Studie: Möglicher Zusammenhang zwischen Süßstoff Erythrit und erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Erythrit: Gefährlich oder nicht? Diese Frage vermag die aktuelle Studie nicht zu genüge beantworten. Symbolbild: ©Andreas – stock.adobe.com

Eine Studie in „Nature Medicine“ stellt eine Verbindung zwischen dem Süßungsmittel Erythrit und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie einer gesteigerten Blutgerinnung bei Menschen mit einem hohen kardiovaskulären Risiko her. Expertinnen und Experten sehen bislang keinen akuten Handlungsbedarf, fordern jedoch mehr Langzeitstudien zu potenziellen gesundheitlichen Auswirkungen.

Sowohl Zuckeraustauschstoffe als auch Süßstoffe, wie beispielsweise Aspartam, kommen immer häufiger in Lebensmitteln zum Einsatz. Gerade vorerkrankten Personen werden sie oft als gesündere Zuckeralternative empfohlen. Dennoch gibt es bisher nur wenige Langzeitstudien zu ihrer Wirkung. Dabei spielt die Bewertung ihrer Sicherheit und Unbedenklichkeit eine erhebliche Rolle, wenn wie zuletzt wieder intensiv die Reduzierung von Zucker, etwa durch eine Zuckersteuer, diskutiert wird.

Erythrit (auch Erythritol oder E 968 genannt) ist als besonders gut verträglicher Zuckeraustauschstoff bekannt und wird häufig als kalorienfreie Zuckeralternative in energiereduzierten Lebensmitteln verwendet. Obwohl Erythrit in geringen Mengen vom Körper selbst produziert wird und in natürlichen Nahrungsmitteln, wie Früchten und fermentierten Lebensmitteln vorkommt, zählt es als Zusatzstoff und bedarf somit in Europa einer Zulassung. Bewertungen des Wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses der Europäischen Union, sowie zuletzt im Jahre 2015 der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ergaben keine gesundheitlichen Bedenken gegen die Verwendung von Erythrit.

Bei Produkten, die zu mehr als zehn Prozent aus Zuckeralkoholen bestehen, muss lediglich darauf hingewiesen werden, dass sie bei übermäßigem Verzehr abführend wirken können. Somit stellt Erythrit einen von derzeit acht in der EU zugelassenen Zuckeraustauschstoffe dar und darf bestimmten industriell gefertigten Lebensmitteln ohne Mengenbegrenzung zugesetzt werden. Fragen zur Unbedenklichkeit des Süßstoffes wirft jedoch die aktuelle Datenerhebung unter Beteiligung von deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf. 

Assoziation mit kardiovaskulären Ereignissen und beschleunigter Gerinnungsbildung

Die Forschenden untersuchten die Blutproben einer Kohorte von 1157 Personen, die ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten. Bei denjenigen, die über den Beobachtungszeitraum von drei Jahren eine schwerwiegende kardiovaskuläre Komplikation hatten, wie etwa einen Myokardinfarkt, stießen sie im Plasma auf eine gesteigerte Konzentration einiger Zuckeralkohole (Polyole), darunter insbesondere der Zuckeraustauschstoff Erythrit.

Diese zunächst qualitativen Annahmen bestätigten sich in weiteren Analysen zweier Validierungskohorten mit weiteren Personen, ebenfalls mit einer hohen Prävalenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Risikofaktoren, einschließlich Typ-2-Diabetes und Fettleibigkeit. Eine Kohorte stammte aus den USA und umfasst 2149 Probandinnen und Probanden, die zweite europäische Kohorte umfasst 833 Personen aus Deutschland.

Weitere Untersuchungen ergaben, dass eine Zugabe von Erythrit zu Blut oder Blutplättchen zu einer beschleunigten Gerinnungsbildung führte. Zuletzt wurde eine prospektive Interventionsstudie mit acht gesunden Personen durchgeführt, die ein mit 30 Gramm Erythrit gesüßtes Getränk zu sich nahmen. Der Süßmittelgehalt dieses Getränks ist laut Studie vergleichbar mit einer Dose handelsüblichem künstlich gesüßten Getränk oder 500 Milliliter Diät-Eiscreme. Der Verzehr dieses Getränkes erhöhte den Erythritspiegel im Blut über einen Zeitraum von zwei Tagen so sehr, dass er laut der Forschenden weit über der Schwelle lag, bei der zuvor signifikante Hinweise auf eine veränderte Blutplättchenaktivität beobachtet wurden.

Weitere Studien nötig

Bekanntermaßen lassen sich mit Beobachtungsstudien keine Ursächlichkeiten nachweisen. Dr. Stefan Kabisch, Studienarzt in der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung der Charité – Universitätsmedizin Berlin, hält die Studienergebnisse zu Erythrit jedoch nicht für eine bloße Scheinkorrelation oder Störgröße. Seiner Ansicht nach belegen die verwendeten in-vitro- und in-vivo-Modelle eine „tatsächlich kausale Rolle von Erythrit jenseits der reinen statistischen Assoziation“. Andere Expertinnen und Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz halten einen kausalen Zusammenhang für weniger offensichtlich. So könne auch eine „Reverse Causality“ nicht ausgeschlossen werden, was bedeutet, dass bei den Probanden womöglich nicht der vermehrte Erythritkonsum zum erhöhten kardiovaskulären Risiko beitrug, sondern umgekehrt – dass sie aufgrund ihrer Erkrankung vermehrt auf Süßstoffe auswichen.

Worin sich alle jedoch einig sind: Es braucht weitere (Langzeit-)Untersuchungen, um kurz- und langfristige Auswirkungen von Süßstoffen beim Menschen besser zu verstehen – insbesondere in der gesünderen Allgemeinbevölkerung. „Für eine Warnung vor Zuckerersatzstoffen ist es zu früh“, resümiert Kabisch. Der Wechsel zurück zum Zucker sei aber vermutlich nicht der gesündere Weg.

Prof. Hans Hauner, Direktor des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München, rät – auch vor dem Hintergrund der wachsenden Evidenz, dass hochverarbeitete Lebensmittel diverse Gesundheitsrisiken beinhalten könnten – allgemein zu einer pflanzlich betonten und wenig verarbeiteten Ernährung gemäß den „Zehn Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung“.

(ah)