Studie zu vielversprechendem neuen Antibiotikum Darobactin untermauert dessen Potenzial

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Darobactin ist ein vielversprechender Kandidat für die Entwicklung neuer, resistenzbrechender Antibiotika, denn es verfügt über einen außergewöhnlichen Wirkmechanismus und ein breites Wirkspektrum. Neue Erkenntnisse liefert eine aktuelle Studie

Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) haben in der neuen Untersuchung gezeigt, dass im Labor vorgenommene Veränderungen des Darobactin-Moleküls positive Auswirkungen auf die antibakterielle Aktivität und die pharmakokinetischen Eigenschaften der neuen Wirkstoffklasse haben.

Entwicklung neuer, wirksamer Medikamente ist unerlässlich

„Darobactin ist ein antimikrobieller Wirkstoff und besteht aus sieben miteinander verbundenen Aminosäuren, die ein so genanntes Heptapeptid bilden”, erläutert Carsten Seyfert, Erstautor der aktuellen Veröffentlichung. Dessen Besonderheit liegt darin, dass es mit einem neuen, klinisch bisher ungenutzten Wirkmechanismus und einem breiten Wirkspektrum gegen gramnegative Krankheitserreger ausgestattet ist.“

Viele handelsübliche Antibiotika haben ihre Wirkung verloren, weil bakterielle Krankheits-erreger Resistenzen ihnen gegenüber entwickelt haben. Die meisten neuen Antibiotika sind Weiterentwicklungen bekannter Wirkstoffklassen, bei denen gleichbleibt, an welcher Stelle sie an ihr Ziel, das Bakterium, binden. Altbekannte Wirkmechanismen wiederum bergen die Gefahr von Kreuzresistenzen, das heißt die Unempfindlichkeit der Bakterienart auch gegenüber dem neu entwickelten Medikament. Anders bei Darobactinen: Sie binden und blockieren eine bislang unbekannte Zielstruktur namens BamA, ein essenzielles Zellwandprotein für gramnegative Bakterien, denn es ist für die Erneuerung bakterieller Membranproteine wichtig. BamA ist im Sinne sich entwickelnder Resistenzen also „Neuland“ und somit ein echter Hoffnungsträger.

Potenzial, gegen schwere Infektionen zum Einsatz zu kommen

Die Forschenden hatten durch Strukturaufklärungen kürzlich das Bindeverhalten einiger neuer Darobactin-Derivate an BamA genauer studiert (insbesondere von dem Derivat D9 und dem aktuellen Frontrunner D22). Am Computer modellierten sie nun Änderungen an zuvor wenig studierten Positionen einzelner Aminosäuren des Darobactins. Dabei fiel auf, dass zusätzliche Interaktionsfläche mit der Bindestelle am Zielprotein BamA erzeugt werden kann. Ob dies zu einer effektiveren Blockierung des BamA-Komplexes führt und mit einer gesteigerten Aktivität einhergeht, wollten die Experten in der vorliegenden Studie nun experimentell untersuchen.

Sie nahmen im Labor biosynthetische Veränderungen an den Darobactin-Molekülen vor und untersuchten diese auf ihre antibakterielle Aktivität hin. Die vielversprechendsten Modifikationen einzelner Aminosäuren des Darobactin-Heptapeptids haben Derivate hervorgebracht, die in vitro eine Wirksamkeit gegen von der WHO als kritisch priorisierte und oftmals multiresistente Krankheitserreger wie Escherichia coli, Acinetobacter baumannii oder Pseudomonas aeruginosa zeigen. Somit haben Darobactine das Potenzial, in Zukunft auch im Menschen gegen schwere bakterielle Infektionen eingesetzt zu werden. Möglicherweise können sie bestehende Resistenzen brechen. Besonders stach das Derivat D69, das in seiner In-vitro-Aktivität vergleichbare Werte wie das zurzeit beste Derivat D22 zeigte.

Für die beiden vielversprechendsten Derivate D22 und D69 untersuchten die Wissenschaftler auch die Pharmakokinetik. Hierfür wählten sie das In-vitro-ADMET-Model aus, das Prof. Anna Hirsch (HIPS) und Prof. Thomas Marlovits (CSSB Hamburg) und ihre Teams ermöglichten. Die Ergebnisse der ADMET-Profilierung lassen Rückschlüsse auf die Absorption im Blutkreislauf, Verteilung im Körper, Verstoffwechselung sowie Ausscheidung von Darobactin ziehen und sind hilfreich, um spätere Tiermodelle zu planen.

Als nächstes sollen nun die In-vitro-Ergebnisse der aktuellen Studie in vivo im Tiermodell bestätigt und die Produktionskosten reduziert werden, um die neue Antibiotika-Klasse der Darobactine auch für eine industrielle Verwertung attraktiv zu halten.