Studie zum Krebsrisiko durch PAK: Benzo(a)pyren ist ein schlechter Indikator

Struktur von Benzo[a]pyrene. (Abbildung: © molekuul.be/stock.adobe.com)

Immer wenn organisches Material verbrennt – bei einem Waldbrand, in einem Kraftwerk, beim Betreiben eines Kraftfahrzeuges oder beim Kochen – werden dabei polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) freigesetzt. Diese Schadstoffe verursachen bekanntermaßen Lungenkrebs.

Es gibt mehr als 100 bekannte Arten von PAK-Verbindungen, die täglich in die Atmosphäre emittiert werden. Aufsichtsbehörden haben sich jedoch in der Vergangenheit bei der Abschätzung des Risikos für Krebserkrankungen durch PAK-Expositionen auf Messungen einer einzelnen Verbindung – Benzo(a)pyren – berufen. Nun haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA herausgefunden, dass Benzo(a)pyren ein schlechter Indikator für diese Art von Krebsrisiko sein könnte.

In einer kürzlich in der Fachzeitschrift „GeoHealth“ veröffentlichten Modellierungsstudie berichtet das Team, dass Benzo(a)pyren eine nur geringe Rolle bei dem Gesamtrisiko für eine PAK-assoziierte Krebserkrankung spielt – etwa elf Prozent. Demnach rühren 89 Prozent dieses Krebsrisikos von anderen PAK-Verbindungen her, von denen viele keiner direkten Regulierung unterliegen.

Interessanterweise stammen etwa 17 Prozent des PAK-assoziierten Krebsrisikos von PAK-Abbauprodukten – also chemische Stoffe, die gebildet werden, wenn emittierte PAKs in der Atmosphäre reagieren. Viele dieser Abbauprodukte können sogar giftiger sein als die emittierten PAK, aus denen sie entstanden sind.

Das Forschungsgruppe hofft nun, dass ihre Ergebnisse andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Aufsichtsbehörden dazu ermutigen, über Benzo(a)pyren hinaus zu blicken und bei der Bewertung des Krebsrisikos der Bevölkerung eine breitere Klasse von PAKs in Betracht zu ziehen.

„Die meisten behördlichen Forschungen und Standards für PAK basieren auf Benzo(a)pyren-Werten. Das aber führt zu einem großen blinden Fleck, der wiederum zur Folge haben kann, dass man einen ganz falschen Pfad einschlägt, wenn es darum geht zu beurteilen, ob sich das Krebsrisiko verringert oder nicht, und ob es an einer Stelle relativ schlimmer ist als an anderen,“ sagt Studienautorin Noelle Selin, Professorin am Institute for Data, Systems and Society und dem Department of Earth, Atmospheric and Planetary Sciences des MIT.

Chemische Pixel

Benzo(a)pyren war in der Vergangenheit gewissermaßen das Aushängeschild in Bezug auf die Exposition gegenüber PAK. Der Indikatorstatus der Verbindung basiert weitgehend auf frühen toxikologischen Studien. Jüngste Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass die Chemikalie möglicherweise nicht der PAK-Vertreter ist, auf den sich die Aufsichtsbehörden seit Langem verlassen haben.

„Es gab einige Hinweise darauf, dass Benzo(a)pyren möglicherweise nicht sehr wichtig ist, aber diese stammten nur aus einigen Feldstudien“, erklärt Jamie Kelly, ehemals Postdokotorand in Selins Arbeitsgruppe und Hauptautor der Studie.

Kelly und seine Kolleginnen und Kollegen verfolgten stattdessen einen systematischen Ansatz, um die Eignung von Benzo(a)pyren als PAK-Indikator zu bewerten. Das Team begann mit GEOS-Chem, einem globalen, dreidimensionalen Chemikalientransportmodell, das die Welt in einzelne Gitterboxen aufteilt und innerhalb jeder Box die Reaktionen und Konzentrationen von Chemikalien in der Atmosphäre simuliert.

