Serin steuert Rolle der Haarfollikel-Stammzellen bei der Wundheilung

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US-amerikanische Forschende konnten zeigen, dass niedrige Spiegel der Aminosäure Serin einen Prozess auslösen, bei dem Haarfollikel-Stammzellen zu Spezialisten für die Hautreparatur werden.

Untersuchungen von Forschenden der Rockefeller University, New York, USA, haben gezeigt, dass Haarfollikel-Stammzellen (HFSCs) ihre Funktion wechseln und bei Hautverletzungen an der Reparatur mitwirken können. Das Team, das diese ursprünglichen Erkenntnisse lieferte, hat nun ein zentrales Signal identifiziert, das HFSCs dazu bringt, den Haarzyklus zu verlassen und sich der Hautreparatur zuzuwenden: eine integrierte Stressantwort (ISR), die die Stammzellen anweist, Energie für essenzielle Aufgaben zu sparen.

Abfall des Serinspiegels als Auslöser

Im Hautgewebe werden Nährstoffdefizite durch die nicht essenzielle Aminosäure Serin detektiert, die in Lebensmitteln wie Fleisch, Getreide und Milch vorkommt. Wie in einer aktuellen Studie in „Cell Metabolism“ gezeigt wird, aktiviert ein Abfall des Serinspiegels die ISR, wodurch HFSCs die Haarproduktion drosseln. Kommt zu dem Nährstoffdefizit eine Hautverletzung hinzu, wird die ISR weiter verstärkt, die Haarproduktion vollständig gestoppt und die Ressourcen auf die Hautreparatur umgeleitet. Diese Umpriorisierung beschleunigt den Heilungsprozess.

„Serinmangel wirkt wie ein hochsensibles zelluläres Stellrad, das das Schicksal der Zelle feinjustiert – zugunsten der Haut und zulasten der Haare“, erklärt Erstautor Jesse Novak, ehemaliger Doktorand im Labor von Elaine Fuchs an der Rockefeller University. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass wir die Heilung von Hautwunden durch Manipulation des Serinspiegels über die Ernährung oder Medikamente beschleunigen könnten.“

Einfluss von Metaboliten auf Stammzellen

Adulte Gewebe beherbergen Stammzellpools, die Proliferation, Differenzierung und Zellumsatz präzise ausbalancieren, um Homöostase und Wundheilung zu gewährleisten. Die metabolischen Bedürfnisse dieser Zellen sind jedoch bislang wenig verstanden. In der aktuellen Studie untersuchte Novak, welche metabolischen Faktoren Stammzellen im Alltag versorgen und wie sich diese Anforderungen ändern, wenn Verletzungen HFSCs zur „Aushilfe“ bei der Wundheilung zwingen.

 Die meisten Hautwunden entstehen durch Abschürfungen, bei denen die oberste Hautschicht und damit der dortige Stammzellpool zerstört werden. In solchen Fällen übernehmen Haarfollikel-Stammzellen die Reparatur. Die Nachverfolgung dieser Zellen während der Wundheilung bot ein geeignetes Modell, um den Einfluss von Metaboliten auf diesen Prozess zu untersuchen.

Frühere Arbeiten aus dem Labor von Fuchs zeigten, dass präkanzeröse Hautstammzellen eine Abhängigkeit von zirkulierendem Serin entwickeln und durch serinarme Ernährung an der malignen Transformation gehindert werden können. Diese Befunde etablierten Serin als Schlüsselfaktor der Tumorentstehung und motivierten klinische Studien zu serinfreier Ernährung als Krebstherapie. Allerdings war unklar, wie Serinmangel normales Gewebe beeinflusst – ein Fokus der aktuellen Arbeit.

Wirkung von Serin-Mangel auf Haarfollikel-Stammzellen

Das Team unterzog HFSCs einer Reihe metabolischer Stresstests, indem sie ihnen entweder Serin über die Nahrung entzog oder genetische Methoden nutzte, um die Serinsynthese in Maus-HFSCs gezielt zu blockieren. Es zeigte sich, dass Serin in direkter und konstanter Kommunikation mit der ISR steht, die bei gestörten Gewebebedingungen aktiviert wird. Ist der Serinvorrat niedrig, drosseln HFSCs das energieaufwändige Haarwachstum.

Bei zusätzlicher Verletzung wurde die ISR in den HFSCs ebenfalls aktiviert. Erlebten Mäuse sowohl Serinmangel als auch eine Verletzung, verlagerte sich das Gleichgewicht noch stärker: Die Haarregeneration wurde unterdrückt, die Wundheilung begünstigt. Die ISR bewertet also das gesamte Stressniveau des Gewebes und priorisiert regenerative Aufgaben entsprechend.

„Niemand verliert gerne Haare, aber im Überlebensfall hat die Reparatur der Epidermis Vorrang“, so Fuchs. „Ein kahler Fleck ist für ein Tier unproblematisch, eine nicht verheilte Wunde dagegen lebensbedrohlich.“

Haarwachstum durch Seringabe schwierig

Es zeigte sich, dass niedrige Serinspiegel das Schicksal und Verhalten von Stammzellen maßgeblich beeinflussen. Doch wie sieht es umgekehrt aus? Könnte eine hohe Serinzufuhr das Haarwachstum fördern?

Für Betroffene von Haarausfall ernüchternd: Der Körper reguliert die Serinmenge im Blut sehr streng. Erhielten Mäuse das Sechsfache der normalen Serinmenge, stieg der Serinspiegel lediglich um 50 Prozent an. „Allerdings konnten wir beobachten, dass sich die Haarregeneration teilweise wiederherstellen ließ, wenn wir einer Stammzelle, die kein eigenes Serin mehr produzieren konnte, die Verluste über eine serinreiche Ernährung ausglichen“, ergänzt Novak.

Einfluss von Ernährung und weiteren Aminosäuren

Als nächstes soll untersucht werden, ob sich die Wundheilung durch serinarme Ernährung oder Medikamente, die den Serinspiegel oder die ISR beeinflussen, beschleunigen lässt. Zudem sollen weitere Aminosäuren auf ihre Rolle geprüft werden. „Insgesamt dürfte die Fähigkeit von Stammzellen, ihr Schicksal in Abhängigkeit vom erlebten Stress zu bestimmen, weitreichende Implikationen für die Optimierung der regenerativen Kapazität von Geweben in Zeiten knapper Ressourcen haben“, so Fuchs.