Stammzelltransplantation: Mehr Erfolg mit jüngeren Spendern20. November 2025 „Bei der Stammzellspende kann ein junges Spenderalter entscheidend sein“, betont Prof. Johannes Schetelig. „Junge Menschen können Leben retten, wenn sie sich als Stammzellspender:innen registrieren.“ Bild: © DKMS Bei der Allogenen Stammzelltransplantation (allo-HSZT) hat das biologische Spenderalter laut aktuellen Daten von der DGHO-Jahrestagung einen größeren Einfluss auf den Transplantationserfolg als bisher angenommen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir den etablierten Standard der Spenderauswahl neu bewerten müssen“, betont Prof. Johannes Schetelig, Abteilungsleiter Stammzelltransplantation am UK Dresden und Direktor für klinische Forschung bei der DKMS. Die gemeinnützige Organisation unterstützt Menschen mit Blutkrebs, betreibt Forschung und ermutigt Menschen ab 17 Jahren sich als Stammzellspender zu registrieren. Die Auswahl geeigneter Spender ist für die langfristige Heilung von Patienten nach einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (allo-HSZT) entscheidend. Primär gilt die Transplantation einer HLA-identischen Geschwister-Stammzellspende (Matched Sibling Donor, MSD) als erste Wahl. Sie ist mit einem geringen Risiko für das Versterben ohne Krankheitsrückfall (Non-Relapse-Mortality, NRM) sowie für Abstoßungsreaktionen wie die akute Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) verbunden. Dank verbesserter Matching-Strategien, optimierter Vorbehandlungen und neuer Optionen zur GvHD-Prophylaxe kommen auch nicht verwandte Spender in Frage, die HLA-kompatibel sind (Matched Unrelated Donors, MUDs), oder geringfügige HLA-Unterschiede (Mismatched Unrelated Donors, MMUDs) aufweisen. Auch Stammzelltransplantationen mit haploidenten Familienspendern, deren HLA-Merkmale nur teilweise übereinstimmen, sind möglich. Neben den HLA-Merkmalen rücken zunehmend auch andere Charakteristika zur Auswahl von Spendern in den Fokus. Vor mehr als fünf Jahren wurde auf Grundlage von mehr als 10.000 Patienten und ihren HLA-kompatiblen, nicht verwandten Stammzellspendern untersucht, welchen Einfluss biologisches Geschlecht, Alter und Blutgruppe haben könnten. Dabei zeigte sich, dass lediglich das Spenderalter in signifikanter Verbindung mit dem Überleben steht. Die Studie stellte fest, dass sich das Zwei-Jahres-Überleben pro zehn Jahre höherem Spenderalter um rund drei Prozent verringerte. Es folgten weitere Studien mit dem Ziel, eine belastbare, datenbasierte Entscheidungsgrundlage für die Auswahl optimaler Stammzellspender zu schaffen. Geringes Lebensalter neben HLA-Matching entscheidender Erfolgsfaktor Die aktuelle, von Schetelig et al. im Oktober 2025 im Fachmagazin „Leukemia“ veröffentlichte retrospektive Registerstudie bestätigt nun, dass das Alter der Spender für den Erfolg eine große Rolle spielt, und dies noch stärker als bisher angenommen. Die Ergebnisse zeigten, dass Patienten im Alter mehr als 50 Jahren mit myeloiden Krebserkrankungen bei einer allogenen Stammzelltransplantation bessere Überlebenschancen haben, wenn die Stammzellen von jungen, HLA-kompatiblen, nicht verwandten Spendern stammen als von älteren, HLA-identischen Geschwistern. „Weitere Studien müssen durchgeführt werden, um die dahinterliegende Biologie und die Unterschiede in der Immunrekonstitution zu verstehen“, so Schetelig. Die Ergebnisse könnten die klinische Praxis beeinflussen, in der aktuell häufig MSD ungeachtet des Alters vor MUD bevorzugt werden. Die Studie untersuchte 3460 Patienten mit Akuter myeloischer Leukämie (AML), myelodysplastischem Syndrom (MDS), myeloproliferativer Neoplasie (MPN) und MDS/MPN ab 50 Jahren, die eine erste allo-HSZT erhalten hatten. Die Patienten erhielten entweder eine Spende von einem MSD (1235) mit einem Alter von mindestens 50 Jahren oder einem MUD im Alter zwischen 18 und 35 Jahren (2225). Nach multivariabler Anpassung zeigte