Studie: Vier von fünf Patienten mit Tuberkulose zeigen keinen persistierenden Husten

Offenbar leiden die wenigsten Patienten mit Lungentuberkulose auch an einem mindestens zwei Wochen anhaltenden Husten, der in der Vergangenheit als Schlüsselsymptom der Erkrankung galt. (Foto: © sebra/stock.adobe.com)

Eine Studie mit Daten von mehr als 600.000 Personen hat ergeben, dass 80 Prozent der Tuberkulosepatienten nicht an anhaltendem Husten leiden, der bisher als das häufigste Symptom der Erkrankung galt.

Für die von Medizinern des Amsterdam University Medical Center (UMC) und Wissenschaftlern des Amsterdam Institute for Global Heath and Development (AIGHD; beide Niederlande) geleitete Studie analysierte man Daten von mehr als 600.000 Personen in Afrika und Asien und stellte dabei fest, dass 82,8 Prozent der Betroffenen keinen persistierenden und 62,5 Prozent überhaupt keinen Husten hatten. Die Ergebnisse der Auswertung wurden in „The Lancet Infectious Diseases“ veröffentlicht.

„Unsere Ergebnisse weisen auf den wahrscheinlichen Grund dafür hin, dass die Tuberkuloselast in Afrika und Asien trotz enormer Bemühungen im Hinblick auf Diagnose und Therapie der Erkrankung kaum abnimmt“, erklärt Frank Cobelens, Professor für Globale Gesundheit an der Amsterdam UMC und Senior Fellow am AIGHD. „Wir wussten bereits, dass zwischen den 10,6 Millionen Menschen, die daran erkranken, und den 7,5 Millionen Fällen, die von den Gesundheitsbehörden im Jahr 2022 registriert wurden, eine riesige Kluft existiert.“ Der Studienautor ergänzt: „Persistierender Husten bildet häufig den Ausgangspunkt für eine Diagnose. Wenn aber 80 Prozent der Tuberkulosepatienten keinen solchen haben, bedeutet das, dass die Diagnose verzögert gestellt wird – möglicherweise, nachdem die Infektion bereits auf viele andere übertragen worden ist – oder überhaupt nicht.“

Die Daten stammten aus Befragungen im Zeitraum 2007–2020 und aus Ländern mit hoher Tuberkuloseinzidenz. Die berichtete Prävalenz der Lungentuberkulose basierte dabei auf Röntgenaufnahmen des Thorax und einem Symptom-Screening bei Personen im Alter von mindestens 15 Jahren. Screening- und Diagnosekriterien waren standardisiert, und als Tuberkulosefälle galten solche mit einer positiven Mycobacterium-tuberculosis-Sputumkultur. Die Forschenden bewerteten die Anteile subklinischer Tuberkulose nach drei Falldefinitionen: kein persistierender Husten (Dauer ≥2 Wochen), überhaupt kein Husten sowie keine Symptome (kein Husten, kein Fieber, keine Schmerzen in der Brust, kein Nachtschweiß und kein Gewichtsverlust).

Die Studienautoren identifizierten 34 Datensammlungen, von denen 31 für die Analyse infrage kamen. Aus zwölf Befragungen trugen die Forschenden individuelle Teilnehmerdaten (620.682 Personen) zusammen, die aus acht afrikanischen und vier asiatischen Ländern stammten. In die Analyse gingen schließlich Daten von 602.863 Personen ein, von denen 1944 an Tuberkulose erkrankt waren. Der unbereinigte Anteil an subklinischer Tuberkulose betrug 59,1 Prozent (n=1149/1944; 95%-Konfidenzintervall [KI] 55,8–62,3) für Personen mit persistierendem Husten und 39,8 Prozent (n=773/1944; 95%-KI 36,6–43,0) für keinerlei Husten. Nach Adjustierung lagen die Anteile für Personen ohne persistierenden Husten bei 82,8 Prozent (95%-KI 78,6–86,6) und bei 62,5 Prozent (95%-KI 56,6–68,7) für solche, die überhaupt nicht husteten. In einer Untergruppe von vier Befragungen betrug der Anteil der Teilnehmenden, die zwar an Tuberkulose litten, aber keine Symptome zeigten, 20,3 Prozent (n=111/547; 95%-KI 15,5–25,1) vor der Adjustierung beziehungsweise 27,7 Prozent (95%-KI 21,0–36,4) danach.

Eine Lungentuberkulose ohne Husten war den Studienautoren zufolge häufiger bei Frauen zu beobachten (kein anhaltender Husten: adjustierte Odds Ratio [OR] 0,79; 95%-KI 0,63–0,97; kein Husten: adjustierte OR 0,76; 95%-KI 0,62–0,93). Unter den Patienten mit Tuberkulose fielen Analysen von Abstrichen bei 29,1 Prozent (95%-KI 25,2–33,3) der Personen ohne persistierenden Husten positiv aus sowie bei 23,1 Prozent (95%-KI 18,8–27,4) bei denjenigen, die gar nicht husteten.

„Wenn wir alle diese Faktoren berücksichtigen, wird klar, dass wir wichtige Aspekte der Identifizierung von Menschen mit Tuberkulose überdenken müssen“, unterstreicht Cobelens. „Es ist klar, dass mit der derzeitigen Praxis, insbesondere in den Settings mit den wenigsten Ressourcen, eine große Anzahl von Patienten übersehen wird. Wir sollten uns stattdessen auf Röntgenuntersuchungen und die Entwicklung neuer kostengünstiger und einfach anzuwendender Tests konzentrieren.“