Exoskelett und Elektrostimulation: Nach dem Schlaganfall schnell wieder bewegen

Wolfgang K. ist einer der 24 Patientinnen und Patienten, die das neue System aus Exoskelett und Elektrostimulation für eine Studie bereits getestet haben. Im Hintergrund: Hossein Kavianirad (l.) und Neha Das, Forschende aus dem Lehrstuhl von Prof. Sandra Hirche. (Foto: © Sabrina Bauer / TUM)

Forschende der Technischen Universität München (TUM) haben ein System entwickelt, mit dem Patienten schon kurz nach einem Schlaganfall wieder lernen können, von Lähmungen betroffene Arme und Hände zu bewegen. 24 Schlaganfall-Betroffene haben das System in der Schön Klinik Bad Aibling bereits getestet.

Durch funktionale Elektrostimulation (FES) regt das System gezielt Muskeln im Unterarm an. Das ist etwa nötig, um Finger zu bewegen, Dinge zu greifen oder Bälle zu fangen. Da bei einer halbseitigen Lähmung nach einem Schlaganfall in der Regel jedoch nicht nur die Hand betroffen ist, sondern die gesamte Körperseite, unterstützt ein Gerüst zusätzlich den gesamten Arm bis zur Schulter.

Modulares System mit Computerspiel

24 Schlaganfall-Betroffene haben das Gesamtsystem aus einem Exoskelett für Arm und Schulter in Kombination mit der FES im Rahmen des Forschungsprojektes ReHyb bereits eingesetzt – die Hälfte von ihnen in der Schön Klinik Bad Abling Harthausen, die die Leitung der Studie übernommen hatte. Um das Greifen und Bewegen des Arms sehr schnell nach dem Schlaganfall zu trainieren, setzen die Forschenden zudem auf ein Computerspiel, das sich im Schwierigkeitsgrad automatisch an die Fähigkeiten der Nutzenden anpasst: Auf einem Bildschirm kommen Bälle in verschiedenen Farben und Geschwindigkeiten auf die Patienten zugeflogen. Die Aufgabe besteht darin, die Bälle zu fangen und den entsprechenden verschiedenfarbigen Fächern zuzuordnen.

Digitaler Zwilling als Erfolgsgeheimnis

Im Zentrum der Entwicklung von TUM-Professorin Sandra Hirche steht ein digitaler Zwilling, der die individuellen Voraussetzungen jedes einzelnen Patienten erfasst und in einen Regelkreis bringt. Unter anderem müssen die Forschenden bestimmen, wie gut der jeweilige Patient Arm und Hand bewegen kann. Denn wie stark die Signale, die vom Gehirn bis zur Muskulatur im Unterarm weitergeleitet werden, nach dem Schlaganfall beeinträchtigt sein werden, lässt sich nicht pauschal vorhersagen. Dem wird das System gerecht, indem „einzelne Muskelstränge in der Unterarmmuskulatur sich im richtigen Maße anregen lassen, um Hand und Finger zu bewegen“, erklärt die Forscherin vom Lehrstuhl für Informationstechnische Regelung.

Neben Informationen zur Muskelaktivität im Unterarm müssen die Forschenden auch wissen, wie stark die Muskulatur stimuliert werden und wie stark das Exoskelett assistieren sollte. „Mithilfe von Algorithmen bringen wir diese individuellen Informationen in einem Regelkreis zusammen“, erklärt Hirche. Dieser digitale Zwilling ist also nötig, um die Bewegung von Arm und Hand bei betroffenen Menschen individuell zu unterstützen.

Modulares System als Heimtrainer

Hirche spricht von einer intentionsgesteuerten intelligenten Regelung, da Patienten sich mithilfe dieser Technologie nach einem Schlaganfall wieder ein Stück weit so bewegen können, wie sie es wollen. Und auch Carmen Krewer, Teamleiterin der Forschungsgruppe beim Kooperationspartner Schön Klinik aus Bad Aibling, ist begeistert: „Ein derart modulares System mit Elektrostimulation und Exoskelett gab es bisher noch nicht. Zudem ermöglicht es Betroffenen, auch ohne Unterstützung anderer zu Hause weiter zu trainieren.“