SLE: CAR-T-Zellen erstmals erfolgreich gegen Autoimmunerkrankung eingesetzt11. August 2021 Illustration: ©gritsalak – stock.adobe.com/©dizain – stock.adobe.com Mit Gelenkschmerzen und einem roten Gesichtsausschlag fing es an: Die damals 16-jährige Patientin hatte bereits mehrere ärztliche Untersuchungen in drei Städten hinter sich, als sie im Februar 2017 am Universitätsklinikum Erlangen die Diagnose erhielt: Systemischer Lupus erythematodes (SLE). Bei der lebensbedrohlichen Autoimmunerkrankung, die vor allem junge Frauen betrifft, greift das Immunsystem eigene Körperzellen in verschiedenen Organsystemen an. Nachdem unterschiedliche immununterdrückende Therapien die Symptome der an SLE* erkrankten jungen Frau nicht nachhaltig verbessern konnten, wurde der Patientin von Forschenden des Deutschen Zentrums Immuntherapie (DZI) des Uni-Klinikums Erlangen im März 2021 ein Präparat mit CAR-T-Zellen verabreicht. Knapp ein halbes Jahr nach der Zelltherapie ist nun gewiss: Der Organismus der 20-Jährigen hat sich komplett erholt. Die Forschungsergebnisse wurden am 5. August 2021 im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht.Das Immunsystem unterscheidet in der Regel zwischen fremden und körpereigenen Zellen. Dabei wird das Eigene toleriert und das Fremde angegriffen, um den Organismus beispielsweise vor Viren und Bakterien zu schützen. „Beim SLE spielen Teile des Immunsystems verrückt und bilden Antikörper gegen die eigene Erbsubstanz, was unweigerlich zu schweren Entzündungsreaktionen in den Organen führt“, erklärt Prof. Georg Schett, Direktor der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie des Uni-Klinikums Erlangen. In der schlimmsten Phase der Erkrankung musste die Fachoberschülerin jeden Tag knapp 20 Tabletten einnehmen, damit ihr Körper die Strapazen ihres fehlgeleiteten Immunsystems kompensieren konnte. Mit dem Rücken zur Wand„Wir standen mit dem Rücken zur Wand“, sagt Prof. Gerhard Krönke, Oberarzt der Medizin 3. Alle Therapien, die darauf abzielten, das fehlgesteuerte Immunsystem der jungen Patientin zu unterdrücken, scheiterten. Aufgeben war für das behandelnde Team an dieser Stelle jedoch keine Option und die Forschenden brachten die CAR-T-Zellen in Spiel.„‚CAR‘ steht für den ‚chimären Antigenrezeptor‘ und bezeichnet einen künstlichen Rezeptor“, erklärt Prof. Andreas Mackensen, Direktor der Medizinischen Klinik 5 – Hämatologie und Internistische Onkologie. „Immunzellen, also T-Zellen der Patientin, wurden im Labor mithilfe eines gentechnischen Verfahrens mit dem CAR ausgestattet. Dieser erkennt spezielle Antigene auf der Oberfläche der Zielzellen und zerstört diese. Die Zelltherapie mit CAR-T-Zellen wird bei der Behandlung von Leukämien und Lymphdrüsenkrebs bereits erfolgreich eingesetzt.“ Im Falle der jungen SLE-Patientin wurde den CAR-T-Zellen die Fähigkeit beigebracht, diejenigen Immunzellen (B-Zellen) unschädlich zu machen, die Antikörper gegen körpereigene Zellen bilden.Schnelle Besserung dank CAR-T-ZellenIm März 2021 erhielt die junge Frau als weltweit erste Patientin mit SLE CAR-T-Zellen. „Wir waren sehr überrascht, wie schnell sich ihr Zustand unmittelbar nach der Zellinfusion besserte“, berichtet Prof. Dimitrios Mougiakakos, Oberarzt der Medizin 5. „Die CAR-T-Zellen haben ihre Aufgabe ausgezeichnet erledigt und haben die krankheitsvermittelnden B-Zellen rasch zerstört. Zusammen mit den Antikörpern gegen die eigene Erbsubstanz verschwanden auch alle Krankheitssymptome des SLE.