Studie: Mit zunehmendem Alter erhöhtes Herzinfarktrisiko bei Menschen mit HIV und Hepatitis C26. September 2022 Foto: © 9dreamstudio/stock.adobe.com Laut einer kürzlich publizierten Forschungsarbeit stehen der HIV- und Hepatitis-C-Status mit einem erhöhten Herzinfarktrisiko in Zusammenhang. Mit zunehmendem Alter steigt den Autoren der Studie zufolge bei Menschen mit HIV das Herzinfarktrisiko weitaus stärker an, wenn sie auch an einer nichtbehandelten Hepatitis-C-Infektion leiden – und das selbst dann, wenn sie eine HIV-Therapie erhalten. Seit der Einführung antiretroviraler Therapien zur Behandlung von HIV Ende der 1990er-Jahre ist die Lebenserwartung von Menschen mit HIV erheblich gestiegen. Studien haben jedoch ergeben, dass das Risiko für Herzerkrankungen bei Menschen mit HIV selbst bei einer Behandlung um mindestens 50 Prozent höher ist als bei Menschen ohne HIV. In der nun veröffentlichten Arbeit untersuchten deren Verfasser, ob Menschen mit HIV, die auch an einer Hepatitis-C-Infektion leiden, ein höheres Risiko für einen Herzinfarkt haben. „Co-Infektionen mit HIV und Hepatitis C treten auf, weil sie einen gemeinsamen Übertragungsweg haben – beide Viren können durch Blutkontakt übertragen werden“, erklärt Prof. Keri N. Althoff, Seniorautorin der Studie und außerordentliche Professorin an der Abteilung für Epidemiologie der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore (USA). „Zum Teil aufgrund der Entzündung durch die chronische Immunaktivierung durch zwei Virusinfektionen stellten wir die Hypothese auf, dass Menschen mit HIV und Hepatitis C mit zunehmendem Alter ein höheres Herzinfarktrisiko besitzen als Menschen, die ausschließlich an HIV leiden.“ Die Forscher analysierten Daten aus den Jahren 2000 bis 2017 zu 23.361 Personen mit HIV (17% Frauen, 49% nichthispanische Weiße) in der North American AIDS Cohort Collaboration on Research and Design (NA-ACCORD), bei denen eine antiretrovirale Behandlung gegen HIV eingeleitet worden war. Die untersuchten Personen waren zwischen 40 und 79 Jahre alt, als sie in die NA-ACCORD-Studie aufgenommen wurden (Durchschnittsalter 45 Jahre). Einer von fünf Studienteilnehmern (4677) wurde zudem positiv auf Hepatitis C getestet. Während einer medianen Nachbeobachtungszeit von etwa vier Jahren verglichen die Forschenden das Auftreten eines Herzinfarkts zwischen Personen mit ausschließlicher HIV-Infektion und solchen mit einer Co-Infektion mit HIV und Heptatitis C – sowohl insgesamt als auch stratifiziert nach Altersdekaden. Die Analyse ergab, dass mit jeder weiteren Altersdekade bei Menschen, die ausschließlich an HIV leiden, Herzinfarkte um 30 Prozent zunehmen, bei solchen mit einer zusätzlichen Hepatitis-C-Infektion aber um 85 Prozent. Das Herzinfarktrisiko stieg außerdem bei Teilnehmern, die zudem traditionelle Risikofaktoren für Herzerkrankungen wie Hypertonie (mehr als das 3-Fache), Rauchen (90%) und Typ-2-Diabetes (46%) aufwiesen. Das Risiko für einen Herzinfarkt fiel auch höhere aus (40%) bei Patienten mit bestimmten HIV-bezogenen Faktoren wie einer geringen Menge an CD4-Immunzellen (200 Zellen/mm3, was auf eine stärkere Immundysfunktion hinweist) und 45 Prozent bei denjenigen, die Proteasehemmer einnahmen. „Menschen, die mit HIV oder Hepatitis C leben, sollten ihren Arzt nach Behandlungsmöglichkeiten gegen die Viren und nach anderen Möglichkeiten zur Verringerung ihres Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen fragen“, fasst Hauptor Dr. Raynell Lang vom Department of Medicine and Community Health Sciences an der Universität Calgary in Alberta (Kanada) zusammen. Er ergänzt: „An dem erhöhten Herzinfarktrisiko bei co-infizierten Patienten können mehrere Mechanismen beteiligt sein. Ein Faktor, der dazu beiträgt, ist möglicherweise die Entzündung, die mit zwei chronischen Virusinfektionen verbunden ist. Es kann auch Unterschiede bei den Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und nichtmedizinische Faktoren geben, die die Gesundheit von Menschen mit HIV und Hepatitis C beeinflussen, die bei dem erhöhten Risiko eine Rolle spielen.“ Laut einem wissenschaftlichen Statement der American Heart Association vom Juni 2019 („Characteristics, Prevention, and Management of Cardiovascular Disease in People Living With HIV“) sind etwa 75 Prozent der Menschen, die mit HIV leben, über 45 Jahre alt. „Selbst bei einer effektiven Unterdrückung von HIV scheinen Entzündung und eine Dysregulation des Immunsystems das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzinsuffizienz zu erhöhen“, heißt es in dem Statement. Gefordert wurde darin mehr Forschung zur Vorbeugung und Behandlung sowie zu den Ursachen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Menschen mit HIV. „Unsere Ergebnisse lassen die Schlussfolgerung zu, dass Co-Infektionen mit HIV und Hepatitis C einer weiteren Erforschung bedürfen, die zukünftige Behandlungsleitlinien und -standards beeinflussen könnte“, erklärt Althoff. Die Studie ist dadurch in ihrer Aussagekraft eingeschränkt, dass keine Informationen zu zusätzlichen Faktoren vorlagen, die mit dem Herzinfarktrisiko verbunden sind, wie Ernährung, Bewegung oder chronische Erkrankungen in der Familienanamnese. Die Ergebnisse dieser Studie zu Menschen mit HIV, die in Nordamerika behandelt werden, sind zudem möglicherweise nicht auf Menschen mit HIV in anderen Ländern übertragbar. Darüber hinaus umfasste der Studienzeitraum die Zeit vor der Verfügbarkeit fortschrittlicherer Hepatitis-C-Therapien. „Da während mehrerer Jahre unseres Studienzeitraums keine wirksame und gut verträgliche Hepatitis-C-Therapie verfügbar war, konnten wir den Zusammenhang einer behandelten Hepatitis-C-Infektion mit dem kardiovaskulären Risiko bei Menschen mit HIV nicht bewerten. Dies wird eine wichtige Frage sein, die in zukünftigen Studien beantwortet werden muss“, unterstreicht Lang.
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