SHINE-Studie: Verkürzte Therapiedauer für Kinder mit Tuberkulose ist möglich

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Eine kürzlich im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichte Studie zeigt, dass die Behandlungsdauer für die Mehrheit der Kinder mit einer nicht resistenten Tuberkulose von sechs auf vier Monate verkürzt werden kann, wodurch die Belastung sowohl für die Familien als auch die Gesundheitssysteme verringert wird.

„Es wird geschätzt, dass fast ein Viertel der Kinder, die an TB erkrankt sind, stirbt. Allerdings verstirbt die überwiegende Mehrheit (90%) von ihnen, weil bei ihnen keine Diagnose gestellt und keine Therapie eingeleitete wurde“, sagt Studienleiterin Prof. Diana Gibb von der Medical Research Council (MRC) Clinical Trials Unit am die Studie koordinierenden University College London (UCL; Großbritannien). „Eine kürzere Behandlung für Kinder mit nicht schwerwiegender TB ermöglicht Einsparungen von durchschnittlich 17 US-Dollar (ca. 15,5 Euro) pro Kind. Dieses Geld könnte verwendet werden, um die Abdeckung durch ein Screening zu verbessern und die Kinder, bei denen eine TB bisher übersehen wurde, zu identifizieren.“

Forschende der MRC Clinical Trials Unit am UCL arbeiteten gemeinsam mit Partnern in Südafrika, Uganda, Sambia und Indien an der SHINE-Studie. Dabei handelt es sich den Wissenschaftlern zufolge um die erste randomisierte, kontrollierte Studie, in der ermittelt werden sollte, ob Kinder mit „minimaler“ TB mit einem kürzeren Behandlungszyklus wirksam behandelt werden könnten.

Als minimale TB bezeichnen die Forschenden eine nicht schwere Lungen- oder Lymphdrüsen-TB, bei der die TB-Bakterien im Sputum nicht leicht durch Abstrichmikroskopie (Abstrich-negativ) gefunden werden können. Im Jahr 2020 erkrankten weltweit schätzungsweise 1,1 Millionen Kinder an TB, und im Gegensatz zu erwachsenen Patienten hatten litten meisten von ihnen (etwa zwei Drittel) an einer nicht schweren Form der Erkrankung.

Obwohl Kinder mit höherer Wahrscheinlichkeit an einer minimalen TB leiden, basiert bei ihnen die Dauer der Behandlung bisher auf den Ergebnissen von Untersuchungen an Erwachsenen, die eine sechsmonatige Kombination täglicher Medikamente benötigten. Da Kinder, die gegen TB behandelt werden, oft der Schule fern bleiben, erhöht dies auch die Belastung für die sie zuhause betreuenden Personen.

In der SHINE-Studie stellten die Autoren nun fest, dass eine viermonatige Behandlung mit den gleichen Standardmedikamenten für Kinder mit minimaler Tuberkulose genauso nutzbringend war wie eine sechsmonatige Behandlung.

Weniger Zeit mit der Therapie zu verbringen, so betonen die Wissenschaftler, bedeutet weniger Klinikbesuche und macht es einfacher, die Behandlung komplett abzuschließen. Was durch eine kürzere Therapie eingespart werde, könne stattdessen für die Verbesserung des Zugangs zu TB-Screening und -Diagnose verwendet werden, unterstreichen die Forschenden außerdem. Dieser Zugang sei in schlecht ausgestatteten Gesundheitseinrichtungen möglicherweise nicht immer gegeben. Auch könnte die Einsparungen durch kürzere Therapien bei Kindern für die Ausbildung von Gesundheitspersonal ausgegeben werden.

Erstautorin Dr. Anna Turkova von der MRC Clinical Trials Unit an der UCL macht deutlich: „Man denkt, dass ein Kind mit Tuberkulose sehr krank sein muss – aber das stimmt nicht. Es ist bekannt, dass zwei Drittel der Kinder, die jedes Jahr an TB erkranken, an einer nicht schweren TB leiden und daher eine kürzere Therapie erhalten könnten.“

An der Studie nahmen 1204 Kinder im Alter von zwei Monaten bis zu 16 Jahren mit nicht schwerer Tuberkulose teil. Sie wurden in zwei Gruppen randomisiert und enthielten entsprechend entweder vier oder sechs Monate lang eine TB-Medikation. Elf Prozent der in die Studie aufgenommenen Kindern hatten auch eine Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV). Alle Kinder wurden nach der Aufnahme in die Untersuchung 18 Monate lang beobachtet, um festzustellen, ob ihre Behandlung erfolgreich war.

Die Ergebnisse zeigen den Forschenden zufolge deutlich, dass Kinder, die für einen kürzeren Zeitraum behandelt wurden – unabhängig von der Altersgruppe, dem Land, in dem die Behandlung stattfand, oder dem HIV-Status – ebenso gut abschnitten wie diejenigen, die die sechsmonatige Standardbehandlung erhielten. Die wenigen Nebenwirkungen traten in beiden Gruppen mit ähnlicher Häufigkeit auf.

Die Evidenz aus der SHINE-Studie wurde von der Leitlinienentwicklungsgruppe der Weltgesundheitsorganisation geprüft, die im August 2021 empfahl, dass bei Kindern und Jugendlichen mit nicht schwerer, mutmaßlich nicht resistenter TB eine viermonatige Behandlung anstelle der standardmäßigen sechsmonatigen Behandlung angewendet werden sollte.

Die Kinderärztin Dr. Priyanka Anand Kulkarni vom B.J. Medical College in Pune (Indien) betont: „Für Eltern ist es sehr schwierig, die Menge der Tabletten zu bewältigen und Kinder zu motivieren, die gesamte Behandlungsdauer zu absolvieren. Der kurze Therapieverlauf kann es überschaubarer machen.“ Kinder mit einer HIV-Infektion und Tuberkulose stehen vor dem Problem, dass beide Krankheiten therapiert werden müssen, was die Behandlungsoptionen für HIV erschwert. Die kürzere TB-Behandlung wird laut den Experten dazu beitragen, diese Probleme zu reduzieren.