“ Die Patientin konnte alle immununterdrückenden Medikamente inklusive Kortison absetzen. Sie ist nun seit knapp einem halben Jahr vollkommen beschwerdefrei, bisher gibt es keine Anzeichen für ein erneutes Auftreten der Erkrankung. „Wir sehen dies als Meilenstein in der Therapie von Autoimmunerkrankungen“, so die beteiligten Wissenschaftler. Sie planen nun eine klinische Studie mit CAR-T-Zellen bei Patientinnen und Patienten mit Autoimmunerkrankungen.Die Arbeit zur Behandlung mit CAR-T-Zellen wurde durch die Sonderforschungsbereiche SFB1181 (Schaltstellen zur Auflösung von Entzündung) und SFB/TRR221 (Steuerung der Transplantat-gegen-Wirt- und Transplantat-gegen-Leukämie- Immunreaktionen nach allogener Stammzelltransplantation) der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.Systemischer Lupus erythematodes (SLE): Bei Lupus erythematodes handelt es sich um eine seltene chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die vor allem junge Frauen im gebärfähigen Alter betrifft. Die Krankheit ist weltweit verbreitet, aber selten. Insgesamt tritt die Autoimmunerkrankung bei etwa 50 von 100.000 Menschen auf. Dabei werden zwei Hauptformen unterschieden: Kutaner Lupus erythematodes (CLE) und Systemischer Lupus erythematodes (SLE). CLE betrifft nur die Haut mit typischen schmetterlingsförmigen Hautveränderungen an der Sonne ausgesetzten Körperstellen, vor allem um die Augen herum. SLE wirkt sich zusätzlich auch auf innere Organe aus. In Einzelfällen kann der Lupus tödlich enden. Die Krankheitsursachen sind noch nicht völlig aufgeklärt. Experten gehen von einer genetischen Veranlagung in Kombination mit vor allem UV-Licht und hormonellen Einflüssen aus.Deutsches Zentrum Immuntherapie (DZI): Das Deutsche Zentrum Immuntherapie wurde im Februar 2018 in Erlangen gegründet. Ziel des DZI ist es, chronisch-entzündliche Erkrankungen und Krebserkrankungen durch gezielte Immuntherapien erfolgreich zu behandeln. Dabei verfolgt das DZI drei zentrale Aufgabenbereiche: die Entwicklung und Anwendung von gezielten Immuntherapien, die Etablierung neuer Diagnoseverfahren zur Krankheitserkennung und Therapieüberwachung sowie den Einsatz modernster, digitaler Gesundheitstechnologien. Das DZI ermöglicht durch die Kombination dieser drei synergistischen Aufgabenbereiche eine individuell gezielte Immuntherapie für Krebspatientinnen und -patienten sowie Patientinnen und Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen. *Anm. d. Red.: SLE kann auch mit zahlreichen Augenbeteiligungen einhergehen.
Mehr erfahren zu: "Myopie: Luftverschmutzung kann dem Sehvermögen von Kindern schaden" Myopie: Luftverschmutzung kann dem Sehvermögen von Kindern schaden Eine neue Studie zeigt, dass Luftverschmutzung das Sehvermögen von Kindern beeinträchtigen kann. Saubere Luft hingegen trägt dazu bei, die Sehkraft zu schützen und sogar zu verbessern – insbesondere bei jüngeren […]
Mehr erfahren zu: "Mehr Transparenz und Sichtbarkeit für Klinische Studien in NRW" Mehr Transparenz und Sichtbarkeit für Klinische Studien in NRW Wo bislang eine uneinheitlich dokumentierte Studienlage herrschte, soll künftig die Informationsplattform „Klinische Studien in NRW“ einen zentralen Überblick ermöglichen.
Mehr erfahren zu: "Warum Frauen länger leben: Ein Blick in die Evolution der Lebensspanne" Warum Frauen länger leben: Ein Blick in die Evolution der Lebensspanne Aktuelle Forschungsergebnisse des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig liefern neue Erkenntnisse zu einem seit Langem bestehenden Rätsel der Biologie: Warum altern Männer und Frauen unterschiedlich?