Stammzelltransplantation: Mechanismus für unerwünschte Abstoßungsreaktion identifiziert

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Nach einer Stammzelltransplantation im Zuge einer Leukämie mit vorangegangener Chemotherapie und Bestrahlung kommt es häufig zu teils schweren, entzündlichen Nebenwirkungen – insbesondere in der Haut oder im Darm, denn die Barriere-Organe sind davon häufiger betroffen. Nun hat ein Team der MedUni Wien unter der Leitung von Dr. Georg Stary und Dr. Johanna Strobl einen Mechanismus im Immunsystem identifiziert, der dafür mitverantwortlich ist.

Die Dermatologen der MedUni Wien konnten nachweisen, dass es gewebsständige und inaktive T-Zellen im eigenen Immunsystem gibt, die die Chemotherapie und Bestrahlung unbeschadet überstehen und noch über zehn weitere Jahre zwischen und unter den Epithelzellen der Haut überleben, während die zirkulierenden T-Zellen zerstört werden.

„Wir konnten zeigen, dass überlebende T-Zellen im Gewebe der Haut für die entzündlichen Reaktionen nach einer Stammzelltransplantation verantwortlich sind. Diese Phänomene treten binnen der ersten 100 Tage auf und können von leichten Ekzemen bis hin zu einer flächigen Fibrose, also zur Gewebeverhärtung, oder Blasenbildung auf der Hautoberfläche führen. Das heißt, die eigenen T-Zellen richten sich in negativer Weise nach der Stammzelltransplantation gegen den Empfänger.“

Die Erkrankung nennt man im Fachjargon auch „Spender-gegen-Empfänger-Reaktion (GvHD)“, hier konnte nun erstmals auch eine umgekehrte „Empfänger-gegen-Spender-Reaktion“ nachgewiesen werden.

Zudem gab es Fälle, in denen die vom Spender erhaltenen Zellen diese Reaktion noch „unterstützten“ und damit verstärkten. Die Betroffenen werden mit Cortison behandelt, was für diese, die ohnehin nach der Transplantation schon immunsupprimiert sind, zu einer weiteren schweren Belastung führt.

Bei Patienten, die keine Spender-gegen-Empfänger-Reaktion entwickeln, zeigten die nach der Behandlung verbliebenen gewebsständigen T-Zellen in der Studie übrigens sogar positive Effekte für den Empfänger, indem sie ihre Funktion zur Abwehr und zum Schutz von Infektionen wahrnahmen.

Die modellhaften Erkenntnisse der Studie könnten künftig in neue therapeutische Strategien münden, die dabei helfen, die unerwünschten und heftigen entzündlichen Reaktionen nach Stammzelltransplantationen zu vermeiden bzw. zumindest zu verringern, indem man bereits vorher die inaktiven T-Zellen des Empfängers manipuliert. Die Beeinflussung von gewebsständigen T Zellen kann darüber hinaus für andere chronisch-entzündliche Erkrankungen der Haut, wie Schuppenflechte oder Neurodermitis, zu neuen therapeutischen Ansätzen führen.

Publikation: Johanna Strobl, Ram Vinay Pandey, Thomas Krausgruber, Nadine Bayer, Lisa Kleissl, Bärbel Reininger, Pablo Vieyra-Garcia, Peter Wolf, Maaia-Margo Jentus, Margit Mitterbauer, Philipp Wohlfarth, Werner Rabitsch, Georg Stingl, Christoph Bock, Georg Stary. Science Translational Medicine 18 Nov 2020: Vol. 12, Issue 570, eabb7028„Long-term skin-resident memory T cells proliferate in situ and are involved in human graft-versus-host disease“ DOI: 10.1126/scitranslmed.abb7028