Smartphones als Augenspiegel: DR-Screening per Telemedizin in Indien12. Juli 2019 Dr. Maximilian Wintergerst (Mitte) mit den Kooperationspartnern der Augenklinik in Bangalore: Dr. Kaushik Murali (2.v.l.), Dr. Mahesh Shanmugam (2.v.r.), Dr. Divyansh Mishra (r.) und Dr. Payal Shah (l.). Foto: © Augenklinik / UK Bonn Die Bonner Universitäts-Augenklinik hat gemeinsam mit der Sankara Eye Foundation (Indien) ein Projekt initiiert, das ein Smartphone-basiertes, telemedizinisches Screening zur Erkennung von Diabetischer Retinopathie (DR) etablieren soll. In Südindien ist nach Angaben der Uni-Augenklinik Bonn rund jeder zehnte Mensch zuckerkrank. Etwa jeder Dritte leidet an der Folgeerkrankung DR. Unbehandelt ist DR häufig Ursache für Sehbehinderung und Blindheit. Umso wichtiger ist die Früherkennung, um rechtzeitig einzuschreiten. Doch für Diabetiker, die in Indien auf dem Land oder in ärmeren Vierteln der Städte leben, fehlt es an ausreichender augenärztlicher Versorgung. Daher hat die Augenklinik am Universitätsklinikum Bonn in Kooperation mit der Sankara Eye Foundation ein Projekt zur Einführung eines einzigartigen Smartphone-basierten, telemedizinischen DR-Screenings gestartet. Im Rahmen einer Klinikpartnerschaft haben sie eine Förderung in Höhe von rund 50.000 Euro vom Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit und der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung über zwei Jahre erhalten. Die DR ist weltweit die häufigste Ursache für Erblindung im erwerbsfähigen Alter. Millionen von Menschen drohen in Entwicklungs- und Schwellenländern dadurch eine Seheinschränkung zu erleiden, da es an Möglichkeiten einer frühen Diagnose und Behandlung mangelt. „Bislang gibt es in Entwicklungs- und Schwellenländern allerdings oft keine Untersuchungen, um Diabetische Retinopathie festzustellen“, sagt Dr. Maximilian Wintergerst, Arzt an der Augenklinik des Universitätsklinikums Bonn und Projektleiter in Deutschland. “Ein erschwingliches und leicht durchführbares Screening-Verfahren zur Früherkennung wäre sehr hilfreich, um die augenärztliche Versorgung zu verbessern”, so Prof. Robert Finger, Ko-Leiter des Projektes. Einen möglichen Ansatz sehen die Bonner Augenärzte in der Smartphone-basierten Funduskopie. Mit der Smartphone-Kamera ins Auge sehen Diese äußerst mobile und kostengünstige Art der Augenhintergrundspiegelung testeten sie bereits vor zwei Jahren im Rahmen einer Pilotstudie zusammen mit der Sankara Eye Foundation in Südindien. Dort untersuchte Wintergerst zusammen mit dem Team des Sankara Eye Hospitals in Bangalore 200 Patienten mit Diabetes. Mit umgerüsteten Smartphones nahmen sie Bilder vom Augenhintergrund auf. Dazu fokussiert ein Adapter den Strahlengang der Kamera und der Beleuchtungsquelle so, dass die Mobiltelefone als Ophthalmoskop eingesetzt werden können. Ergebnis der Studie war, dass mit allen vier getesteten Smartphone-basierten Verfahren die Augenhintergrund- Untersuchung möglich ist. „Wir haben somit ein leicht zugängliches sowie sehr kostengünstiges Verfahren“, sagt Wintergerst. Ziel der zweijährigen Förderung ist die Etablierung eines telemedizinischen DR-Screenings in den ärmeren Stadtvierteln von Bangalore und der ländlichen Umgebung. Der Smartphone-Augenspiegel ist schnell und einfach zusammengebaut, sodass geschultes, nicht ärztliches Personal fernab eines medizinischen Zentrums Aufnahmen von einer Netzhaut machen kann. Ein weiterer Spareffekt entsteht dadurch, dass ein Augenarzt die vom Smartphone per Internet zu ihm ins Krankenhaus gesendeten Bilder direkt auswerten kann. So kann sofort zurück gemeldet werden, ob der Patient eine DR hat und eine Behandlung notwendig ist. Nachhaltiger Wissenstransfer Jetzt war Wintergerst für eine Woche in Indien, um am Sankara Eye Hospital in Bangalore zusammen mit Dr. Kaushik Murali und Dr. Mahesh Shanmugam, den Kollaborationspartnern vor Ort, erste Vorbereitungen zu treffen. Auch begann er mit der Schulung von 20 Optometristen in der Smartphone-basierten Funduskopie. „Wichtig ist uns ein nachhaltiger Wissenstransfer, sodass die telemedizinischen Screenings langfristig nach dem Projektende weitergeführt werden können“, sagt Wintergerst. Zudem kommen sechs Augenärzte und Mitarbeiter des Sankara Eye Hospitals Bangalore an die Augenklinik des Universitätsklinikums Bonn. Am dortigen GRADE Reading Center Bonn führen hiesige Experten für systematisch standardisierte Bildanalyse die indischen Kollegen in die speziellen Anforderungen ein, die sich bei der Auswertung von Fundusbildern ergeben, die mittels Smartphone aufgenommen wurden. Auch vermitteln sie Kenntnisse für den Betrieb eines telemedizinischen Reading-Centers. In den nächsten zwei Jahren wird Wintergerst mehrfach nach Südindien reisen, um die Schulungen am Sankara Eye Hospital und die Screening-Camps zu betreuen. Für den Fall, dass alles gut funktioniert, hat er zusammen mit den Kollaborations-Partnern aus Indien eine große Vision: „Eine Ausweitung des telemedizinischen DR-Screening-Programmes auf weitere Krankenhäuser der Sankara Eye Foundation mit dem in Bangalore etablierten telemedizinischen Reading Center als koordinierendes Zentrum. Dies könnte die augenärztliche Versorgung für viele Menschen mit Diabetes, insbesondere in ländlichen Gebieten mit schlechter medizinischer Infrastruktur deutlich verbessern.“ Auch sieht Wintergerst das Potenzial, dass dieses telemedizinische Screening-Konzept, wenn es erfolgreich ist, auf andere Schwellen- und Entwicklungsländer übertragen werden könnte. Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
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