Strukturierte Nachsorge beeinflusst Häufigkeit von Folgeschlaganfällen nicht

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Eine an sieben deutschen und einer dänischen Stroke Unit durchgeführte Studie konnte keinen Vorteil eines strukturierten Nachsorgeprogramms im Hinblick auf die Rate von Folgeereignissen zeigen; bei den intensiver nachbetreuten Patienten konnten vaskuläre Risikofaktoren jedoch besser eingestellt werden.

Die INSPiRE-TMS-Studie1 verglich den Effekt eines strukturierten, zweijährigen Nachsorgeprogramms in Hinblick auf die Häufigkeit von Folgeschlaganfällen, akutem Koronarsyndrom und gefäßbedingten Todesfällen gegenüber der ambulanten Nachsorge gemäß Regelversorgung bei Patienten mit leichten ischämischen Schlaganfällen oder transitorischer ischämischer Attacke (TIA). Das strukturierte Nachsorgeprogramm war so aufgebaut, dass die Patienten in den Wochen 3, 6 und 12 nach Studieneinschluss sowie nach sechs, neun, zwölf, 18 und 24 Monaten jeweils ein umfassendes Beratungsgespräch erhielten. Darin wurden allgemeine Informationen zur Schlaganfallprophylaxe und Risikofaktoren gegeben – mit besonderem Fokus auf Lebensstilintervention und Therapietreue. Während dieser Beratungstermine erfolgte auch eine Bewertung der körperlichen Fitness und des individuellen Risikoprofils (Blutdruck, LDL-Cholesterin, Rauchen etc.).

Insgesamt wurden 2098 Patienten in die Studie eingeschlossen, die Hälfte von ihnen durchlief das strukturierte Nachsorgeprogramm, die andere Hälfte die normale ambulante Nachsorge. Nach einem mittleren Follow-up von 3,6 Jahren trat bei 175 der konventionell nachbehandelten und bei 163 der Patienten im Nachsorgeprogramm ein größeres vaskuläres Ereignis (primärer Endpunkt) auf. Mit einer Verminderung des relativen Risikos um acht Prozent (Hazard ratio [HR] 0,92) war der Unterschied zwischen den Gruppen nicht signifikant.

„Entgegen unserer Erwartung gab es also keinen Effekt des strukturierten Nachsorgeprogramms auf den primären Endpunkt; die Einstellung wichtiger Risikofaktoren ein Jahr nach Studieneinschluss gelang jedoch bei mehr Patienten innerhalb des Programms als in der Kontrollgruppe, die Unterschiede zwischen beiden Gruppen waren jedoch zu gering, um einen signifikanten Effekt auf die Folgeereignisse auslösen zu können“, erklärte Prof. Armin Grau, 2. Vorsitzender der Deutschen Schlaganfallgesellschaft (DSG) und einer der Studienautoren.

So wiesen nach zwölf Monaten in der Interventionsgruppe deutlich mehr Patienten Blutdruckwerte im Zielbereich (p<0,0001), niedrigere LDL-Werte (p=0,001) sowie eine höhere körperliche Aktivität (p<0,0001) und Nichtraucherrate (p=0,0021) auf. Doch nach drei Jahren waren die Unterschiede zwischen den Gruppen nicht mehr so deutlich ausgeprägt. „Das ist einer der Gründe, warum sich auch kein Unterschied im klinischen Endpunkt zeigte“, resümierte der Experte.

Prof. Hans-Christoph Diener aus Essen, Pressesprecher der DGN, erklärte: „Auf den ersten Blick sind die Ergebnisse dieser gut geplanten Studie enttäuschend, da ein strukturiertes Nachsorgeprogramm bei Patienten mit TIA und leichtem Schlaganfall nicht in der Lage zu sein scheint, weitere schwerwiegende vaskuläre Ereignisse zu verhindern. Eine Erklärung ist jedoch, dass Patienten in der Kontrollgruppe durch ihre Hausärzte und Internisten so gut behandelt wurden, dass kein signifikanter Unterschied gegenüber der Interventionsgruppe zu erreichen war.“

Grau und die anderen Autoren sehen genau darin eine Limitation ihrer Studie. Sie war nicht verblindet, was dazu geführt haben könnte, dass Patienten der konventionellen Nachsorgegruppe möglicherweise sogar noch etwas besser als in der Behandlungsrealität außerhalb von Studien behandelt wurden, denn viele Hausärzte versorgten Patienten aus beiden Studienarmen. „Die hohe Rate an Patienten aus der konventionellen Gruppe, bei denen die Risikofaktoren erfolgreich kontrolliert werden konnten, war schon erstaunlich, beispielsweise lag der mittlere Blutdruck mit 136/80 mm Hg deutlich niedriger als in vorherigen Beobachtungsstudien. Andererseits war die Rate der Zielerreichung in der Interventionsgruppe bei wichtigen Risikofaktoren wie dem Blutdruck oder der körperlichen Aktivität nicht ausreichend hoch.“

Hinzu kam, dass es sich um eine „intention-to-treat“-Analyse handelte und somit auch Patienten in die Auswertung des strukturierten Nachsorgeprogramms eingingen, die unter Umständen nur einen von acht Beratungsterminen wahrgenommen und somit eigentlich nicht wirklich am Programm teilgenommen hatten. „Durch diese beiden Umstände lagen die Gruppen hinsichtlich ihrer Nachsorge am Ende gar nicht so weit auseinander, wie von uns Studienautoren ursprünglich angestrebt worden war – und es liegt auf der Hand, dass sich dann auch kein signifikanter Unterschied im Outcome zeigen konnte“, lautet Graus Fazit. Er betonte, dass sich in Subgruppenanalysen, die sich auf Patienten mit häufiger Wahrnehmung der Untersuchungstermine konzentrierten, durchaus ein günstiger klinischer Effekt des Interventionsprogramms zeigte.

„Im Großen und Ganzen ist die Nachsorge von Schlaganfallpatienten in Deutschland bereits auf einem hohen Niveau – DSG und DGN haben es geschafft, dass die S3-Leitlinie Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke2 breite Anwendung im klinischen Alltag findet“, erklärte Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. Ein strukturiertes Nachsorgeprogramm könnte aber die bereits hohe Qualität der Nachsorge noch weiter verbessern – darin sind sich alle Experten einig. Das gelte besonders für die Patienten, bei denen die Risikofaktoren für einen Folgeschlaganfall im Rahmen der Regelversorgung nicht hinreichend beeinflusst werden können. „Für diese Hochrisikopatienten benötigen wir intensivierte Nachsorgeprogramme“, sagte Berlit.

Literatur:
1. Ahmadi M et al.: A support pro-gramme for secondary prevention in patients with transient ischaemic attack and minor stroke (INSPiRE-TMS): an open-label, randomised controlled trial.
Lancet Neurol 2020;19(1):49–60.
2. S3-Leitlinie “Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke” der DGN und DSG