Sektoren greifen nur schwer ineinander

Gerald Gaß und Andreas Gassen (v.l.). Fotos: Otto/DKG, Lopata/axentis, [M] Biermann Verlag

„Sektorenübergreifende Versorgung“ ist ein Zauberwort, das von Gesundheits- und Berufspolitikern oft beschworen wird. Doch in der Realität kommt bisher wenig davon an. Diesen Eindruck vermittelten die Debatten beim 7. Fachärztetag des Spitzenverbandes Fachärzte Deutschlands (SpiFa) vom 15. bis 16.04.2021.

„Deutschland macht noch zu viel unter stationären Bedingungen“, sagte Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des SpiFa, bereits in seiner Begrüßungsansprache. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bekundete in seiner Key Note die Absicht, die Strukturen von 2020 zunächst einmal zu erhalten, stellte aber immerhin die Frage: „Welche Bereiche können intersektoral bearbeitet werden?“ Die virtuelle Podiumsdiskussion am Nachmittag des zweiten Tages mit den VertreterInnen der Bundestagsfraktionen wurde wenigstens etwas konkreter und benannte die Probleme: Die Sektoren sind ausgebaut wie „Schützengräben“ (Alexander Krauß, CDU), und man ist sich uneins, ob man in dem jetzigen System anfangen oder gleich alles umkrempeln soll.

Am Nachmittag des zweiten Tages trafen Vertreter der beiden Sektoren direkt aufeinander. Dr. Gerald Gaß, frisch gebackener Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), bemängelte einen „kalten Strukturwandel“ ohne klare Richtung: „Wer macht was beim ambulanten Operieren? Das läuft sehr unstrukturiert.“ Gaß sprach von „ziemlich anstrengenden Sonderwegen”, wie der Teilanstellung. Ein “erster Schritt” für einen “Kurswechsel mit klaren Vereinbarungen” sei nötig.

SpiFa-Konzept krempelt §115 um

Einen Vorschlag hat der SpiFa mit einem Konzept zur „Struktur und Vergütung ärztlich intersektoraler Versorgung“ vorgelegt. Dieses sieht eine Neufassung des §115 SGB V vor, welcher dreiseitige Verträge und Rahmenempfehlungen zwischen Krankenkassen, Krankenhäusern und Vertragsärzten regelt. 13 Paragraphen sollen wegfallen, im Zentrum steht eine einheitliche Vergütung von 90 Prozent der DRGs.

Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), sieht das Prinzip der gleichen Vergütung in Krankenhaus und Praxis positiv, nannte das SpiFa-Konzept einen „großen Wurf“ und zeigte sich erfreut über die Möglichkeit dreiseitiger Verhandlungen. „Wir müssen gemeinsam als Leistungsbringer gegen die Krankenkassen antreten und die Phalanx durchbrechen“, sagte der Orthopäde – womit die von der Politik benannten Schützengräben nicht mehr die Sektoren betreffen, sondern nunmehr den gemeinsamen „Feind“ Kostenträger ins Visier nehmen würden.

Sein Fast-Namensvetter von der DKG forderte zwar ein „neues Miteinander“, zeigte sich aber skeptisch bezüglich der Umsetzbarkeit des SpiFa-Konzeptes. „Den §115 neu zu fassen – ich bin nicht so optimistisch, dass das möglich ist.“ „Ich bin auch skeptisch, ob die politischen Mehrheiten dafür da sind, aber man kann sich ja heranrobben“, entgegnete der KBV-Chef. Dabei dachte er an die jungen Ärzte: „Sie gehen dort hin, wo sie die besten Möglichkeiten für sich sehen. Das bieten die festgefahrenen Strukturen nicht mehr.“

Dr. Helmut Weinhart, Vorstandsmitglied des SpiFa, stimmte dem Krankenhaus-Mann zu, dass viel im „Graubereich“ passiert. „Legal haben wir nur den Belegarzt“, sagte der Orthopäde. „Die gleiche OP, durchgeführt von Belegarzt und Oberarzt ist eine völlig unterschiedliche Situation für das Krankenhaus.“ Weinhart forderte eine Harmonisierung  mit der vom SpiFa vorgeschlagenen „Übergangsvergütung“ von 90 Prozent der DRGs, um zunächst einmal anzufangen, denn „die Zeit läuft uns davon“.

(ms)