Seronegative Myasthenia gravis: Genetische Testung könnte Therapie beeinflussen

Foto: © ChoiruLyt – stock.adobe.com

Ein beträchtlicher Anteil der mit seronegativer Myasthenia gravis diagnostizierten Patienten weist eine zugrunde liegende erbliche Ätiologie auf. Ihnen eine genetische Testung anzubieten, könnte die Therapie günstig beeinflussen. Darauf deuten die Ergebnisse eines internationalen Forscherteams hin.

Myasthenia gravis (MG) ist eine Erkrankung der neuromuskulären Endplatte, die typischerweise mit Autoantikörpern (Abs) einhergeht. Etwa zehn Prozent der Patienten sind jedoch seronegativ (SNMG). Eine internationale Studie zeigt nun, dass ein beträchtlicher Anteil dieser SNMG-diagnostizierten Patienten eine zugrunde liegende erbliche Ätiologie aufweist.

Angeborene myasthenische Syndrome als Differenzialdiagnose

Neue Erkenntnisse deuteten darauf hin, dass SNMG durch erbliche Erkrankungen, insbesondere angeborene myasthenische Syndrome (CMS), nachgeahmt werden könne, die eine unterschiedliche Behandlung erfordern, erklären Martin Krenn von der Medizinischen Universität Wien (Österreich) und Kollegen den Hintergrund ihrer Untersuchung.

Um den Anteil von CMS unter Patienten mit der Diagnose SNMG zu bestimmen, führten die Forschenden bei 50 Patienten mit SNMG (35 weiblich) eine Whole-Exome-Sequenzierung (WES) durch. Diese waren nach der Überweisung an drei tertiäre neuromuskuläre Zentren umfassenden serologischen Tests unterzogen worden, um Antikörper gegen (geclusterte) Acetylcholinrezeptoren, muskelspezifische Kinase, Lipoproteinrezeptor-verwandtes Protein 4 und spannungsgesteuerte Kalziumkanäle auszuschließen.

Ansprechen auf Immuntherapien schließt molekulare CMS-Diagnose nicht aus

Das mediane Alter bei Ausbruch der Erkrankung betrug 35 Jahre (Interquartilsbereich 24,0–46,0). Bei sieben Patienten (14%) wurde mittels WES eine genetische Diagnose von CMS gestellt (4 mit CHRNE– und 3 mit RAPSN-Varianten). Darüber hinaus wurden in vier Fällen Befunde von unklarer klinischer Bedeutung gemeldet, die CACNA1S, DOK7, DPAGT1 und RAPSN betrafen. Obwohl Patienten mit CMS in der univariaten Analyse tendenziell ein jüngeres Alter bei Ausbruch der Erkrankung aufwiesen (p=0,04; r= 0,29), blieben nach Korrektur für multiple Tests keine klinischen oder demografischen Faktoren signifikant mit einer molekularen Diagnose assoziiert. Nur ein Patient mit einer bestätigten CMS-Diagnose berichtete über eine positive Familienanamnese. Sechs Personen mit CMS (86%) hatten entweder immunmodulatorische Behandlungen (n=4) erhalten oder sich einer Thymektomie (n=4) unterzogen. Von den vier Patienten mit CMS, die Immuntherapien erhielten, wurde bei drei eine zumindest teilweise Remission berichtet.

„Unsere Ergebnisse liefern Hinweise darauf, dass ein beträchtlicher Anteil der mit SNMG diagnostizierten Patienten eine zugrunde liegende erbliche Ätiologie aufweist. Bemerkenswert ist, dass ein (subjektives) Ansprechen auf Immuntherapien eine molekulare CMS-Diagnose nicht ausschließt“, betonen die Autoren abschließend. Entsprechend könnte es tiefgreifende therapeutische Auswirkungen haben, seronegativen Patienten mit myasthenischen Syndromen eine genetische Testung anzubieten.

(ej/BIERMANN)