„Stern“ erhebt schwere Vorwürfe gegen Charité – „Falsches Bild der Realität“13. September 2024 Campus Charité Mitte – Charitéplatz 1 (Friedrich-Althoff-Haus). Foto: Charité / Wiebke Peitz Das Magazin „Stern“ hat am 12.09.2024 unter dem Titel „Ein krankes Haus“ schwere Kritik an der Berliner Charité geübt. Die Reporter beklagen „organisatorische Mängel, überlastete Ärzte und Fehler, die Menschen gefährden“. Sie untermauern dies mit Aufnahmen, die vom Sender RTL ausgestrahlt wurden. Die Universitätsmedizin widerspricht. Der „Stern“-Artikel führt neben einer Aufzählung bereits bekannter Unregelmäßigkeiten, die seit dem Jahr 2022 passiert sind, mehrere Fälle an, bei denen selbst Dinge nicht funktioniert hätten, „die in jedem deutschen Krankenhaus selbstverständlich sein müssten“ – und das in einer Klinik, die „regelmäßig Ranglisten der besten deutschen Krankenhäuser“ anführe. Ein Reporterteam von „Stern“ und dem Fernsehsender RTL habe seit Januar 2024 recherchiert, „mit Dutzenden Patienten und Angehörigen gesprochen, mit Ärzten, Managern und Fachleuten, und Zugang zu internen Dokumenten gehabt“. Zudem hätten drei Reporterinnen, getarnt als Pflegepraktikantinnen, zwischen März und August mehrere Wochen lang verdeckt auf drei Stationen der Charité die Verhältnisse beobachtet. Das Autorenteam führt etwa den Fall eines Patienten auf der Neurochirurgie-Station an, der aus dem Penis blutete. Eine Krankenschwester habe zuvor einen Katheter bei ihm entfernt. Der Vorfall sei am Morgen geschehen, aber erst am Abend sei eine Urologin gekommen, um einen neuen Katheter zu legen. Dazwischen seien Pfleger, Studenten und Berufsanfänger überfordert um den Mann herumgestanden. Offenbar habe der Patient Anzeichen einer Sepsis gezeigt, die auch die Urologin nicht behandelt habe. „Am nächsten Mittag wird Herr Meisner auf die Intensivstation verlegt. Die Ärzte dort sehen den Ernst der Lage“, heißt es weiter. Organisationsversagen Als Grund für solche Fälle identifizieren vom „Stern“ befragte Mediziner und der Medizinrechts-Anwalt Jörg F. Heynemann ein „Organisationsversagen“. Ein solches ist etwa der Fall, wenn nicht genug erfahrene Ärzte auf den Stationen sind, angehende Ärzte mit zu schweren Aufgaben überfordert werden, Medikationspläne fehlen, diagnostische und therapeutische Richtlinien nicht eingehalten werden oder die Kommunikation nicht funktioniert. Zwar sei es richtig, dass das Fallpauschalen-System – das Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) mit seiner Krankenhausreform ändern will – für immensen Druck in den Kliniken sorge. Der Anwalt erzählte dem „Stern“, etwa die Hälfte seiner Fälle seien Behandlungsfehler, die aus Problemen im Betrieb resultierten. „Dafür sind die Kliniken schon selbst verantwortlich”, zitiert das Magazin den Juristen. Dass ein solches Organisationsversagen nicht nur eine Vermutung ist, dazu führt das Magazin die Berichte zweier Ärzte an, die unter offenem Namen ihre eigenen Überlastungssituationen beklagen. Der „Stern“ konfrontierte die Charité auch direkt mit den Vorwürfen. Das Klinikum stelle alles anders dar. „Ihr Anwalt wiederholt, ärztliche Schweigepflicht, die Klinik könne sich zu konkreten Fällen nicht äußern“, schreiben die Autoren. „Vorwürfe in wesentlichen Punkten ungerechtfertigt“ In einer Stellungnahme auf ihrer Website verwahrt sich die Universitätsmedizin Berlin gegen ein „falsches Bild der Realität in unserer Klinik“, das vom „Stern“ gezeichnet wurde. Die Vorwürfe gegen die Charité seien „in wesentlichen Punkten ungerechtfertigt“. „Der Artikel unterschlägt maßgebliche Informationen, verallgemeinert unangemessen und ordnet Zusammenhänge teils missverständlich ein“, kritisiert die Klinik. Der Charité sei „keine ausreichende Möglichkeit der Stellungnahme“ eingeräumt worden. „Trotz mehrfacher Hinweise auf die rechtliche Notwendigkeit legte die Redaktion zu diesen Einzelfällen keine Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht vor.“ Nur auf dieser Basis wäre es der Charité aus datenschutzrechtlichen Gründen möglich gewesen, den Schilderungen des detailliert zu entgegnen, heißt es seitens des Klinikums. Die Charité nimmt für sich in Anspruch, dass „eine Versorgung der Patient:innen gemäß einschlägigen Richtlinien und medizinischen Notwendigkeiten gewährleistet“ sei. Unabhängige nationale und internationale Bewertungen der Krankenversorgung, „bei denen unsere Klinik jährlich Spitzenplätze einnimmt“, und eigene Patientenzufriedenheitsmessungen würden dies bestätigen. Die vom „Stern“ behauptete strukturelle Überlastung weist die Universitätsmedizin von sich. Nachdem am Abend des 12. September auch noch ein Folge von „Stern Investigativ“ mit Aufnahmen der Undercover-Reporterinnen ausgetrahlt worden ist, legt die Klinik nach: „Für die Charité sind die (…) angewandten Recherchemethoden und der daraus resultierende schwere Vertrauensbruch gegenüber Behandlungsteam und Patient:innen eine nicht akzeptable Grenzverletzung.“ Die Reporterinnen hätten „widerrechtlich versteckte Bild- und Tonaufnahmen von Patient:innen angefertigt, deren Privatsphäre verletzt, und unberechtigt medizinische Daten erlangt” und „Mitarbeiter:innen (…) gegen ihren Willen beobachtet, gefilmt und zur Schau gestellt“. Charité will Vorgänge überprüfen Allerdings erkennt das Klinikum die offensichtliche Tatsache, dass in den präsentierten Situationen etwas falsch gelaufen sein muss, durchaus an und zeigt sich „betroffen“, dass „die Einhaltung unserer hohen Qualitätsstandards in Einzelfällen“ in Frage gestellt worden sei. „Wir werden diese Vorgänge unter Berücksichtigung neu vorliegender Informationen detailliert überprüfen, so wie wir es bei internen oder externen Hinweisen zu tun pflegen. Sollten sich in Ausnahmefällen Vorwürfe bestätigen, bedauern wir dies aufrichtig und werden konsequent Gegenmaßnahmen ergreifen.“ (ms)
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