Studie bringt genetisches Risiko für Autismus mit den im Gehirn beobachteten Veränderungen in Verbindung

Eine US-amerikanische Studie hat die biologischen Mechanismen untersucht, die der Autismus-Spektrum-Störung zugrunde liegen, und zeigt die erste Verbindung zwischen dem genetischen Risiko für die Störung und der beobachteten zellulären und genetischen Aktivität in verschiedenen Schichten des Gehirns.

Die Studie ist Teil eines Studienpakets des Konsortiums der National Institutes of Health, des PsychENCODE. Die Initiative unter dem Vorsitz des Neurogenetikers Dr. Daniel Geschwind von der University of California – Los Angeles (UCLA), USA, arbeitet daran, Karten der Genregulation in verschiedenen Hirnregionen und verschiedenen Stadien der Hirnentwicklung zu erstellen. Ziel des Konsortiums ist es, die Lücke zwischen Studien zum genetischen Risiko für verschiedene psychiatrische Störungen und den möglichen kausalen Mechanismen auf molekularer Ebene zu schließen.

Die Erstellung von Genprofilen für Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) beschränkte sich – mit einigen Ausnahmen in kleineren Studien – lange Zeit auf die Verwendung von Post-mortem-Gewebe aus den Gehirnen Verstorbener. Diese Gewebestudien erlauben jedoch keine detaillierten Informationen über die Unterschiede in den Hirnschichten, die Schaltkreise und die zelltypspezifischen Pfade, die mit ASS in Verbindung gebracht werden, sowie über die Mechanismen der Genregulation.

Um hier Abhilfe zu schaffen, nutzte Geschwind die Fortschritte im Bereich der Einzelzelluntersuchungen, einer Technik, die es ermöglicht, die genetische Information in den Kernen einzelner Zellen zu extrahieren und zu identifizieren. Gemeinsam mit seinem Team isolierte der Forscher daher mehr als 800.000 Zellkerne aus postmortalem Hirngewebe von 66 Personen im Alter von zwei bis 60 Jahren, darunter 33 Personen mit ASS und 30 neurotypische Personen, die als Kontrollgruppe dienten. Unter den Personen mit ASS waren fünf mit 15q-Duplikationssyndrom. Jede Stichprobe wurde nach Alter, Geschlecht und Todesursache auf die Fälle und Kontrollen abgestimmt.

Auf diese Weise konnten Geschwind und sein Team die wichtigsten kortikalen Zelltypen identifizieren, die bei ASS betroffen sind, darunter sowohl Neuronen als auch Gliazellen. Die tiefgreifendsten Veränderungen stellten die Forschenden bei den Neuronen fest, die die beiden Hemisphären miteinander verbinden und für eine weitreichende Konnektivität zwischen verschiedenen Hirnregionen sorgen, sowie bei einer Gruppe von Interneuronen, den sogenannten Somatostatin-Interneuronen, die für die Reifung und Verfeinerung der Hirnschaltkreise wichtig sind.

Ein entscheidender Aspekt der Studie war den Forschenden zufolge die Identifizierung spezifischer Transkriptionsfaktornetzwerke – das Netz von Interaktionen, bei denen Proteine steuern, wann ein Gen exprimiert oder gehemmt wird –, welche die beobachteten Veränderungen steuern. „Bemerkenswerterweise waren diese Treiber in bekannten Risikogenen für ASS angereichert und beeinflussten große Veränderungen in der differenziellen Expression in spezifischen Zellsubtypen. Dies ist das erste Mal, dass ein potenzieller Mechanismus die bei ASS im Gehirn auftretenden Veränderungen direkt mit den zugrunde liegenden genetischen Ursachen in Verbindung bringt“, erklärten die Forschenden.

Sie glauben, dass die Identifizierung der molekularen Mechanismen, die ASS und anderen psychiatrischen Störungen zugrunde liegen, könnte zur Entwicklung neuer Therapeutika zur Behandlung dieser Störungen beitragen können.

„Diese Ergebnisse bieten einen robusten und verfeinerten Rahmen für das Verständnis der molekularen Veränderungen, die in den Gehirnen von Menschen mit ASS auftreten – in welchen Zelltypen sie auftreten und wie sie mit den Gehirnschaltkreisen zusammenhängen“, sagte Geschwind. „Sie deuten darauf hin, dass die beobachteten Veränderungen den bekannten genetischen Ursachen von Autismus nachgelagert sind, was einen Einblick in mögliche kausale Mechanismen der Krankheit ermöglicht.“