Spermienkonkurrenz: ein zusätzlicher Grund für das schnelle Aussterben der Neandertaler?

Neandertaler lebten in kleineren Gruppen als moderne Menschen. Bild (KI-generiert: fotoyou – stock.adobe.com

Neandertaler verschwanden erstaunlich schnell, nachdem anatomisch moderne Menschen ihren Lebensraum in Europa und Westasien besiedelten. Unterschiede in der Spermienkonkurrenz zwischen Neandertalern und modernen Menschen wurden nun als zusätzliche Erklärung aufgeführt.

Viele verschiedene Hypothesen wurden aufgestellt, um das Aussterben der Neandertaler zu erklären: Unterschiede im Stoffwechsel, in der Demographie, bei der Nutzung von Feuer und auch die Jagd mit domestizierten Hunden wurden erörtert. Aufgrund des Konkurrenz-Ausschluss-Prinzips hätten vermutlich nicht beide Arten, Neandertaler und moderne Menschen, auf Dauer im gleichen Gebiet leben können, aber warum setzten sich moderne Menschen durch? Krankheitserreger, Klima- und Vegetationsänderungen sowie auch Vulkanausbrüche wurden als mögliche Ursachen diskutiert. Durch genetische Studien ist mittlerweile gesichert, dass sich Neandertaler und moderne Menschen vermischt haben. Daher geht man heute von Assimilation aus, heutige Europäer haben demzufolge Neandertaler-Gene in ihrem Erbgut, wenn auch nur wenige Prozente.

Die Schnelligkeit des Verschwindens der Neandertaler ist dennoch erstaunlich. Wissenschaftler von der Hochschule Koblenz und der University of St. Andrews in Großbritannien argumentieren nun, dass Vorteile des modernen Menschen in der Spermienkonkurrenz wichtig gewesen sein und zur Schnelligkeit der genetischen Assimilation beigetragen haben können. Dieser Hypothese liegen zwei Befunde zugrunde: Neandertaler wie auch moderne Menschen waren im Pleistozän wahrscheinlich promiskuitiver und weniger monogam als heutige Populationen. Zudem waren die Gruppen der Neandertaler kleiner als die der modernen Menschen. Damit bieten sich Ansätze für statistische Modelle.

Wenn sich zwei Gruppen der beiden Arten begegneten, könnte alleine wegen der Gruppengröße für jede Frau (egal ob Neandertalerin oder moderne Frau) die Wahrscheinlichkeit für eine Paarung mit einem modernen Mann größer gewesen sein. Und je ausgeprägter die Promiskuität war, umso mehr Sexualpartner jeder Frau waren moderne Männer und keine Neandertaler. Darüber hinaus ist die Spermienkonkurrenz, zumindest bei gleichem Paarungssystem, bei in größeren Gruppen lebenden Arten stärker und Anpassungen an intensive Spermienkonkurrenz, wie z.B. größere Hoden, werden wahrscheinlicher. Jede Anpassung an die größere sexuelle Konkurrenz bei modernen Menschen würde die Vorteile hinsichtlich der Spermienkonkurrenz noch verstärken. Je größer die Vorteile in Bezug auf die Spermienkonkurrenz waren, umso weniger einwandernde moderne Menschen sind nötig, um die schnelle Assimilation zu erklären.

Wie die Wissenschaftler betonen, schließen sich Vorteile in der Spermienkonkurrenz und andere Erklärungen sich selbstverständlich nicht aus.

(Hochschule Koblenz / ms)