Die Forschenden erweiterten dieses Modell um chemische Beschreibungen der Reaktion verschiedener PAK-Verbindungen, einschließlich Benzo(a)pyren, in der Atmosphäre. Das Team fügte dann aktuelle Daten aus Emissionsinventaren und meteorologischen Beobachtungen hinzu und ließ das Modell weiterlaufen, um die Konzentrationen verschiedener PAK-Chemikalien auf der ganzen Welt im Zeitverlauf zu simulieren.

Gefährliche Reaktionen

In ihren Simulationen gingen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von 16 relativ gut untersuchten PAK-Chemikalien aus – darunter auch Benzo(a)pyren – und verfolgten die Konzentrationen dieser Chemikalien sowie die Konzentration ihrer Abbauprodukte über zwei Generationen oder chemische Transformationen hinweg. Insgesamt bewertete das Team 48 PAK-Arten.

Anschließend verglichen die Forschenden diese Konzentrationen mit den tatsächlichen Konzentrationen derselben Chemikalien, die von Überwachungsstationen auf der ganzen Welt aufgezeichnet wurden. Dieser Vergleich war stimmig genug, um zu zeigen, dass die Konzentrationsvorhersagen des Modells realistisch waren.

Dann setzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler innerhalb der Gitterbox jedes Modells die Konzentration jeder PAK-Chemikalie mit dem damit verbundenen Krebsrisiko in Beziehung. Dazu mussten sie basierend auf früheren Studien in der Literatur eine neue Methode entwickeln, um zu vermeiden, dass Risiken durch die verschiedenen Chemikalien doppelt gezählt wurden. Schließlich legten sie Karten der Bevölkerungsdichte übereinander, um die Anzahl der Krebsfälle weltweit vorherzusagen, basierend auf der Konzentration und Toxizität einer bestimmten PAK-Chemikalie an jedem Ort.

Indem sie die Krebsfälle durch die Bevölkerung dividierten, erhielten sie das mit der jeweiligen Chemikalie verbundene Krebsrisiko. Auf diese Weise berechnete das Team das Krebsrisiko für jede der 48 Verbindungen und ermittelte dann den individuellen Beitrag jedes Stoffes zum Gesamtrisiko.

Diese Analyse ergab, dass Benzo(a)pyren weltweit einen überraschend geringen Anteil von etwa elf Prozent am Gesamtrisiko für eine mit einer PAK-Exposition assoziierten Krebserkrankung hatte. Neunundachtzig Prozent des Krebsrisikos gingen von anderen Substanzen aus, und 17 Prozent dieses Risikos gingen auf Abbauprodukte zurück.

„Es gibt Orte, an denen die Konzentrationen von Benzo(a)pyren niedriger sind, aber das Risiko aufgrund dieser Abbauprodukte höher ist“, berichtet Selin. „Diese Produkte können um Größenordnungen giftiger sein, daher bedeutet die Tatsache, dass sie in winzigen Konzentrationen vorliegen, nicht, dass man sie vernachlässigen kann.“

Als die Forscher die berechneten PAK-assoziierten Krebsrisiken weltweit verglichen, fanden sie signifikante Unterschiede, je nachdem, ob diese Risikoberechnung ausschließlich auf Konzentrationen von Benzo(a)pyren oder auf einer breiteren Mischung von PAK-Verbindungen in einer Region beruhte.

„Wenn man die alte Methode anwendet, würde man feststellen, dass das lebenslange Krebsrisiko in Hongkong im Vergleich zu Südindien 3,5-mal höher ist – aber unter Berücksichtigung der Unterschiede bei den PAK-Gemischen ergibt sich ein zwölfmal höheres Risiko“, erklärt Kelly. „Es gibt also einen großen Unterschied im relativen Krebsrisiko zwischen den beiden Orten. Und wir halten es für wichtig, die Gruppe der Verbindungen, die die Aufsichtsbehörden im Blick haben, über eine einzelne Chemikalie hinaus zu erweitern.“