Signalverarbeitung: Neue Glutamatrezeptor-Varianten gefunden16. August 2021 Andreas Reiner (l.) und Robin Herbrechter beschäftigten sich mit Glutamatrezeptoren, die für die Signalverarbeitung im Gehirn essenziell sind. Foto: © RUB, Marquard Dr. Robin Herbrechter und Prof. Dr. Andreas Reiner aus der Nachwuchsgruppe Zelluläre Neurobiologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben erstmals alle möglichen alternativen Spleißvarianten der ionotropen Glutamatrezeptoren (iGluRs) erfasst, eine Rezeptorklasse, die für die Signalverarbeitung im Gehirn essenziell ist. Vor gut 20 Jahren wurde das menschliche Genom vollständig sequenziert. Seitdem sind auch die Sequenzinformationen für den Bau der Proteine bekannt – zumindest im Prinzip. Diese Information ist in den einzelnen Genen nämlich nicht kontinuierlich hinterlegt, sondern in kleinere codierende Abschnitte, die Exone, unterteilt. Sie werden erst beim sogenannten Spleißen zusammengesetzt. Dabei sind, je nach Gen, unterschiedliche Exon-Kombinationen möglich, man spricht daher von unterschiedlichen oder alternativen Spleißkombinationen.Nahezu alle 20.000 menschlichen Gene können alternativ gespleißt werden. Eine besonders hohe Vielfalt an verschiedenen Varianten findet sich im Gehirn – auf diese Weise kann die Funktion der Proteine ideal an die jeweiligen Erfordernisse angepasst werden. „Zu untersuchen, welche Proteinvarianten tatsächlich vorhanden sind, ist aber gar nicht so einfach“, so Reiner. „Einen Ausweg bietet die Sequenzierung von fertig gespleißten messenger-RNAs, kurz mRNAs, sogenannte RNA-Seq-Daten, die zunehmend in Hochdurchsatzverfahren gewonnen werden.“ Herbrechter und Reiner haben solche Daten nun genutzt, um die Spleißvarianten aller ionotropen Glutamatrezeptoren zu erfassen.Mithilfe bioinformatischer Methoden haben die Forscher Milliarden von mRNA-Sequenzschnipseln mit den Genom-Informationen abgeglichen und somit die Häufigkeit der einzelnen Spleißereignisse rekonstruiert. Auch neue, bislang unbekannte Spleißvarianten der untersuchten Glutamatrezeptoren konnten so detektiert werden. Überraschungen gab es dabei gleich eine ganze Reihe: So zeigte die systematische Analyse, dass einige Varianten, die in den bislang untersuchten Modellorgansimen Maus und Ratte gefunden wurden, im Menschen gar nicht vorkommen oder viel weniger häufig sind als bislang angenommen.„Besonders spannend sind einige neue Isoformen, die sich zum Teil stark von den bisher bekannten Varianten unterscheiden und völlig neue Funktionen haben könnten“, so Herbrechter. Dazu gehört eine Proteindomäne, die vom Gen des AMPA-Rezeptors GluA4 gebildet wird, sowie die erstmalige Beschreibung einer Isoform des Delta-Rezeptor 1 (GluD1). Die Untersuchung dieser Varianten wird nun im Fokus stehen, aber auch weitere bioinformatische Analysen sind geplant, zum Beispiel um zu bestimmen, in welchen Zelltypen die verschiedenen Spleißvarianten exprimiert werden.Förderung: Die Forschungsarbeiten wurden durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen des NRW-Rückkehrprogramms gefördert.