Strukturiertes ambulantes Schlaganfall-Nachsorgeprogramm (noch) ohne Erfolg17. August 2023 Die Kontrolle und Einstellung des Blutdruckes sind wichtiger Bestandteil der Schlaganfall-Nachsorge. (Foto: © Anette – stock.adobe.com) Ein strukturiertes ambulantes Schlaganfall-Nachsorgeprogramm konnte die Ein-Jahres-Ereignisrate nicht senken. Dies berichtet die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) mit Blick auf eine aktuelle Studie. Eine große Cluster-randomisierte Studie1 untersuchte erstmals den Effekt eines strukturierten ambulanten Schlaganfall-Nachsorgeprogramms (SANO) auf die Kontrolle von kardiovaskulären Risikofaktoren, mögliche schlaganfallbedingte Komplikationen und die Rate sekundärer kardiovaskulärer Ereignisse (einschließlich Mortalität). Die Ergebnisse der komplexen Intervention wurden mit der sonst in Deutschland üblichen Nachsorge verglichen. Nach einem Jahr zeigte sich nun, dass das Programm zwar die Kontrolle von Risikofaktoren verbesserte, jedoch nicht zu einer Ereignisreduktion führte. Das Autorenteam erwartet dennoch eine Verbesserung des längerfristigen Outcomes. Nach einem ischämischen Schlaganfall besteht ein beachtliches Rezidivrisiko – nach einer AOK-Analyse2 liegt dieses bei 1,2 Prozent nach einem Monat, bei 8,7 Prozent nach einem Jahr und bei 25,4 Prozent nach fünf Jahren. Das jährliche Rezidivrisiko betrug im zweiten Jahr 4,5 Prozent und im dritten bis fünften Jahr jeweils vier Prozent. Die Mortalität 30 Tage nach einem Schlaganfall lag bei 6,8 Prozent, nach einem Jahr bei 18,5 Prozent und nach fünf Jahren bei 46 Prozent. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen erscheine es dringend notwendig, geeignete Wege zu finden, um die Schlaganfall-Nachsorge und Sekundärprävention zu verbessern, erklärte die DGN. Intensive Beratung und Überwachung der Risikofaktoren Im Rahmen der öffentlich geförderten, prospektiven SANO-Studie („Strukturierte ambulante Nachsorge nach Schlaganfall“) wurde der Effekt eines strukturierten ambulanten Post-Schlaganfall-Versorgungsprogramms mit der üblichen Versorgung in Deutschland verglichen – insbesondere im Hinblick auf die Kontrolle kardiovaskulärer Risikofaktoren, wiederkehrende vaskuläre Ereignisse und Mortalität. Jede Region (Cluster), in der die akute Schlaganfallversorgung durch ein teilnehmendes Schlaganfallzentrum erfolgt, wurde randomisiert der Interventions- oder Kontrollgruppe (Regelversorgung) zugeordnet. Es gab in beiden Gruppen jeweils 15 Cluster (pro Gruppe, ca. n=1400). Die Teilnehmenden (≥18 Jahre) hatten vor dem Schlaganfall keine schweren Behinderungen und wiesen mindestens einen modifizierbaren kardiovaskulären Risikofaktor auf. In den Interventionsclustern wurde ein multidisziplinäres Netzwerk aufgebaut, um eine einjährige patientenzentrierte Intervention bereitzustellen, die über die reine Sekundärprävention hinaus verschiedene, für die Schlaganfallnachsorge relevante Aspekte beinhaltete. Das Vorgehen erfolgte in enger Abstimmung mit der hausärztlichen Versorgung. In der Interventionsgruppe wurden die Teilnehmenden über ihr individuelles Risikoprofil informiert, individuelle Behandlungsziele wurden besprochen (Blutwerte, Blutdruck etc.), individuelle Bedürfnisse berücksichtigt, personalisierte Empfehlungen zur Sekundärprävention (u. a. Ernährungsberatung) gegeben und die Motivation gefördert, Verhalten beziehungsweie Lebensstilfaktoren entsprechend zu ändern. Angehörige wurden, wenn möglich, einbezogen. Standardisierte Nachuntersuchungen erfolgten nach ein, drei, sechs, neun und zwölf Monaten; dabei wurden Medikamenteneinnahme, kardiovaskuläre Risiko- und Lebensstilfaktoren erfasst (z. B. Ernährung, Rauchen, Alkoholkonsum und körperliche Aktivität) sowie die Notwendigkeit von Physio- und Ergotherapie, Logopädie sowie der Bedarf an unterstützenden Hilfsangeboten überprüft. Behandlungsziele und Medikamente wurden angepasst und gegebenenfalls weitere Diagnostik durchgeführt. Der primäre Endpunkt umfasste Schlaganfallrezidive, Myokardinfarkte und Tod jeglicher Ursache innerhalb von zwölf Monaten. In jeder Gruppe konnten mehr als 1200 Patienten ausgewertet werden. Hoher Standard der Regelversorgung Im Ergebnis wurden nach einem Jahr zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede im primären Outcome festgestellt; von rezidivierenden kardiovaskulären Ereignissen waren 64/1203 (5,3 %) Personen der Interventionsgruppe und 80/1283 (6,2 %) der Kontrollgruppe betroffen. Auch die Rehospitalisierungsraten unterschieden sich nicht signifikant. Unerwünschte Ereignisse waren in der Interventionsgruppe häufiger (23,1 %) als in der Kontrollgruppe (9,2 %). Am häufigsten waren dies in beiden Gruppen Stürze, hypertensive Krisen und Depressionen. Auch wenn nach einem Jahr keine signifikante Verbesserung der Ereignisreduktion gezeigt werden konnte, so war dennoch die Sekundärprävention hinsichtlich der Kontrolle von Gefäßrisikofaktoren in der Interventionsgruppe erfolgreicher als in der Kontrollgruppe (insbesondere Nikotinverzicht und Cholesterinsenkung, aber auch Blutdruck- und Diabeteseinstellung, Ernährung und körperliche Aktivität). Das Autorenteam schlussfolgert, dass zwölf Monate Nachbeobachtungszeit womöglich zu kurz waren, um die Effekte des Programms sichtbar zu machen; für längerfristige Auswirkungen müsse der Beobachtungszeitraum verlängert werden. Andere potenziell günstige Auswirkungen auf die Folgen eines Schlaganfalls und die Lebensqualität müssten weiter untersucht werden, und in künftigen Studien sollte zudem eine Fokussierung auf Patienten mit besonders hohem Risiko erfolgen. Die Studie zeige aber auch das derzeitige hohe Niveau der Behandlung von Schlaganfallpatienten in hausärztlichen und internistischen Praxen. „Insgesamt konnten relativ gute Effekte des Programms auf Verhaltensmodifikationen und die Therapieadhärenz bei den Teilnehmenden gezeigt werden, sodass wir sehr hoffen, dass sich dies im Verlauf mehrerer Jahre dann auch auf das Outcome auswirkt“, erkärte Prof. Roland Veltkamp, Essen, einer der Studienautoren. „Entscheidend dürfte sein, ob es gelingt, die Motivation der Betroffenen aufrecht zu erhalten und Motivationshindernisse wie Depressionen ausreichend abzufangen. Es wäre auch wichtig zu untersuchen, welche Patientinnen und Patienten mit dem Programm weniger gut erreicht wurden und ob sich dies weiter verbessern lässt.“
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