infrarotlicht in Nervenimpulse umwandeln können. Das könnte ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Sehprothese sein. Bei manchen Menschen sind die Lichtrezeptoren auf der Netzhaut geschädigt, die darunterliegende Nervenstruktur ist aber noch intakt. In diesem Fall könnte man in Zukunft möglicherweise mit einem Sehimplantat helfen: Biokompatible, dünne Photovoltaik-Filme registrieren Strahlung, wandeln sie in elektrische Signale um und stimulieren damit lebendes Nervengewebe. Im Laborversuch an der TU Wien ist das nun erstmals gelungen. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden im Fachjournal „Advanced Functional Materilas“ veröffentlicht. Das Auge arbeitet verkehrt herum Unser Auge ist auf eine Weise konstruiert, die eigentlich widersinnig erscheint. Das Licht trifft zuerst auf die Ganglienzellen und erst dann gelangt es zu den Photorezeptoren, die es wahrnehmen können. Im dahinterliegenden neuronalen Netzwerk werden die Signale der Photorezeptoren verarbeitet. Anschließend erreicht das Signal die Ganglienzellen und wird von dort in das Gehirn geleitet. Es ist ein bisschen so, als würde man bei einer Fotokamera die Kabel direkt vor dem Objektiv platzieren und alle Bilder durch einen wirren Kabelsalat hindurch aufnehmen. Aber unser Sehsinn kommt damit zurecht – wir haben im Lauf der Evolution diese merkwürdige Signal-Route perfektioniert. „Bei bisherigen Versuchen, geschädigte Fotorezeptoren durch künstliche Elektroden zu ersetzen, hat man bisher oft direkt die Ganglienzellen stimuliert“, erklärt Prof. Günther Zeck vom Institut für Biomedizinische Elektronik der TU Wien. „Das bedeutet aber, dass die Signalverarbeitung, die normalerweise im Nerven-Netzwerk hinter der Netzhaut stattfindet, nicht genützt wird. Daher entsteht auf diese Weise nur ein verfälschter, wenig zufriedenstellender optischer Eindruck. Man kann auch das Nerven-Netzwerk stimulieren. Das wurde auch bereits versucht, mit siliziumbasierten Photodioden. Sie sind aber hart und unflexibel, was ihren Einsatz in einem lebenden Auge höchst unpraktisch macht.“ Das natürliche Nervennetzwerk nutzen An der TU Wien ging man einen anderen Weg: Die Forscher platzierten biokompatible organische Photovoltaik-Sensoren hinter der Retina. Sie stimulierten damit nicht direkt die Ganglienzellen sondern das Nervennetzwerk. Dieses wird auch beim natürlichen Sehvorgang genutzt und aktiviert dann seinerseits die Ganglienzellen. Dadurch entsteht ein Signal, das viel besser dem des natürlichen Sehvorganges entspricht. Allerdings nimmt der Fotosensor nicht sichtbares Licht wahr. Er reagiert auf Wellenlängen im Infrarotbereich. Diese Wellen werden von der Netzhaut kaum gefiltert und schaffen es daher relativ ungehindert durch das Auge hindurch zum Sensor. An der TU Wien wurde Retinagewebe von Mäusen untersucht, das fast keine Photorezeptoren hatte. Die Ganglienzellen und dahinterliegenden Nerven-Netzwerkschichten waren allerdings intakt. Hinter diesem Gewebe platzierten die Wissenschaftler den Fotosensor. Dann wurde das Gesamtsystem mit Infrarotlicht beleuchtet und die Signale gemessen, die in den Ganglienzellen entstehen. „Die Ganglienzellen zeigen ein Aktivitätsmuster, das dem natürlichen Verhalten in einem gesunden Auge sehr nahekommt“, berichtet Andrea Corna, Erstautor der aktuellen Publikation. „Das ist nur deshalb möglich, weil bei uns eben nicht die Ganglienzellen direkt stimuliert werden, sondern das natürliche Nerven-Netzwerk, das die Daten auf die richtige Weise verarbeitet und dann an die Ganglienzellen weitergibt.“ Wichtiger Schritt auf dem Weg zur Sehprothese Mit der neuen, organischen D18:Y6-Photovoltaikschicht ist es dem Forschungsteam gelungen, mit einem ultradünnen, flexiblen organischen Material im subretinalen Bereich zuverlässig elektrische Signale zu erzeugen. Diese aktivieren damit das natürliche neuronale Netzwerk der Netzhaut. Gleichzeitig konnten die Forscher zeigen, dass das Material in Kontakt mit biologischem Gewebe gut verträglich ist, was eine wichtige Voraussetzung für medizinische Anwendungen ist. „Diese Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven für die Entwicklung flexibler, biokompatibler und drahtlos betriebener Retinaimplantate, die künftig deutlich natürlichere visuelle Eindrücke ermöglichen könnten“, hofft Günther Zeck. „Die nächsten Schritte bestehen darin, die Architektur der Elektroden weiter zu optimieren, die Stimulation noch präziser zu steuern und die Technologie weiterzuentwickeln, um eines Tages hochauflösende, miniaturisierte Implantate für zu realisieren.“
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