Studie favorisiert Kombinationsbehandlung bei ischämischem Schlaganfall

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Bei schweren Schlaganfällen, bei denen oft Verschlüsse großer Hirngefäße durch Blutgerinnsel vorliegen, ist ein Kathetereingriff zur direkten Entfernung des Thrombus indiziert. Bislang war nicht belegt, ob vor dem Eingriff eine medikamentöse Gerinnselauflösung erfolgen sollte. Eine Studie zeigt nun, dass das kombinierte Vorgehen mit vorheriger Thrombolyse der alleinigen Thrombektomie nicht unterlegen ist.

Die Behandlung eines ischämischen Schlaganfalls muss so schnell wie möglich beginnen – Ziel ist die Rekanalisierung des betroffenen Blutgefäße, damit der Sauerstoffmangel im betroffenen Hirnareal nicht zu bleibenden Schäden führt. Therapeutisch kommen zwei Verfahren zur Rekanalisierung in Frage: die intravenöse Thrombolyse und die Thrombektomie. Auch wenn die Indikation zu einer Thrombektomie gestellt wird, wird häufig im Vorfeld eine Lysetherapie eingeleitet, um jeglichen Zeitverlust bis zur Reperfusion zu vermindern.

Ob eine Thrombektomie mit vorheriger intravenöser Thrombolyse letztendlich besser wirksam ist als eine Thrombektomie alleine, beziehungsweise ob eine Thrombektomie alleine möglicherweise genauso effektiv ist, wurde bislang kontrovers diskutiert, da die Studienergebnisse nicht einheitlich und die Studien auch nicht immer optimal miteinander vergleichbar waren, wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) berichtet.

Die SWIFT DIRECT-Studie verglich nun bei Patientinnen und Patienten mit ischämischem Schlaganfall und Großgefäßverschluss in Thrombektomiezentren die Thrombektomie mit und ohne vorgeschaltete Thrombolyse. Es galten strenge Ein- und Ausschlusskriterien, um eine Studienpopulation zu rekrutieren, die am ehesten von der Thrombektomie alleine profitieren könnte.

Die multizentrische, randomisierte  Open-label-Studie mit verblindeter Outcome-Auswertung wurde in 48 Thrombektomiezentren in Europa und Kanada durchgeführt. Die Betroffenen wurden nach Diagnosebestätigung (CT oder MRT) randomisiert und in gleich große Gruppen eingeteilt. Sie erhielten eine Thrombektomie entweder mit oder ohne vorherige Thrombolyse. In beiden Gruppen wurde der Gefäßeingriff so schnell wie möglich durchgeführt. In der Gruppe mit der kombinierten Behandlung wurde direkt nach Diagnosesicherung zunächst die intravenöse Thrombolyse mit Alteplase verabreicht (0,9 mg/kg, maximal 90 mg; als Infusion über 60 Minuten mit 10 % der Dosis als initialer Bolus), dann erfolgte die Thrombektomie. Der primäre Endpunkt war ein gutes bis sehr gutes funktionelles Outcome nach 90 Tagen, definiert als Score von 0-2 auf der modifizierten Rankin-Skala (mRS). Die Untersuchenden, die den primären Endpunkt beziehungsweise das Outcome erfassten, waren hinsichtlich der Therapie der Betroffenen verblindet. Der wichtigste Sicherheitsendpunkt war das Auftreten von symptomatischen Hirnblutungen, die sowohl bei ischämischen Schlaganfällen spontan als sekundäre Einblutung auftreten können als auch als Nebenwirkung der Thrombolyse oder Thrombektomie. Die Nichtunterlegenheit der Thrombektomie alleine im Vergleich zur kombinierten Behandlung wurde mit etablierten statistischen Methoden ermittelt (die Nichtunterlegenheitsgrenze war mit 12 % präspezifiziert).

Insgesamt wurden zwischen 2017 und 2021 in den Zentren 5215 Betroffene gescreent und 423 randomisiert. Von diesen konnten 408 Teilnehmende in die primäre Effektivitätsanalyse einbezogen werden (201 nur mit Thrombektomie und 207 mit Kombinationsbehandlung). Einen mRS-Score von 0-2 nach 90 Tagen erreichten mit der alleinigen Thrombektomie 114/201 (57 %), und 135/207 (65 %) mit der kombinierten Behandlung (adjustierter Risikounterschied -7,3 %). Symptomatische Hirnblutungen traten bei 5/201 (2 %) und 7/207 (3 %) der Teilnehmenden auf (Risikounterschied 1 % ohne statistische Signifikanz). Insgesamt verstarben in den Gruppen elf Prozent (bei alleiniger Thrombektomie) und neun Prozent (bei Lyse+Thrombektomie).

Eine erfolgreiche Rekanalisation war in der Gruppe mit Kombinationstherapie häufiger, der Unterschied war mit 199/207 (96 %) versus 182/201 (91 %) signifikant (Risikounterschied 5,1 %; p=0,047). Dieser Unterschied war in bisherigen Studien nicht signifikant, ist aber nach Ansicht der Publizierenden wahrscheinlich der Grund, dass das Gesamtergebnis statistisch die Kombinationsbehandlung favorisiert. Letztendlich konnte die SWIFT DIRECT-Studie keine Nichtunterlegenheit der alleinigen Thrombektomie zeigen.  

„Die SWIFT-Studie liefert Evidenz für den Vorteil der Kombinationsbehandlung hinsichtlich der Reperfusionsrate und dem klinischen Outcome. Der Vorteil ging in der Studie nicht zu Lasten der Sicherheit. Insofern hat die Studie ein Paradigma bestätigt, das in den meisten Schlaganfallzentren in Deutschland durchgeführt wird“, erklärt Prof. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Auch wenn es in einem Schlaganfallzentrum durch die vorgeschaltete Lyse etwas mehr Zeit bis zur Thrombektomie braucht, ist dies keine verlorene Zeit – sie kommt dem Betroffenen zugute“ ergänzt Prof. Peter Berlit, der Generalsekretär der DGN.