Spitzenverband ZNS: Lippenbekenntnisse reichen nicht mehr

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Der Spitzenverband ZNS begrüßt, dass sich der 121. Deutsche Ärztetag in Erfurt in diesem Jahr der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen widmet, und fordert, die etablierten Gesprächsleistungen der ärztlichen ZNS-Fächer aufzuwerten.


Die Inanspruchnahme von Leistungen bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen hat in den letzten 20 Jahren sehr stark zugenommen. Diese Zunahme und die gleichzeitig bestehenden Versorgungsengpässe sind nach Einschätzung des Spitzenverbandes ZNS Folge einer jahrzehntelangen und systematischen Vernachlässigung der sprechenden Medizin. Das rein ärztliche Gespräch ohne technischen Einsatz werde von allen ärztlichen Leistungen am schlechtesten vergütet. So hätten Fachärzte für Psychiatrie oder für Psychosomatische Medizin innerhalb der Ärzteschaft im Vergleich zu allen anderen Fachgebieten weit unterdurchschnittliche Einkommen, kritisierte der Verband.

Die Versorgungsengpässe werden aufgrund von Fehlanreizen und Nachwuchsmangel in der Zukunft noch zunehmen, fürchtet der Spitzenverband. Die zum Teil auch politisch geforderte, unkritische Ausweitung der Psychotherapie sei keine Lösung dieses Versorgungsproblems. “Die Vorstellung, dass wir als Psychotherapeuten die Versäumnisse einer fehlgeleiteten Gesundheitspolitik lösen können, ist naiv und unrealistisch, selbst unter der Annahme, dass irgendwann jeder Bundesbürger eine Psychotherapie in Anspruch nimmt”, heißt es in einer Stellungnahme des Spitzenverbandes.

Psychotherapie eigne sich nicht als Teil eines medizinischen Reparaturbetriebes für gesellschaftliche und gesundheitspolitische Fehlentwicklungen. Die Zuwendung zum Patienten im ärztlichen und psychologischen Gespräch brauche den angemessenen Platz schon zu Beginn der Behandlung und könne nicht an eine Richtlinienpsychotherapie delegiert werden, deren Kapazitäten bei der Versorgung psychisch Kranker dringend gebraucht werden.

“Wir benötigen daher bereits in der Regelversorgung vorgesehene gestufte, und auch präventiv wirksame Versorgungsangebote mit intelligenten Anreizen, vor allem aber eine nicht budgetierte und ausreichende Vergütung ärztlicher Gesprächsleistungen, die der Versorgung psychisch und neurologisch Erkrankter den Stellenwert einräumt, den sie unstrittig hat. Nicht jeder unserer psychisch und psychosomatisch schwerkranken Patienten braucht Psychotherapie, aber alle brauchen unsere Zuwendung im fachärztlichen Gespräch – von Beginn an”, forderten die Experten.

Es sei daher höchste Zeit, von bloßen Lippenbekenntnissen hin zur konkreten Maßnahmen zu kommen. Der Spitzenverband ZNS fordert deshalb eine rasche und dauerhafte Verbesserung der Versorgung unter anderem dadurch, dass die etablierten Gesprächsleistungen der ärztlichen ZNS-Fächer (Neurologie, Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie) gegenüber der Richtlinienpsychotherapie aufgewertet werden und damit einerseits vorhandene und gut etablierte niedrigschwellige Behandlungsangebote früh eingesetzt werden können und andererseits aber auch die schwer und chronisch kranken Patienten dauerhaft gut versorgt werden können.