Studie bescheinigt dem Konzept „Hospital at Home“ große Potenziale

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Zu Hause statt Klinik? Beim Konzept „Hospital at Home“ werden Patienten im eigenen Heim auf Krankenhausniveau versorgt. Laut einer Studie führt das Konzept zu höherer Zufriedenheit bei Patienten, kürzeren Klinikaufenthalten und geringeren Kosten.

Die von der Rhön Stiftung in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Versorgungsansatz auch in Deutschland großes Potenzial hat. Die systematische Überblicksarbeit fasst die internationale Evidenz zusammen und untersucht Best-Practice-Beispiele. Forschende der der inav GmbH haben die Analyse durchgeführt. Trotz höherer Patientenzufriedenheit, kürzeren Krankenhausaufenthalten und niedrigeren Behandlungskosten müssten aber für die Umsetzung in Deutschland noch strukturelle Hürden beseitigt werden.

Grundgedanke des Versorgungskonzepts Hospital at Home ist, geeigneten Patientengruppen eine Behandlung auf Krankenhausniveau in ihrem Zuhause anzubieten. Das Konzept wurde bereits in den 1970er Jahren entwickelt. Es sieht vor, dass die Patienten entweder anstelle eines Krankenhausaufenthalts oder im Rahmen einer frühzeitigen Entlassung zu Hause die für sie sinnvolle Behandlung durch spezialisiertes medizinisch-pflegerisches Personal erhalten.

„Hospital at Home“ bei den Kosten der Regelversorgung überlegen

Die inav GmbH wertete im Rahmen einer Überblicksstudie mehr als 100 wissenschaftliche Publikationen zu dem Versorgungskonzept „Hospital at Home“ systematisch aus. Zudem analysierten die Autoren internationale Best-Practice-Beispiele im Hinblick auf ihre Gelingensbedingungen und ihre Übertragbarkeit auf das deutsche Gesundheitswesen. Der Fokus der Studie lag unter anderem auf klinischen Behandlungsoutcomes, Patientenzufriedenheit und Kosten.

„Die Evidenz ist überwältigend“, fasst Prof. Volker Amelung, Geschäftsführer der inav GmbH, zusammen. „Ich bin absolut überzeugt, dass das Konzept auch in Deutschland zu er-heblichen Effizienzgewinnen führen kann.“ So ergab die Studie unter anderem, dass „Hospital at Home“ bei den klinischen Behandlungsoutcomes und bei Wiederaufnahmen mindestens gleich gut abschneidet wie die konventionelle Krankenhausversorgung. Bei Patientenzufriedenheit und Behandlungskosten ist das Konzept der Regelversorgung sogar deutlich überlegen.

Große Bandbreite bei der Ausgestaltung des Konzepts

„Die aktuelle Studienlage zeigt die große Bandbreite im Hinblick auf die Ausgestaltung von Hospital-at-Home-Programmen. Aber es sind auch viele Gemeinsamkeiten erkennbar, die gleichsam als Erfolgsfaktoren interpretiert werden können“, so Anna-Lena Brecher, Co-Autorin der Studie. Demnach wird die Versorgung meist durch interdisziplinäre Teams sichergestellt. Teil dieser Team sind spezialisierte Pflegefachkräfte (teilweise mit Master-Abschluss), ärztliches Personal sowie weitere Berufsgruppen.

Die ärztliche Betreuung erfolgt über Hausbesuche und/oder telemedizinische Visiten. Technologie stellt häufig eine Schlüsselkomponente dar, etwa in Form von mobilen Geräten zur Diagnostik sowie in Form von Apps, Sensoren oder an-deren Monitoring-Geräten. Zu den häufigsten Indikationen, bei denen Hospital-at-Home-Programme durchgeführt werden, zählen Atemwegserkrankungen, Infektionskrankheiten und kardiovaskuläre Erkrankungen. Vorreiter im Bereich Hospital at Home sind die USA und Spanien, gefolgt von Großbritannien und Singapur. Bislang liegt keine deutsche Studie zur Thematik vor.

Best-Practice-Beispiel erreicht 47 Prozent niedrigere Behandlungskosten

Besonders beeindruckende Zahlen weist das Best-Practice-Beispiel Huntsman at Home des Huntsman Cancer Institute an der Universität Utah, USA, auf. Es richtet sich an Menschen mit einer Krebsdiagnose, die nach einem stationären Aufenthalt weiterhin akutmedizinischen oder therapiebedingten Versorgungsbedarf haben.

Im Rahmen des Programms gelang es, Krankenhausaufaufnahmen um 55 Prozent und Notaufnahmen um 45 Prozent zu reduzieren. Stationäre Aufenthalte verkürzten sich um einen Tag und die Behandlungskosten sanken um 47 Prozent. Auch das Sheba Medical Center in Tel Aviv, Israel, erreichte mit dem weltweit ersten vollständig virtuellen Krankenhaus Sheba Beyond durchweg positive Evaluationsergebnisse, darunter Einsparungen der Behandlungskosten um etwa 40 Prozent.

In Deutschland gilt es, strukturelle Hürden zur beseitigen

Prof. Boris Augurzky, Vorstandsvorsitzender der Rhön Stiftung, fasst zusammen, warum das Thema „Hospital at Home“ gerade jetzt so aktuell ist: „Der zunehmende Versorgungsbedarf durch den demografischen Wandel, der Fachkräftemangel, aber auch der nötige Sparkurs im Gesundheitssystem erfordert es, über den deutschen Tellerrand zu blicken und neue Wege zu beschreiten. Hospital at Home präsentiert sich als sehr erfolgversprechender Baustein für eine Versorgung, die Patientenorientierung, Qualität und Wirtschaftlichkeit in Einklang bringt.“

In Deutschland fehle es allerdings noch an Voraussetzungen für die Implementierung von „Hos-pital at Home“, so das Fazit der Studie. Neben einer leistungsfähigen technologischen Infrastruktur umfasse dies beispielsweise sektorenübergreifende Vergütungssystematiken und differenzierte Berufsbilder in der Pflege, die die Anforderungen des Konzepts angemessen abbilden. Interessante Ergebnisse seien von den beiden Innovationsfonds-Projekten VirtualWard und STAY@HOME – TREAT@HOME zu erwarten, die das Konzept Hospital at Home aktuell in Deutschland in Pflegeheimen beziehungsweise im häuslichen Setting erproben.