Stiftung Auge: Wie weit ist die Gentherapie bei Netzhauterkrankungen?

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Eines von rund 33.000 bis 50.000 Neugeborenen kommt statistisch gesehen mit einer Leber’schen kongenitalen Amaurose auf die Welt. Wie eine moderne Gentherapie Betroffenen helfen und Erblindung vermeiden kann, war ein Thema der Online-Pressekonferenz der Stiftung Auge, die am 19. Mai stattfand.

Ursache der Leber’schen kongenitalen Amaurose ist der Defekt des Gens RPE65. „Dieser Gendefekt führt dazu, dass sich der Sehfarbstoff in den lichtempfindlichen Zellen der Augennetzhaut nicht ausreichend regeneriert“, erläutert Prof. Frank G. Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn und Vorsitzender der Stiftung Auge. „Dieser Prozess ist jedoch die Grundlage dafür, dass wir scharf und Farben sehen können.“ Betroffene seien daher oft schon früh sehbehindert und könnten im weiteren Verlauf erblinden. Die Leber’sche kongenitale Amaurose trete oft mit Begleitsymptomen wie Schielen, Augenzittern oder auch einer Linsentrübung auf.

Bis vor kurzem galt die Leber’sche kongenitale Amaurose als unheilbar. 2018 hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) jedoch zur Behandlung dieser seltenen Netzhauterkrankung eine Gentherapie (Voretigene Neparvovec) zugelassen. Bevor ein Patient diese Therapie jedoch erhalten könne, müssten eine gezielte molekulargenetische Diagnostik und eine gründliche klinische Untersuchung erfolgen, so die Stiftung Auge. Seien alle Voraussetzungen erfüllt, werde das Gentherapeutikum in einem einmalig durchgeführten mikrochirurgischen Verfahren nach Entfernung des Glaskörpers unter die Netzhaut am Augenhintergrund injiziert. „Bundesweit führen nur drei Behandlungszentren – die Universitäts-Augenkliniken in Bonn, München und Tübingen – diese hochspezialisierte Operation durch“, erklärt Holz.

Verläuft der Eingriff erfolgreich, können die defekten Netzhautzellen ihre Funktion zurückgewinnen. Dadurch verbessert sich das Sehvermögen der Patienten zum Teil. „Vor allem bei Dunkelheit und schlechten Lichtverhältnissen können sich die Patienten nach der Operation besser orientieren. Insgesamt gewinnen sie durch die Therapie ein großes Stück Lebensqualität“, berichtet Holz. Nach dem Eingriff würden die Patienten 15 Jahre lang von Augenärzten nachbetreut, um den Effekt der Therapie zu überwachen und mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen. „Nach derzeitigem Kenntnisstand hält der Therapieeffekt mindestens vier Jahre lang an – solange wurden bisher Patienten nachuntersucht –, ohne dass Nebenwirkungen oder Komplikationen auftreten“, so Holz.

Der finanzielle Aufwand für einen solchen Eingriff sei erheblich, betont die Stiftung Auge. Bereits das Medikament koste für beide Augen circa 600.000 Euro – diese würden aber von den Krankenkassen übernommen. Weitere Gentherapien für andere Netzhauterkrankungen fänden sich bereits in klinischer Erprobung.