die MUD-Gruppe im Vergleich zur MSD-Gruppe eine signifikante Risikoreduktion: 14% beim ereignisfreien Überleben (EFS) (p=0,003) 18% beim Gesamtüberleben (OS) (p<0,001) 16% beim Rückfallrisiko (p=0,018) Der Einfluss auf das Überleben war dabei umso größer, je größer der Altersunterschied zwischen zwei Spendern war. Auch Geschlecht und CMV-Status spielen eine Rolle Neben dem Alter wurden in der Studie von Schetelig et al. auch das Geschlecht und der Cytomegalievirus (CMV)-Status untersucht. Dabei wurde eine vorteilhafte Konstellation definiert, wenn der CMV-Serostatus von Spender und Patient übereinstimmt und keine weibliche Spenderin für einen männlichen Patienten spendete. Die Ergebnisse zeigten, dass bei vorteilhafter Konstellation das EFS und OS der Patienten bei HLA-kompatiblen jungen nicht verwandten Spendern signifikant besser war als bei älteren Geschwisterspendern. Wenn die jungen Fremdspender eine ungünstige Konstellation aufwiesen, waren die Überlebenschancen für die Patienten so gut wie bei älteren Geschwisterspendern. „Man kann also Fremdspender:innen wählen, ohne dass es Nachteile gibt“, so das Fazit von Schetelig. Neue Erkenntnisse aus der HAMLET-Studie: haploidentisch versus mismatched Auch die noch nicht publizierte HAMLET-Studie (HAploidentical versus Mismatched UnreLatEd donor Transplantation) der DKMS, deren Ergebnisse Schetelig erneut bei der Poster-Session der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) vorstellte, widmete sich der Fragestellung, welche Faktoren für die Auswahl der Spender entscheidend sind. In der Studie (DGHO 2025; P492) konnte kein relevanter Unterschied zwischen haploidentischen Familienspendern und nicht verwandten Spendern mit einem Mismatch (MMUD, 9/10 mismatch) festgestellt werden. Die prospektive Studie konzentrierte sich auf Patienten mit AML/MDS und Akuter lymphatischer Leukämie (ALL), die weder HLA-identische Geschwisterspender noch HLA-kompatible Fremdspender hatten. Die Studiendaten zeigten auch für nicht vollständig kompatible Spender einen Alterseffekt: Patienten mit jüngeren Spendern wiesen eine bessere Zwei-Jahres-Überlebensrate auf. „Der Einfluss anderer HLA- und Nicht-HLA-Faktoren muss weiter untersucht werden, um die Auswahl des besten Spenders für einen Transplantatempfänger zu ermöglichen“, betont Schetelig. Trotz zahlreicher Studien zum Thema sind diese laut Schetelig nicht ausreichend, um die Auswahlentscheidung in der Praxis hinreichend abzubilden. „Im Klinikalltag geht es vor allem um die Dringlichkeit der Transplantation und die Verfügbarkeit der Spender:innen. Vor diesem Hintergrund kann der Verwandtschaftsgrad trotzdem stark im Fokus stehen.“ Ziel aktueller Forschung sei außerdem besser zu verstehen, warum Stammzellen von jungen Spendern von Vorteil sind. Ist es die Stammzell-Fitness oder die Übertragung des jungen Immunsystems? Fakt ist: „Bei der Stammzellspende kann ein junges Spenderalter entscheidend sein“, betont Schetelig. „Junge Menschen können Leben retten, wenn sie sich als Stammzellspender:innen registrieren.“ Über die HAMLET-Studie Im Rahmen der HAMLET-Studie wurden 98 erwachsene Patienten mit Hochrisiko AML, ALL oder MDS 1:1 randomisiert und erhielten eine haploidentische Familienspende und 50 mg/kg PTCy an den Tagen +3 und +4 oder eine Spende von mismatched nicht verwandten Spendern (MMUD − einzelne Nichtübereinstimmung bei HLA-A, -B, -C oder -DRB1) und 10 mg/kg ATG an den Tagen -1 bis -3. Die Studie wurde aufgrund der langsamen Rekrutierung nach 98 Patienten, die zwischen Februar 2018 und April 2023 aufgenommen worden waren, abgebrochen. Der primäre Endpunkt war das OS. Für die Analyse des primären Endpunkts wurde eine Hazard Ratio (HR) von 0,85 für MMUD gegenüber haploidentischen Familienspenden als Nichtunterlegenheitsgrenze festgelegt und bei einem einseitigen Signifikanzniveau von 5% getestet.
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