„Spezielle sektorengleiche Vergütung droht zum Papiertiger zu werden“

Zi-Vorstandsvorsitzender Dominik von Stillfried. Foto: Lopata/Axentis/Zi

Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) kritisiert in einer aktuellen Mitteilung die Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur speziellen sektorengleichen Vergütung. Diese nutze die Chancen der Ambulantisierung nicht ausreichend.

Das von der Regierungskoalition beschlossene Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) enthält den §115f SGB V, der „eine spezielle sektorengleiche Vergütung“ vorsieht, „die unabhängig davon erfolgt, ob die vergütete Leistung ambulant oder stationär erbracht wird“, so steht es im Gesetz. Jetzt hat das BMG einen Referentenentwurf für eine Ersatzvornahme vorgelegt, nachdem die gemeinsame Selbstverwaltung auf dem Verhandlungsweg keine Einigung erzielen konnte. Doch dieser Entwurf hat nach Zi-Einschätzung “zentrale Konstruktionsfehler”. Damit werde erneut eine Möglichkeit vergeben, die Ambulantisierung in Deutschland richtig voranzubringen, kommentiert Dr. Dominik von Stillfried, Vorstandsvorsitzender des Zi, in einer aktuellen Mitteilung.

Fehlanreize zur stationären Versorgung

„Die Preisunterschiede zu vollstationären DRGs sind so enorm, dass für Krankenhäuser ein erheblicher ökonomischer Anreiz besteht, die Patientinnen und Patienten weiterhin vollstationär und nicht sektorengleich zu versorgen“, konkretisiert er. Hintergrund ist, dass für die Definition und Kalkulation der Hybrid-DRGs eine Eingrenzung auf DRG-Fälle mit nur einem Belegungstag vorgenommen wurde, und damit der Rahmen, den §115f eröffnet, bei weitem nicht ausgeschöpft wurde. „Der Verordnungsgeber hat mit der Festlegung auf einen Belegungstag das Minimum gewählt. Das Parlament hatte jedoch – den Empfehlungen des Sachverständigenrats Gesundheit und des Gesundheitsökonomischen Zentrums der Universität Hamburg (HCHE) folgend – die Möglichkeit gegeben, Fälle mit bis zu drei Tagen Verweildauer einzubeziehen (sogenannte Kurzlieger). Folglich sollten für die Bestimmung und Berechnung von Hybrid-DRGs auch DRG-Fälle mit bis zu drei Belegtagen einbezogen werden und besondere Gründe für eine stationäre Behandlung, die sogenannten Kontextfaktoren, nur in Fällen berücksichtigt werden, die einen extrem hohen Ressourcenverbrauch bei einer Krankenhausbehandlung zur Folge haben“, so von Stillfried weiter. In der jetzigen Fassung der Rechtsverordnung können Krankenhäuser somit bereits ab der ersten Übernachtung zusätzlich Pflegekosten abrechnen.

Eine echte sektorengleiche Vergütung wird, nach Meinung von Stillfrieds, durch die Rechtsverordnung somit nicht erreicht. „Auch im vertragsärztlichen Bereich gibt es Einrichtungen, die Übernachtungsmöglichkeiten bieten. So rechnen bereits heute ca. 180 Praxen eine Nachbeobachtung von mindestens zehn Stunden ab. Sollte eine Übernachtung notwendig werden, sollte auch für vertragsärztliche Einrichtungen ein Pflegeentgelt in Höhe von 250 Euro abrechenbar sein, um eine echte sektorengleiche Vergütung zu erreichen.“

Hoher Pauschalierungsgrad 

Daneben kritisiert von Stillfried den enormen Pauschalierungsgrad der Hybrid-DRGs. „Es ist irritierend, dass die Verordnung offensichtlich in Unkenntnis der ambulanten Vergütungsstruktur erstellt wurde. Während im ambulanten Bereich eine aufwandsbezogene Differenzierung verschiedener Operationstechniken über bis zu sieben Kategorien erfolgt, werden diese nun in einer Hybrid-DRG zusammengewürfelt. Auch das führt zu Fehlanreizen, da daraus sehr lukrative Operationen auf der einen Seite und nicht kostendeckende Eingriffe auf der anderen Seite resultieren. Ähnlich verhält es sich in Bezug auf Sach- und Implantatkosten. Hier werden die zwanzig Jahre alten Fehler der DRG-Einführung wiederholt. Eine Orientierung an der Systematik des Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ambulante ärztliche Leistungen, in der Sach- und Implantatkosten gesondert abgerechnet werden, wäre sachgerecht.“

Außerdem werde der Entwurf der Rechtsverordnung dadurch belastet, dass vertragsärztliche Einrichtungen für die Abrechnung neue Softwaremodule kaufen sollen, heißt es weiter in der Zi-Mitteilung. Diese müssten damit “unter der Bürokratie von stationären Kodierrichtlinien leiden”, obwohl mit fünf Leistungsbereichen und zwölf Hybrid-DRGs “ein verschwindend kleiner Leistungskatalog” gewählt worden sei. „Damit droht die Verordnung insgesamt zum Papiertiger zu werden. Wenn die Ambulantisierung in Deutschland endlich vorankommen soll, muss die Rechtsverordnung an zentralen Stellen dringend überarbeitet werden. Dabei sollte baldmöglichst auch ein möglichst großer Teil der Krankenhausleistungen mit Hybrid-DRGs versehen werden, die in der Anlage 3 zur Rechtsverordnung sozusagen auf die Warteliste gesetzt worden sind“, so von Stillfried.

(Zi/ms)