Stellenwert der Rehabilitation bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen

Abb. 1: Mutilierende Handgelenk- und Fingerdeformitäten bei Rheumatoider Arthritis. (Bild: Keysser)

Neben der ambulanten Versorgung, akutstationären Maßnahmen und Selbsthilfegruppen kommt der Rehabilitation von Personen mit entzündlichen Rheuma­erkrankungen ein hoher medizinischer, aber auch sozialmedizinischer und sozioökonomischer Stellenwert zu. Ein Überblick zu Krankheitsbildern und zur Diagnostik sowie über den Zugang zur sowie Ziele und Inhalte von Rehabilitation.

Die Gruppe der entzündlich-rheumatischen Gelenkerkrankungen beziehungsweise der entzündlich-rheumatischen System­erkrankungen, die die Gelenke mit­betreffen können, umfasst mehr als 400 verschiedene Krankheitsbilder. In der medizinischen Rehabilitation und bei der sozialmedizinischen Leistungs­beurteilung spielt naturgemäß die Ausprägung der Gelenkschädigungen eine wichtige Rolle. Allerdings muss auch die sogenannte entzündliche Aktivität beachtet werden, die zu einer allgemeinen Leistungsminderung führen kann. Im Falle von sogenannter „Organbeteiligung“ (z. B. Augen, Haut, Innere Organe) kann dies Auswirkungen auf das Leistungsvermögen haben. Des Weiteren spielen äußere Einflüsse, wie Klimafaktoren, Schichtarbeit et cetera, eine Rolle in der Beurteilung. Letztlich müssen bei jedem Patien­ten im Einzelfall der Rehaplan und die Gesamtbeurteilung des Leistungsvermögens all diese Faktoren berücksichtigen.
Zugang zu Rehamaßnahmen

Die Durchführung einer stationären (oder teilstationären) Rehabilitation setzt gemäß den Statuten der Rentenversicherung (SGB IX) voraus, dass neben dem Vorhandensein einer entsprechenden Rehadiagnose Rehafähigkeit besteht, die Erwerbsfähigkeit gefährdet ist und die ambulanten Maßnahmen „ausgeschöpft“ sind [1,2]. Bei Nichterwerbstätigen ist in der Regel die (Gesetzliche) Krankenkasse der Kostenträger, auch in diesem Fall muss vorab ein Reha-Antrag gestellt und genehmigt werden. Eine Sonderform ist die Anschlussheilbehandlung (AHB), die an eine akutstationäre Krankenhausbehandlung angeschlossen werden kann.

Häufig in der Praxis

Abb. 2: Vorfußdeformität bei Psoriasisarthritis. (Bild: Keysser)

Die klassische „Rheumaerkrankung“ ist die Rheumatoide Arthritis (Abb. 1). Sie betrifft mehr Frauen als Männer und tritt häufig in der zweiten Lebenshälfte auf. Prädilektionsstellen sind die Hände und Füße und hier insbesondere die Metatarsophalangeal- und die Metacarpophalangealgelenke. Üblicherweise treten diese Veränderungen symmetrisch auf und gehen einher mit Morgensteifigkeit und erhöhten Entzündungswerten. Abzugrenzen davon sind Veränderungen im Rahmen einer Psoriasisarthritis (Abb. 2), die häufig ein anderes Befallsmuster, nämlich einen sogenannten Strahlbefall verursachen. Eine weitere große Gruppe sind die Spondyloarthritiden, bei denen primär die Wirbelsäule und die Kreuzdarmbeingelenke, wie zum Beispiel beim klassischen „Morbus Bechterew“ (Abb. 3), betroffen sind. Allerdings können auch hier periphere Gelenke, häufig insbesondere die stammnahen Gelenke, wie Schulter- und Hüft­gelenke, betroffen sein. Eine Vielzahl von Krankheitsbildern aus der Gruppe der Kollagenosen sowie das Fibromyal­giesyndrom (chronifiziertes Schmerzsyndrom vom Fibromyalgietyp) sind ebenfalls häufige Rehadiagnosen.

Abb. 3: Eingesteifte Wirbelsäule bei HLAB-27 assoziierter Spondyloarthritis. (Bild: Keysser)

Diagnostik

Aufgabe der Rehabilitation ist nicht primär die Diagnostik und Einleitung spezifischer medikamentöser Therapien. Dies ist zumeist in der ambu­lanten Versorgung angesiedelt, bei schweren beziehungsweise akuten Verläufen auch in spezialisierten Akutkliniken.

