Stoffwechsel von Blutstammzellen kartiert

Bild: ©Sebastian Kaulitzki – stock.adobe.com

Forschende des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und der ETH Zürich haben erstmals eine integrierte Übersicht geschaffen, welche die metabolischen und molekularen Veränderungen in menschlichen Blutstammzellen kartiert, die sich während der Zellspezialisierung, des Alterns und bei Krebs zeigen.

Mit dem Alter oder bei Erkrankungen wie Leukämie kann die außergewöhnliche Regenerationsfähigkeit Hämatopoetischer Stammzellen (HSZ) nachlassen oder gestört werden, wodurch das Blut- und Immunsystem insbesondere unter Stressbedingungen angreifbar wird.

Doch wie verändern sich Blutstammzellen im Laufe des Lebens oder bei Krankheit? Eine neue Studie des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und der ETH Zürich bietet nun erstmals einen integrierten Blick auf den Zellstoffwechsel und die molekularen Programme dieser seltenen Zellen. Die Studie zeigt, wie sich diese Eigenschaften bei der Zellspezialisierung, während des Alterns oder durch Krebserkrankungen verändern.

Kombination hochsensibler „Low-Input“-Methoden

Die Untersuchung dieses Zelltyps ist äußerst anspruchsvoll. Bislang war ein genaueres Bild des Stoffwechselprofils der Stammzellen wegen ihrer Seltenheit und der begrenzten Verfügbarkeit menschlicher Knochenmarksspenden enorm herausfordernd.

„Um dies zu ändern, entwickelten wir hochsensible Messtechniken, mit denen sich aussagekräftige Stoffwechseldaten aus einer extrem kleinen Zellzahl gewinnen lassen. So konnten wir Hunderte von Metaboliten und Lipiden mit weitaus weniger Zellen messen, als bei herkömmlichen Verfahren erforderlich sind“, erläutert Dr. Maria-Eleni Lalioti, eine der beiden Erstautorinnen der Studie.

Umfassende Analyse der Blutstammzellen: Mithilfe moderner FACS-Sortierung und innovativer Low-Input-Methoden wurden Blutstammzellen (HSPCs) und deren Vorläufer aus menschlichem Knochenmark isoliert und auf verschiedene Alters- und Krankheitszustände untersucht. Durch die Integration von Transkriptom-, Metabolom- und Lipidomdaten konnten molekulare Veränderungen bei Differenzierung, Alterung und Leukämie charakterisiert und neue Ansatzpunkte zur Erhaltung der Stammzellgesundheit identifiziert werden.
Abbildung: ©MPI für Immunbiologie und Epigenetik, Prof. Nina Cabezas-Wallscheid

Durch die Integration der gewonnenen Stoffwechseldaten mit den Genexpressionsprofilen der Zellen erstellte das Team eine umfassende „Karte“ der chemischen Prozesse und der Genaktivität in den Zellen. So konnten die Wissenschaftler nachvollziehen, wie sich Blutstammzellen in verschiedenen Stadien von Gesundheit, Alterung und Krankheit verändern.

„Wir fanden beispielsweise heraus, dass menschliche Stammzellen metabolisch weniger aktiv sind als ihre schon spezialisierten Nachkommen. Wir finden in ihnen weniger Metaboliten, die für die Energiegewinnung, den Zellaufbau und die Aminosäuresynthese benötigt werden. Das passt dazu, dass Stammzellen meist in einem Ruhezustand verbleiben, um sich und ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten zu schützen“, erklärt Max-Planck Gruppenleiterin und ETH-Prof. Nina Cabezas-Wallscheid.

Cholin offenbar ein wichtiger Nährstoff

Die bislang bemerkenswerteste Entdeckung in den Daten betrifft Cholin, ein essentieller Nährstoff, der beispielsweise in Eiern, Sojabohnen und Fisch enthalten ist. Gesunde Stammzellen wiesen einen hohen Cholinspiegel auf, der mit zunehmender Spezialisierung der Zellen abnahm und mit zunehmendem Alter und bei Leukämie weiter sank.

„Unsere Laborexperimente zeigten, dass eine Cholin-Supplementierung die Lipidproduktion anregt und den Zellen dabei hilft, einen jugendlichen, stammzellähnlichen Zustand zu bewahren. Das deutet darauf hin, dass bestimmte Nährstoffe für die Aufrechterhaltung der Stammzellfunktion entscheidend sind“, erklärt Co-Erstautorin Dr. Mari Carmen Romero-Mulero.

Die Daten zeigten zudem, dass sich die Lipidzusammensetzung der Blutstammzellen verändert. Dies hat Auswirkungen auf ihre Membranstruktur und somit auch darauf, wie die Zellen ihre Umgebung wahrnehmen und darauf reagieren. „Diese Erkenntnisse eröffnen neue Wege, um zu erforschen, wie der Stoffwechsel nicht nur das innere Zellgeschehen, sondern auch die Interaktion mit der Umgebung beeinflusst“, unterstreicht Co-Autor Dr. Jörg Büscher.

Die Studie zeigt eindeutig, dass menschliche Blutstammzellen grundlegende metabolische Veränderungen durchlaufen, wenn sie sich differenzieren, altern oder erkranken. Diese Veränderungen können sowohl die Identität als auch das Verhalten der Zellen erheblich beeinflussen.

„Das wirft spannende Fragen auf: Kann gezielte Ernährung die Gesundheit von Stammzellen erhalten? Und inwieweit könnten metabolische Interventionen, ich denke da an Ernährung oder gezielte Supplementierung von Nährstoffen, Leukämie-Behandlungen unterstützen oder gesundes Altern fördern?“, so Cabezas-Wallscheid.

Die Daten aus dem Labor von Cabezas-Wallscheid stellen eine umfassende Quelle für die weitere Forschung in diesem Bereich dar. Indem sie aufzeigen, wie der Stoffwechsel das Schicksal menschlicher Blutstammzellen beeinflusst, legt diese Studie den Grundstein für künftige Therapien zur Erhaltung der Stammzellfunktion – und damit vielleicht auch für ein länger gesundes Blutsystem.