Sturzrisiko von Patienten: Bewertungssystem des UK Leipzig integriert Seh- und Hörbeeinträchtigung28. August 2019 Ein am UKL entwickeltes Bewertungssystem für das Sturzrisiko jedes einzelnen Patienten berücksichtigt zum Beispiel zum ersten Mal, ob die Person auch an Seh- oder Hörbeeinträchtigungen leidet, was sofort zu einer Einteilung in die höchste Gefährdungsstufe führt. (Foto: Stefan Straube/UKL) Am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) haben Ärzte der Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie zusammen mit dem Zentralen Patientenmanagement des UKL einen klinikeigenen Sturzrisiko-Score entwickelt, der auch das Sehvermögen berücksichtig. Mit diesem Score kann das individuelle Sturzrisiko jedes neu in die Klinik aufgenommenen Patienten sofort einheitlich erfasst werden. Der Sturzrisiko-Score, so das UKL, arbeite mit dem Ampelfarbenprinzip und teile Patienten in drei Risikokategorien von “niedrig” (grün) über “hoch” (gelb) bis zu “sehr hoch” (rot) ein. Diese Einteilung und darauf aufbauende Maßnahmen sollen helfen, Stürze und sturzbedingte Verletzungen während des Klinikaufenthaltes zu verhindern. Mit Seh- und Hörbeeinträchtigungen: Sofort “Rot” Der am UKL im Rahmen einer Studie unter Leitung von Dr. Christian Lycke, Assistenzarzt für Orthopädie/Unfallchirurgie, entwickelte Score, der im gesamten Klinikum Anwendung findet, fußt zwar auf einem existierenden Modell, wurde jedoch um eine sehr wichtige Kategorie erweitert und somit entscheidend weiterentwickelt, erklärt die Klinik: Der Erfassungsbogen berücksichtigt neben dem Alter des Patienten die Anzahl der eingenommenen Medikamente, kognitive Fähigkeiten, Mobilität, Alkoholkonsum, Kontinenzverhalten und die persönliche Sturzhistorie, für die jeweils eine bestimmte Punkteanzahl vergeben werden. “Als zusätzliche Kategorie haben wir jedoch ‘Seh- und Hörbeeinträchtigungen’ eingeführt”, erläutert Birgit Feindt, Leiterin des Zentralen Patientenmanagements am UKL. Diese erhielt eine so hohe Gewichtung, dass ein “Ja” in dieser Kategorie – unabhängig von der übrigen Punktzahl – eine sofortige Einstufung in die höchste Risikogruppe nach sich zieht, weil diese Patienten als besonders sturzgefährdet angesehen werden. Der validierte Score gibt nun bereits bei der stationären Aufnahme eines Patienten eine gute Einschätzung über dessen Risiko, während seines Klinikaufenthaltes zu stürzen. “Wir haben damit nun ein funktionierendes Werkzeug für die Frage ‘Wer ist gefährdet?’ Mit einem überschaubaren, standardisierten Aufwand wird durch das Pflegepersonal klargestellt, wie hoch das Sturzpotenzial des Patienten ist. Wenn der Patient zu mir kommt, ist er bereits einer Risikokategorie zugeordnet”, zeigt sich Prof. Andreas Roth, Bereichsleiter Orthopädie am UKL, von den neuen Möglichkeiten begeistert. “Wir identifizieren gefährdete Menschen mit einer einfachen Methode und können von Beginn an die richtigen Maßnahmen einleiten”, ergänzt Feindt. Ursachen, die zu Stürzen führen können, beseitigen Als eine Maßnahme wurde daher die “Verfahrensanweisung Sturzprophylaxe” etabliert. So sollen potenzielle Sturzfaktoren durch die Pflegefachkräfte minimiert werden. Dazu gehört unter anderem, rollende Möbel festzustellen, für ausreichende Beleuchtung zu sorgen, Gehhilfen bereitzustellen und die Funktionsfähigkeit von Prothesen und Brillen zu gewährleisten. Darüber hinaus müssen die Pflegenden einmal jährlich an einer Pflichtschulung teilnehmen. Auch die an der Behandlung des Patienten beteiligten Disziplinen werden intensiver hinzugezogen und eingebunden, unter anderem Physiotherapeuten und Apotheker. So können beispielsweise an das jeweilige individuelle Sturzrisiko angepasste Physiotherapien entwickelt werden, etwa mit Gleichgewichtsübungen oder Gangschulungen. Die am UKL eingesetzten Stationsapotheker wiederum können schon bei Aufnahme die Medikation des Betroffenen auf bekannte sturzfördernde Arzneimittel untersuchen und diese gegebenenfalls absetzen beziehungsweise anpassen. Entwickler und Anwender des Bewertungssystems sind vom Erfolg dieses Werkzeugs zur Erhöhung der Patientensicherheit überzeugt. Längerfristig erwarten sie deshalb auch einen signifikant bemerkbaren Rückgang der Sturzzahlen von Patienten am UKL. Hintergrund: Stürze gelten als eine der wichtigsten Ursachen für eine reduzierte Lebensqualität bei älteren Menschen. Mit fortschreitendem Lebensalter nehmen Risikofaktoren und die Zahl der Stürze zu. So fällt Studien zufolge jeder Dritte im Alter von über 65 Jahren einmal im Jahr, bei über 85-Jährigen ist es bereits jeder Zweite. Die Folgen solcher Stürze können gravierend sein. Oft müssen sie in einem Krankenhaus behandelt werden. Doch auch in den Kliniken selbst fallen viele Patienten aus unterschiedlichsten Gründen. So haben Arzneimittel einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Sturzrisiko. Ebenso zählen ein unsicherer Gang und Schwindel und nicht zuletzt auch Schmerzen zu den Ursachen. Quelle: UKL Anm. d. Red.: Auf die vergleichbare Problematik des Sturzrisikos augenärztlich unterversorgter Bewohner von Pflege- und Seniorenheimen hat die OVIS-Studie (Ophthalmologische Versorgung in Seniorenheimen) der Stiftung Auge der DOG aufmerksam gemacht. http://www.stiftung-auge.de/cms/home/aktuelle_projekte/ovis-studie/ http://weiter-sehen.org/
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