Dennoch müssen auch in der Rehabilitation alle Möglichkeiten der Therapieüberwachung (Labor, Funktionsdiagnostik, Osteologie, Sono­graphie, Röntgen, etc.) verfügbar sein, insbesondere bei Anschluss­heilbehandlungen, bei denen die Patienten häufig mit neu eingeleiteten immunsuppressiven Therapien behandelt werden, was engmaschige Kontrollunter­suchungen erforderlich macht.

Nicht selten werden auch im Reha-Setting erst Diagnosen verifiziert und häufig müssen Therapieeinleitungen und -umstellungen der Basisthera­pien erfolgen.

Schwerpunkt der Rehabilitation ist jedoch der multimodale Therapie­ansatz.

Reha-Ziele und Reha-Inhalte

Neben beziehungsweise nach Einleitung medikamentöser Therapie­formen, hier insbesondere der spezifischen Therapien mit „Basis­therapien“ beziehungsweise DMARDs/Biologika und im Bedarfsfall rheumachirurgischen Maßnahmen hat der „multi­modale interdisziplinäre Therapie­ansatz“ der medizinischen Rehabilitation einen hohen Stellenwert.

Je nach Diagnose und „Befalls­muster“ stehen physiotherapeutische, balneo-physikalische und sporttherapeutische Maßnahmen im Vordergrund. Insbesondere bei Befall der Hand- und Fingergelenke spielt die Ergotherapie inklusive Hilfsmittel­versorgung, individuelle Schienen­anpassung und ADL-Training eine wichtige Rolle. Häufig kommen ­psychosoziale Belastungsfaktoren, Arbeitsplatzprobleme und Einschränkungen in der beruflichen und sozialen Teilhabe hinzu, sodass die psychologische Mitbetreuung, edukative Maßnahmen wie Patientenschulungen und die Beratung im Sozialdienst (Grad der Behinderung [GdB], Rentenberatung, Nachsorgemaßnahmen, Pflegegradbeantragung, berufliche Wiedereingliederungsmaßnahmen, …) einen hohen Stellenwert haben [3,4].

Neben der eigentlichen multimodalen Therapie während der Maßnahmen können hier auch Leistungsbeurteilungen erfolgen und es können entsprechende Maßnahmen empfohlen werden, die unter dem Begriff „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ (LTA) zusammengefasst sind. Dies kann von einfachen Hilfsmitteln über Weiterqualifizierungen, innerbetriebliche Umsetzung bis hin zu Umschulungsmaßnahmen eine Vielzahl von Elementen umfassen. Für Patienten mit besonderen beruflichen Problemstellungen wurde vor einiger Zeit die Sonderform der „MBOR“ (Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation) eingeführt, um trotz der gesundheitlichen Einschränkungen möglichst die Erwerbsfähigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen [4,5].

Fazit

Die Rehabilitation inklusive der sozial­medizinischen Leistungsbeurteilung von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Gelenkerkrankungen erfordert eine interdisziplinäre Sichtweise, um allen Facetten der zum Teil komplexen Krankheitsbilder gerecht zu werden. Je nach Ausprägung der entzündlichen Aktivität, Organbetei­ligung und/oder der strukturellen ­Veränderungen der Gelenke können Patienten im Idealfall weitgehend uneingeschränkt leistungsfähig sein beziehungsweise wieder werden. Trotz aller medikamentösen, konservativen und operativen Therapiemöglich­keiten können diese Erkrankungen jedoch auch weiterhin in bestimmten Fällen zum völligen Verlust der Leistungsfähigkeit und damit zur Erwerbsminderung führen. Um dem entgegenzuwirken, sind auch und gerade bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen regelmäßige Rehabilitationsmaßnahmen ein wichtiger Pfeiler des Behandlungskonzeptes.

Literatur:
1. Sozialmedizinisches Glossar DRV.
2. Leitlinie für die sozialmedizinische Begutachtung, DRV, August 2017.
3. Keysser P, Rahmeh B, Meurer Th. Sozialmedizinische Beurteilung der entzündlich-rheumatischen Gelenkkrankheiten. Arthritis + Rheuma 2019;39:324–326.
4. Stein V, Greitemann G. Rehabilitation in der Rheumatologie. In: Rehabilitation in Orthopädie und Unfallchirurgie, Springerverlag 2005, S. 258 ff.
5. Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, DRV, 7. Auflage, 2011.

Autoren: Dr. med. Peter Keysser, Thomas Meurer, Dr. Basam Rahmeh
Klinik Oberammergau
Abteilung Rehabilitation, Orthopädie und Rheumatologie
Waldburg-Zeil-Kliniken
Hubertusstr. 40, 82487 Oberammergau