Stationär erworbene Pneumonie: Nicht nur Ältere, nicht nur auf der ICU

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Seit Langem bringt man stationär erworbene Pneumonien mit der älteren Patienten und Intensivstationen (ICU) in Verbindung. Laut einer multizentrischen landesweiten Studie aus den USA jedoch tritt die im Krankenhaus erworbene, nicht mit einer beatmungsassoziierte Lungenentzündung (NV-HAP) in allen Abteilung in amerikanischen Krankenhäusern aller Arten und Größen auf. Dabei ist jeder Patient – auch der jüngere – einem höheren Risiko für eine solche Infektion ausgesetzt.

Die im “American Journal of Infection Control” (AJIC) veröffentlichten Ergebnisse fußen auf Patientendaten aus 21 US-Krankenhäusern für das Jahr 2014. Herangezogen für die Analyse wurden zudem demografische Daten, Outcomes und dokumentierte Präventivmaßnahmen.

Das Forschungsteam identifizierte 1300 Patienten, die sich eine NV-HAP zuzogen, und verzeichnete eine NV-HAP-Inzidenzrate von 0,12-2,28 Fällen pro 1000 Patiententage. Die Studie ist laut ihren Autoren eine der ersten, die den Zusammenhang zwischen einer NV-HAP und einem höheren Lebensalter widerlegt und kehrt die bisher vertretenen Vorstellungen um, dass Patienten auf der Intensivstation das größte Risiko für eine Lungenentzündung haben.

Laut den Ergebnissen der Studie machen Patienten unter 65 Jahren die Hälfte der NV-HAP-Fälle aus, sowohl innerhalb als auch außerhalb der chirurgischen Abteilungen der Krankenhäuser. Etwa sieben von zehn (70,8%) NV-HAP-Fällen entwickelten sich außerhalb der Intensivstation. Davon wurden 43,1 Prozent in medizinisch-chirurgischen Abteilungen erworben, 8,5 Prozent in der Telemetrie, 7,2 Prozent auf Pflegestationen, 4,9 Prozent in der Onkologie und 2,8 Prozent in der Orthopädie erworben.

Fast sechs von zehn Patienten (57,7%) blieben länger als 15 Tage im Krankenhaus. Von den auf die Intensivstation verlegten Patienten blieben vier von zehn (40,8 Prozent) länger als 20 Tage im Krankenhaus. Von den identifizierten 1300 Fällen wurden 19,3 Prozent innerhalb von 30 Tagen wieder ins Krankenhaus eingeliefert. Patienten auf der Intensivstation bleiben in der Regel länger im Krankenhaus und sind einem höheren Sterberisiko ausgesetzt.

27,3 Prozent der Patienten entwickelten eine NV-HAP auf der Intensivstation, was darauf hindeutet, dass die Patienten dort trotz präventiver Maßnahmen zur Bekämpfung einer beatmungsbedingten Lungenentzündung an einer stationär erworbenen Pneumonie erkranken.

Das Lungenentzündungsrisiko kann durch vorbeugende Maßnahmen minimiert werden. Doch wie die Forscher herausfanden, mangelt es in der Patientenversorgung während eines Krankenhausaufenthaltes oft an grundlegenden Maßnahmen zur Prävention einer Lungenentzündung. Bei 58,6 Prozent der Patienten, bei denen eine NV-HAP diagnostiziert wurde, wurde keine Mundpflege durchgeführt und bei 81,8 Prozent wurde kein Incentive-Spirometer eingesetzt. Bei 67,4 Prozent wurden keine Atemübungen durchgeführt und nur 28,7 Prozent der Patienten hatten innerhalb der 24 Stunden vor der Pneumoniediagnose zwei- oder mehrmals ihr Bett verlassen.

Die Standardisierung von Protokollen für die Prävention könne dazu beitragen, die Rate der NV-HAP zu senken, so ein weiteres Ergebnis der Studie. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2012, die in einem Krankenhaus durchgeführt wurde, reduzierten evidenzbasierte Protokolle zur NV-HAP-Prävention für Akutpatienten die Rate von NV-HAP von 0,5 auf 0,3. Dies rettete schätzungsweise acht Leben, sparte 1,72 Millionen Dollar an Kosten und 500 Tage zusätzlicher Krankenhausaufenthalte während des Untersuchungszeitraumes. Bis zum Jahr 2014 senkten diese Maßnahmen die Zahl der NV-HAP-Fälle um 70 Prozent und sparte so 5,9 Millionen Dollar an NV-HAP-bezogenen Kosten ein.

“Die NV-HAP unterscheidet nicht: Alle Patienten auf allen Krankenhausstationen sind einem Risiko für Lungenentzündung ausgesetzt”, sagt Dr. Dian Baker, von der California State University School of Nursing, Hauptautorin der Studie. “Laut unserer Voraussage können Krankenhäuser mit den richtigen Maßnahmen zur Halbierung der NV-HAP-Raten beitragen und so etwa 10.000 Menschenleben jährlich retten und die Zahl der Krankenhaustage um 490.000 senken und die Kosten pro Jahr um 2,43 Milliarden Dollar reduzieren.”