Seltene Erkrankungen: HNO-Ärzte als Schnittstelle11. Mai 2021 Foto: ©H_Ko – stock.adobe.com Im Fokus der Jahresversammlung der DGHNO-KHC: Seltene Erkrankungen und warum HNO-ÄrztInnen besonders gefordert sind. Seltene Erkrankungen Orphan Diseases für seltene Erkrankungen spiegelt wider, wie verlassen sich PatientInnen zuweilen fühlen: Der Weg zur richtigen Diagnose kann sehr lang sein, die Aussicht auf Heilung gering und in vielen Fällen gibt es in der Nähe des Wohnorts weder einen Spezialisten für die betreffende Erkrankung, noch andere Betroffene, mit denen man sich austauschen könnte. Seltene Erkrankungen sind insgesamt häufig In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Bei den meisten dieser Erkrankungen liegen die Patientenzahlen jedoch noch deutlich darunter, bei weniger als einem von 100.000 Menschen. „Die 5000 bis 8000 derzeit bekannten Seltenen Erkrankungen betreffen zusammen jedoch eine große Zahl von Menschen“, sagt Prof. Stefan K. Plontke, Präsident der DGHNO-KHC und Kongresspräsident der Jahresversammlung. So wird die Zahl der Betroffenen in der EU etwa auf 27 bis 36 Millionen Menschen geschätzt – das entspricht rund sechs bis acht Prozent der Gesamtbevölkerung. Interdisziplinäre Betreuung gefragt – HNO-Ärzte als Schnittstelle Rund 80 Prozent der Seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt oder haben zumindest eine genetische Komponente. Meist führen sie schon im Kindesalter zu ersten Symptomen und verlaufen chronisch. Oft betreffen die Symptome zudem unterschiedliche Organsysteme und somit unterschiedliche medizinische Fachbereiche. „Die Patientinnen und Patienten brauchen daher häufig eine interdisziplinäre Betreuung“, sagt Plontke, Klinikdirektor der Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Das wiederum bringe besondere Anforderungen an das Arzt-Patienten-Verhältnis sowie an die Kommunikation mit den mitbehandelnden Ärzten mit sich. Als Ärzte, deren Fachgebiet als Querschnittsfach mannigfaltige Berührungspunkte mit anderen medizinischen Fachbereichen aufweist, kommen HNO-Ärzte besonders häufig mit Seltenen Erkrankungen in Kontakt. „Sie manifestieren sich häufig im Kopf- und Halsbereich“, erläutert Plontke die Wahl des Schwerpunktthemas für den diesjährigen Jubiläumskongress, mit dem die Fachgesellschaft ihr 100-jähriges Bestehen feiert. „Zudem haben viele für unser Fachgebiet typische Erkrankungen eine so geringe Prävalenz, dass sie schon allein deshalb zu den Seltenen Erkrankungen gerechnet werden“, so Plontke weiter. So könnten sich etwa hinter den Leitsymptomen „Hörstörung“ oder „Schwindel“ viele verschiedene, oftmals sehr seltene Erkrankungen des Innenohres verbergen; auch bestimmte Tumorarten im Kopf- und Halsbereich, das heißt des Rachens, der Mundhöhle, des Kehlkopfes und der Luftröhre sowie der Nasennebenhöhlen, der Speicheldrüsen oder der Augenhöhle kommen nur sehr selten vor. Zahlreiche Vorträge und ein ausführlicher Referateband zum Kongress geben daher einen Überblick über Seltene Erkrankungen in den einzelnen Teilgebieten der HNO – mit dem Ziel, sie verstärkt ins Bewusstsein zu rücken und den Blick für die oftmals subtilen Symptome zu schärfen. „Die ,Kunst‘ besteht zum einen im ,daran Denken‘ und zum anderen in der Einleitung der richtigen Schritte zum Management von Patienten mit Seltenen Erkrankungen. Das setzt zahlreiche Kenntnisse voraus – hier sind wir HNO-ÄrztInnen, gerade durch unsere interdisziplinäre Schnittstellenfunktion, aufgefordert, diese aktuell zu halten oder auch zu erwerben“, betont Plontke. Umfangreiche Kenntnisse zu Seltenen Erkrankungen notwendig Im Umgang mit Seltenen Erkrankungen sind damit nicht nur diagnostische Kenntnisse gemeint. Sowohl die USA als auch die EU haben Regelwerke erlassen, die die Entwicklung von Medikamenten für kleine Patientenzahlen auch wirtschaftlich attraktiv machen sollen; die Zahl der Arzneimittel und Behandlungsmöglichkeiten ist seitdem deutlich angestiegen. „Für die Patientenführung ist es daher wichtig, bestehende Ressourcen wie Netzwerke, Zentren, Register oder Selbsthilfegruppen zu kennen und diese Informationen an die Patienten weiterzureichen“, betont Plontke. Mittlerweile gibt es im Internet etliche Plattformen, die wichtige Informationen zu Seltenen Erkrankungen bündeln. Auf Europäischer Ebene hat sich das Orphanet etabliert, das eine Vielzahl an Informationen sowohl für PatientInnen mit „Orphan Diseases“ als auch für die behandelnden ÄrztInnen bereithält – mit Übersichten über die Krankheiten selbst, Behandlungsmöglichkeiten, spezialisierte Zentren, Studien und vieles mehr. Als Beispiele für deutschlandweit aktive Vereinigungen nennt Plontke das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen NAMSE, sowie das ACHSE-Netzwerk von Selbsthilfeorganisationeng für Menschen mit Seltenen Erkrankungen. „Diese Verbände sind wichtige Partner in dem Bemühen, die Patienten bestmöglich zu unterstützen, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und politische Interessen zu vertreten“, sagt Plontke. „Denn – und hier schließe ich mich dem Leitspruch von Orphanet an – keine Krankheit kann zu selten sein, um ihr Aufmerksamkeit zu schenken.“
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